𝟶𝟹 | 𝐴𝑙𝑙𝑦

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❧༺༻☙

Ich huschte so schnell wie möglich durch die menschenleeren Straßen — man könnte meinen, um bildlich vor den giftigen Worten meiner Mutter davon zu rennen.

Meine gedämpfte Stimmung löste sich in Nichts auf, als ich das fröhliche Zwitschern junger Vögel hörte. Es kam von einem der alten Bäume, die auf dem schlecht besuchten Spielplatz ihr Leben verbrachten.

Die saftig grünen Blätter wogen sich in der warmen Sommerbrise, als würden sie tanzen.
An einer Stelle schienen sie zurück gedrängt, sodass man einen Blick auf die Äste und den kräftigen Stamm des Baumes erhaschen konnte — von dort ertönte der Vogelgesang.

Die Kleinen saßen ungeduldig mit den Flügeln schlagend in ihrem Nest und warteten darauf von ihren Eltern gefüttert zu werden.
Es tut gut, neues Leben zu sehen.

Gedankenverloren lief ich weiter bis zu einer kleinen, heruntergekommenen Wohnung. Noch einmal tief einatmend, dann hob ich meine Hand und formte sie zu einer Faust. Doch bevor meine Finger das glatte Holz berührten und ich anklopfen konnte, wurde die Tür mit Schwung aufgerissen.

Das betrübte Gesicht eines hoch gewachsenen Mannes mittleren Alters tauchte vor mir auf.
Sev's Dad.

Er bemerkte mich erst viel zu spät, sodass ich einen Schritt zurück weichen musste, um nicht von ihm umgerannt zu werden.

„Oh, hallo Ally", nuschelte er geistesabwesend und fügte noch ein „tschuldigung, hab dich nicht gesehen" hinzu, bevor er fluchtartig an mir vorbei stolperte.

Warum hat er es so eilig?
Als Antwort drang vom Inneren der Wohnung ein verärgertes, aufgebrachtes Geschrei zu uns. Er zögerte für einen Herzschlag, entschied sich dann aber doch dafür, schnell das Weite zu suchen.
Sie streiten schon wieder...

Plötzlich sank mein Bedürfnis das Haus zu betreten unter den Meeresspiegel.
„Warten Sie!", rief ich ihm hinterher, als ich meine Chance witterte.
Er hielt inne und musterte mich. „Ja?"
„Wissen Sie, ob Sev da ist?"

„Eigentlich dachte ich, dass er bei dir ist. Zumindest hat er behauptet, sich mit jemandem auf dem Spielplatz zu treffen."

Ich blinzelte, verharrte in meiner Position und gab mir alle Mühe, ihn nicht verwirrt anzustarren.
Und dann schlug der Blitz mit voller Wucht in mein Bewusstsein ein.

Er hatte sich wieder mit ihr getroffen. Lily Evans.
In letzter Zeit häuften sich diese Treffen, vor allem redete er ständig von ihr.

Vermutlich ist das nur eine Phase, versuchte ich mir einzureden. Wenn sie sich richtig kennengelernt haben und alles gesagt wurde, kann es vielleicht wieder wie früher werden.

„Tut mir leid, ich muss jetzt los", murmelte mein Gegenüber, dessen Anwesenheit ich komplett vergessen hatte.
Obwohl er sich bereits von mir abgewandt hatte, nickte ich steif und sah zu, wie er sich endgültig davon machte.

„Hey Ally!", hörte ich Severus' verwunderte Stimme plötzlich hinter mir.
Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr herum.
Mein Blick ging geradewegs in seine dunklen Augen, die mich immerzu an den sternenreichen Nachthimmel erinnerten.
Voller Hoffnung.

Er strahlte eine so positive Energie aus, dass ich beinahe riechen konnte, dass er gerade von seiner Verabredung mit Lily kam.

„Hi Sev", kam es mir tonloser über die Lippen als gewollt.
„Was machst du hier?"
Ich ließ das eigentlich so glückbringende Pergament aus Hogwarts tiefer in meine Hosentasche rutschen und schließlich gänzlich verschwinden.
Hat er es vergessen?

Die Enttäuschung war wieder präsenter denn je.
„Nicht so wichtig", murmelte ich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Ich wollte nur nachsehen, ob bei dir alles okay ist. Dein Dad schien etwas durcheinander."

Seine Miene verdunkelte sich.
„Es lief schon besser zwischen den Beiden. Aber wir kommen klar."
Er machte mir etwas vor. Dachte er so würden sie wieder zusammen finden?

Mitfühlend nahm ich seine Hand.
„Wenn irgendwas sein sollte, dann sag Bescheid. Ich komme dann vorbei."

Er lächelte mich schief an. „Danke. Aber ich denke, ich sollte jetzt rein."
Vorsichtig deutete er zu der immer noch offenen Haustür hinter mir.

„Okay", sagte ich und er verschwand mit einer Kopfbewegung, die mir zu verstehen geben sollte, dass er sich ebenfalls verabschiedete.

Was mach ich denn jetzt?
Einfach nach Hause gehen konnte ich nicht.
Die Kommentare über meine schnelle Rückkehr wollte ich mir nicht anhören.

Und trotzdem sah ich das zufriedene Gesicht meiner Mutter vor mir; ihre Stimme, die mich glauben lassen will, dass sie es von Anfang an wusste. Man sollte sich schließlich niemals mit einem Slytherin abgeben.

Ich wusste nicht wie lange ich noch auf der Straße vor dem Haus der Snape's stand. Mein Zeitgefühl hatte sich verabschiedet.

Seufzend machte ich mich nun doch auf den Heimweg. Ich fühlte mich gerade ohnehin an keinem Ort dieser Welt Willkommen.

Ein verzweifelter, quiekender Ruf holte mich zurück in das Hier und Jetzt.
Ich ließ meinen Blick über meine Umgebung schweifen und fand auf der Wiese einen der jungen Vögel, der vor geraumer Zeit noch vergnügt zwischen den Ästen bei seinen Geschwistern im Nest hockte.

Er war noch zu klein, um zu fliegen, und so schlugen seine Flügel nur unbeholfen gegen seinen zitternden Körper.
Dort unten war er dem Tode geweiht. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, bis ihn eine Katze erwischen würde.

Langsam und behutsam näherte ich mich dem gefiederten Tier, um es nicht zu verängstigen.
Bei ihm angekommen betrachtete ich es neugierig und hob meine Handfläche mit genügend Abstand über ihn.

Dann schloss ich meine Augen, versuchte ruhig und regelmäßig zu atmen und meine gesamte Konzentration zu bündeln.

Ich versuchte die Luft und das vertrocknete Gras unter dem Jungen zu spüren — die Ruhe und den Frieden darin — und den Moment zu nutzen.

Als ich meine Lider wieder aufschlug, konnte ich den kleinen Vogel sehen, der wie durch Zauberei zurück in sein wohl behütetes Nest schwebte.

Der Anblick versetze mir einen Stich ins Herz.
Er war so hilflos gewesen — und alleine.

Ich erinnerte mich unwillkürlich daran, wie Severus mir erzählte, dass Lily ihren Brief bekommen hatte.
Es war aus ihm herausgesprudelt wie aus einem angestauten Wasserfall, nachdem er wieder ungehindert fließen kann.
Alles auf einmal.

Er hatte so glücklich wie schon lange nicht mehr gewirkt.
„Das ist schön." Ich hatte mich zu einem behutsamen Lächeln gezwungen, wollte mich für ihn freuen, konnte aber nicht seinem Blick standhalten.

Dann hatte er gemeint, dass er wieder zu ihr gehen müsste, um ihr Wichtiges aus unserer Welt näher zu bringen.
Unsere Welt..., hing es mir lange im Kopf nach.

Und mit diesen Worten hatte er mich zurückgelassen.
Alleine.

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Sectumsempra | S. SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt