29. Verdächtige?

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Clay fuhr voraus, Chibs folgte ihm zurück nach Charming.
Hoffentlich war es bei den anderen besser gelaufen, denn bei Alvarez hatten sie nichts rausbekommen.
Dieser beteuerte, nichts mit Ellis Verschwinden zu tun zu haben, und hatte die beiden Sons daran erinnert, dass er nichts davon hielt, Kriege auf dem Rücken Unschuldiger auszutragen.
Schließlich bot er sogar an, Pablo zu überprüfen.

Auch wenn es Clay nicht gefiel und somit ihr Hauptverdächtiger wegfiel, Alvarez schien die Wahrheit zu sagen.
Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass der Mexikaner wirklich dazu stand, wenn er Elli hatte, hatte mit dem Treffen eher Druck auf die Mayans ausüben wollen, aber die Überraschung in Alvarez' Augen, als Clay von Ellis Verschwinden sprach, hätte dieser nicht spielen können.

Und dass die Mayans irgendetwas ohne das Wissen ihres Anführers unternahmen, dann noch in dieser Größenordnung, bezweifelte Clay stark.
Nach der Sache mit Pablo und Ellis Haus, hatte Alvarez sicher für Ordnung in seinen Reihen gesorgt.
Pablo war deshalb aus dem Club geflogen.

Konnte wirklich er dahinterstecken?
Clay hatte nicht gerade den Eindruck gewonnen, dass Pablo intelligent genug für eine Entführung war.
Bei ihm zählte eher Muskelkraft statt Hirn.
Doch wie bei Clark Fitzpatrick wollte Clay auch hier nichts vorschnell ausschließen, weshalb er jetzt auch direkt zu dem Herrenausstatter in Charmings Zentrum fahren würde.


Clark Fitzpatrick war nicht gerade davon angetan zwei Mitglieder der Sons in seinem Laden zu haben.
„Wollen die Herren ihre Ratten abholen?", fragte er und rümpfte dabei abfällig die Nase.
„Welche Ratten?", entgegnete Clay freundlich lächelnd.
„Na, wenn das so ist, möchte ich die Herren nun bitten zu gehen, denn ich denke nicht, dass wir anderweitig irgendetwas zu besprechen oder zu regeln hätten", meinte Clark und deutete bereits zum Ausgang.

„Wie wäre es, wenn wir über die Entführung sprechen?", schlug Clay vor. „Ich denke, da gibt es einiges zu regeln."
„Bitte was?", wollte Clark irritiert wissen. „Welche Entführung?"
Chibs setzte an, etwas zu erwidern, aber Clay legte ihm eine Hand auf die Schulter und hielt ihn so davon ab.

„Die Gebühren stehen aus", sagte er stattdessen.
„Ist das eine Drohung?", erkundigte sich Clark.
Clay schüttelte grinsend den Kopf. „Nur ein guter Rat, dass es angebracht wäre zu zahlen. Auf Wiedersehen."

Chibs nickte Clark zu, dann folgt er Clay nach draußen.
„Warum hast du ihm nichts von Elli gesagt?"
„Er wusste nichts von ihrem Verschwinden und vermutlich ist es besser, wenn es dabei bleibt", meinte Clay und stieg auf sein Bike.


Die Stimmung war angespannt.
Mit jeder Minute, die verstrich, steigerte sich die Angst und Hilflosigkeit in Jax und seine Gereiztheit nahm zu.
Zuerst hatte das der Prospect gemerkt, der Jax mit seiner Fragerei so auf den Sack gegangen war, dass er ihn nach Hause geschickt und ihm noch den Schraubenschlüssel hinterhergeworfen hatte.

Kurz danach hatte sich Jax mit einem Kunden angelegt, der meinte, die Jungs in der Werkstatt wären für einen Kratzer im Lack verantwortlich.
Opie hatte ihn schließlich weggezogen und gemeint er solle sich mal einen Kaffee nehmen und runterkommen.
Es war Opies Glück, dass in diesem Moment Bobby angefahren kam und eine Tüte frischer Muffins dabei hatte. Natürlich die Guten, mit der Spezialzutat.

Kaum saß Jax auf einem der Sofas im Clubhaus und biss in den kleinen Kuchen, kam Bobby mit zwei Schnapsgläsern und zwei Bier.
„Sieht nicht so aus, als gäbe es gute Neuigkeiten", meinte er.
Jax kippte zuerst den Schnaps, dann schüttelte er den Kopf. „Es gibt gar keine Neuigkeiten."

„Auch nicht von Clay und den anderen?", hakte Bobby nach.
„Sie haben sich nicht gemeldet, aber wenn sie zurück sind, treffen wir uns. Wie war dein Auftritt?"
Bobby sah Jax aufmerksam an. „Das interessiert dich doch nicht wirklich."
Jax zuckte nur mit den Schultern. „Besser, als nachzudenken."
Das konnte Bobby nachvollziehen und redete drauf los.


Was Clay und die anderen zu erzählen hatten, gefiel Jax nicht.
Es konnte nicht sein, dass niemand dahinter stecken sollte, dass sich noch immer niemand gemeldet hatte und sie keinen Schritt weiter waren als am Abend zuvor.
Elli konnte doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein.

Kaum war die Sitzung beendet, verließ Jax das Clubhaus und ging zu seinem Bike.
„Wohin willst du?", fragte Opie.
„Zu den Flughäfen in Stockton und Lodi, Ellis Auto suchen."
Das hätte Jax schon längst erledigen sollen, auch wenn er wusste, Elli hätte ihr Auto nie zurückgelassen.

„Ich komm mit", beschloss Opie.
„Lass mal, du solltest zu Donna", lehnte Jax ab.
„Du hast aber nichts Dummes vor?" Opie kannte seinen besten Freund gut genug, um zu wissen, dass er in Stockton vielleicht nicht nur zum Flughafen wollte.
„Ich will nur Elli finden", versicherte Jax, wobei das eine dumme Aktion nicht ausschloss.

„Ich fahr mit", bot Halfsack an.
Dagegen hatte Jax nichts einzuwenden, er mochte Halfsack, der mittlerweile gelernt hatte die Klappe zu halten, wenn es besser war.
Außerdem würde er Jax nicht aufhalten.

„Okay, aber wenn was ist, ruf an", meinte Opie.
„Klar. Sag Donna Grüße."
Jax schwang sich auf seine Maschine und ließ sie an. Halfsack tat es ihm gleich, dann fuhren sie davon.

„Müssen wir ihnen jemanden hinterherschicken?", wollte Clay von Opie wissen.
Der Präsident hatte den drei jungen Männern vom Eingang des Clubhauses aus zugesehen und war sich nicht sicher, was genau Jax vorhatte.
Opie verneinte, bevor auch er auf sein Motorrad stieg.

Zwar war auch er sich nicht sicher, auf was sich Jax einlassen würde, denn er war offensichtlich fest dazu entschlossen etwas zu finden oder jemanden dafür verantwortlich zu machen. Aber Jax war eben nicht nur ein Bruder des Clubs für ihn, sondern auch sein bester Freund.

Er konnte ihm jetzt nicht in den Rücken fallen und musste ihm so weit vertrauen, dass er sich melden würde, wenn es Stress gab.
Hier ging es nicht in erster Linie um den Club, hier ging es um Jax' Privatleben, um die Frau, die dieser liebte.

Opie wollte sich nicht mal vorstellen, wie es wäre, wenn Donna plötzlich verschwunden wäre.
Beim Gedanken an sie startete er den Motor.


Ruhig rollte die Maschine über den Asphalt und langsam kam Jax runter.
Die Anspannung löste sich mit jedem Kilometer, die er zurücklegte, etwas mehr.
Zwar saß die Angst noch immer tief, doch jetzt hatte er ein Ziel und konnte aktiv etwas tun. Er war sich sicher, dass er mit dieser Tour zu den Flughäfen nur eine weitere Möglichkeit ausschloss, wie Elli aus seinem Leben verschwinden konnte, aber wenn er genug ausgeschlossen hatte, musste doch etwas übrig bleiben und er würde sie finden.

Juice hatte die Passagierlisten von gestern bereits kontrolliert und keine Elisabeth Summers gefunden.
Den Aufwand, den jemand hätte betreiben müssen, um Elli gegen ihren Willen und unter falschem Namen in ein Flugzeug zu verfrachten, traute er niemandem zu, der gerade auf seiner Verdächtigenliste stand.

Clay war sich sicher, dass Alvarez nichts davon wusste. Wie es um Pablo stand, würden sie morgen erfahren.
Als würde Jax so lange warten.
Er wusste, wo das Arschloch wohnte, und würde diesen kleinen Umweg in Kauf nehmen.
Sollte er nur den kleinsten Verdacht haben, dass Elli in seiner Gewalt war, würde ihn diesmal kein Clay und kein Chibs zurückhalten.


Drei Stunden später hatte das Motorradfahren keinen entspannenden Effekt mehr.
Er hatte Ellis Auto nicht gefunden, hatte keine Hinweise sammeln können und Pablo war gar nicht zuhause gewesen.
Jax hatte seine Abwesenheit genutzt und hatte sich im Garten umgesehen, während Halfsack Schmiere gestanden war.
Aber weder im Garten, noch in der Garage oder im Keller, konnte er durch die Fenster irgendetwas erkennen.

Er hatte damit gerechnet und trotzdem traf es ihn.
Irgendwie war doch die Hoffnung im Hinterkopf gewesen, dass er diese Nacht wieder neben Elli verbringen könnte.
Alles würde er im Moment dafür geben, sie in seiner Nähe zu haben und alles in ihm sträubte sich, das Clubhaus zu betreten.

Er wollte nicht hören, dass sie sie schon finden würden, dass alles wieder werden würde oder dass er noch etwas Geduld haben musste.
Er wollte keine Fragen beantworten und Überlegungen anstellen.
Es interessierte ihn nicht, wo überall Elli nicht war.

Morgen trafen sie sich ohnehin am Tisch und kauten nochmal alles durch, denn Neuigkeiten gab es keine.
Stattdessen lief er am Clubhaus vorbei, verschwand in seinem Reich und schloss die Türe hinter sich ab.
Nach einer schnellen Dusche legte er sich ins Bett, drückte Ellis Kissen fest an sich und ließ es zu, dass seine Gefühle und Erinnerungen auf ihn einprasselten.

Ein Leben für den Club? (SoA FF Jax und Elli Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt