𝟺𝟺 | 𝐴𝑙𝑙𝑦

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1 Jahr später, in den Sommerferien

Wo kann es nur sein?
Ich riss gefühlt die tausendste Schublade meines Schreibtischs auf. Aber das alte Notizbuch, das ich einst mit Severus über unsere Zaubertrank-Experimente führte, blieb verschollen. Wo, um alles in der Welt, habe ich es liegengelassen?
Nichts als leere Tintenfässer, vergilbte Reagenzgläser und einzelne Vogelfedern, die ich in meiner Kindheit auf den Straßen gesammelt hatte, erblickten das Tageslicht. Abgerissene Zettel mit kleinen Botschaften von Severus, wann wir uns das nächste Mal sehen konnten. Aber kein abgenutztes Buch, das schon halb aus seinem Einband fiel.
Ich runzelte die Stirn. Beinahe jedes Versteck in meinem Kinderzimmer hatte dran glauben müssen und trotzdem fehlte jede Spur. Allmählich gingen mir die Möglichkeiten aus.
Was, wenn es jemand verschwinden ließ?, klopfte die Stimme leise an.
Ich hielt erschrocken die Luft an. Ob meine Eltern oder Evi meine Sachen durchsucht haben, während ich in Hogwarts war?

Nein, das durfte nicht sein. Ich war nur nicht gründlich genug gewesen.
Aber du würdest es ihnen zutrauen..., wisperten meine Gedanken ohne mein Einverständnis.
Mit klopfendem Herzen öffnete ich meine letzte Option, eine hölzerne Kiste. Die Sticker mit den Tier-Motiven, die ihre raue Oberfläche bedeckten, begannen sich an den Rändern zu lösen.
Vermutlich hätte ich den Kopf über meinen damaligen Geschmack geschüttelt, während meine Wangen aus Scham den Farbton des Hogwarts-Expresses angenommen hätten.
Doch ich nahm sie kaum wahr. Zu konzentriert fixierten meine Augen den Deckel, der nur einen Moment später den Inhalt freigab. Ein Haufen Briefe kam zum Vorschein.
Sie lagen kreuz und quer in dem Behältnis, als hätte sie jemand achtlos hinein geworfen. Nur der oberste schien mit Sorgfalt auf all den anderen platziert worden zu sein.
Geschwungene Buchstaben aus schwarzer Tinte fraßen sich in das schneeweiße Kuvert.

Für Ally Greene

Ich erkannte Remus' Handschrift sofort. Ohne Umschweife fischte ich den Brief aus dem Meer an Pergament und legte ihn neben mich.
Später würde ich mir die Zeit nehmen, ihm zu antworten. Aber vorher musste ich mich vergewissern, dass Severus' und meine Notizen nicht in falsche Hände geraten waren.
Hektisch versuchte ich, die restliche Post aus dem Weg zu schaufeln. Ob es womöglich auf den Grund gesunken ist?
Etwas zu energisch schob ich die restliche Post beiseite. Viele Ecken knickten, glattes Papier knitterte. Der unverkennbare Duft von gepressten Seiten erfüllte die Raum und erinnerte mich an die unzähligen Bücher, die ich als Kind verschlungen hatte. Oft hatte ich sie nur mit ihr umher getragen, um meine Nase jederzeit in ihren betörenden Geruch zu vergraben. Sie waren nicht nur die ansehnlichste Dekoration, mit der ich nur allzu gerne mein Zimmer schmückte, sie hatten auch etwas Beruhigendes an sich.

Mit einem Mal stieß ich auf etwas Festes.
Mein Herz machte einen Sprung, als ich den ledernen Umschlag zwischen den Unmengen an ivoryfarbenen Fasern aufblitzen sah.
Ich befreite es von seiner Last und umklammerte es mit beiden Händen. Eine Welle der Erleichterung überrollte mich, als ich das dunkelbraune Material unter meinen Fingerkuppen spürte.
Behutsam strich ich über seine Oberfläche. Ein seliges Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab.
Severus' früheres Ich tauchte vor meinem inneren Auge auf, wie er mir feierlich das noch unversehrte und vollkommen leere Taschenbuch mit den Worten „Es soll dir gehören" überreichte.
Dankbar drückte ich es fest an meine Brust.

„Wir können es gemeinsam füllen", hatte er ein paar Tage später gesagt, als ich wieder einmal rätselte, was ich hineinschreiben sollte. „Mit all den Dingen, die du liebst."
Wenn du nur wüsstest..., dachte ich und seufzte. Vorsichtig, als könnte sein Geschenk bei einer falschen Berührung zu Staub zerfallen, schlug ich es auf.
Schnuddelige Zeichnungen von Pflanzen kamen mir entgegen. Die Tinte der kleinen Textblöcke, abwechselnd von Severus und mir verfasst, nur noch ein Schatten ihrer Selbst.
Zwischen jenen Buchstaben konnte ich den noch blasseren Bleistift erkennen, den wir immer dann verwendeten, wenn wir die Notizen ergänzen wollten. Das Bild einer Sopophorous Bohne stach ins Auge.

Sectumsempra | S. SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt