𝟷𝟶 | 𝐴𝑙𝑙𝑦

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Ich konnte mich kaum von dem Anblick des laut schmatzenden, schlürfenden Mitschülers lösen, der mir an unseren Haustisch gegenüber saß.

Er musste mindestens einen Jahrgang über uns sein, doch seine Tischmanieren glichen denen eines ausgehungerten Graphorns.

Seinen morgendlichen Frühstückshaferbrei schaufelte er nur so in sich rein, als hätte er die Illusion an einem Wettbewerb teilzunehmen, bei dem er im Alleingang den Hauspokal für Slytherin gewinnen würde.

„Willst du auch noch ein Toast?"
Severus hielt mir eine Scheibe unter die Nase. Ich schüttelte den Kopf. „Nein danke, mir ist gerade der Appetit vergangen."
Schulterzuckend legte er das Brot auf seinen eigenen Teller und nahm sich noch ein Spiegelei dazu.

Der laute Schrei einer Eule hallte durch die hohen Wände mehrmals in meinen Ohren nach und kündigte die eintreffende Post an.
Alle Anwesenden hoben neugierig die Köpfe, hielten nach ihren gefiederten Freunden Ausschau.

Sie schossen pfeilschnell zwischen den schwebenden Kerzen hindurch, während sie ihren Zauberern Zeitungen, Briefe und kleine Pakete auf den Tisch warfen. Von allen Seiten war der dumpfe Aufprall zu hören.

Ich suchte mit Severus die Decke nach Fido, seinem Waldkauz, ab.
„Da ist er!", rief ich und streckte meine Hand nach oben zeigend auf die kleine Eule aus, die sich zwischen ihren viel größeren Artgenossen behaupten musste.

Er schaffte es an ihnen vorbei und kam aufgeregt auf uns zu geflattert.
Severus schien meine Worte damals aus der Winkelgasse nicht vergessen zu haben, denn er versuchte mit ausgebreiteten Armen sein Frühstück vor einer Bekanntschaft mit einem Vogel zu schützen.

Mir entfuhr ein Lachen, als Fido stattdessen im Haferbrei unseres Gegenübers landete.
Das klebrige Gemisch aus Flocken und Milch spritzte durch die Luft, genau auf den Umhang von Severus.
Er hatte sich völlig umsonst abgemüht.

„Ja, ja, lach du nur", brummte er, während er versuchte sich die Flecken mit einer Serviette wegzuwischen.
„Tut mir leid", sagte ich schuldbewusst. Er stieß mir mit einem Lächeln im Gesicht freundschaftlich in die Seite, um mich wissen zu lassen, dass er es nicht so gemeint hatte.

Fido schlug währenddessen aufgebracht mit den Flügeln und hüpfte piepsend auf uns zu, als würde er sich über seine nervenaufreibende Aufgabe beschweren wollen.

Ich schnappte mir ein nicht benutztes Tuch von der reichlich gedeckten Tafel und half Severus ihn von dem Haferbrei zu befreien.

Den empörten Blick unseres Hausgenossen, dessen Frühstück nun ungenießbar war, ignorierten wir beflissen.
Zum Glück bleibt es mir jetzt erspart ihn beim Essen sehen zu müssen.

Dann konnten wir uns endlich in Ruhe unserem Toast widmen. Severus faltete nebenbei seine Post, einen Brief von seiner Mutter und den Tagespropheten, auseinander. Mittlerweile war auch die letzte Eule wieder verschwunden.

Ungewollt spürte ich die Enttäuschung in mir aufkeimen. Kein Brief für mich.
Weder meine Eltern noch meine Schwester hatten mir geschrieben.
Warum? Hab ich was falsch gemacht?

Mir war klar, dass sie nicht begeistert davon sein würden, wenn sie erfahren in welches Haus der Sprechende Hut mich gesteckt hatte.
Aber würden sie sich deswegen nicht für mich freuen?

Ich seufzte innerlich. Mach dir nicht so viele Gedanken. Vielleicht hatten sie einfach noch keine Zeit gefunden.
In Gedanken versunken nahm ich kaum wahr wie Severus mich fast pausenlos antippte.
„Ally! Hey, Ally!"

Ich wandte den Kopf von der einen zur anderen Seite, als hätte ich die Orientierung verloren und wollte das schlechte Gefühl abschütteln, das meine Überlegungen hinterlassen hatten.
„Was ist denn?"

Er sah mich bekümmert an, als er mir einen Ausschnitt aus der Zeitung zu schob. Aber da war noch etwas anderes.
Ist das Angst in seinen Augen?

Verunsichert senkte ich meinen Blick auf das Stück Papier und begann die Überschriften zu lesen.
Der dunkle Zauberer steigt weiter auf, Er, dessen Name nicht genannt werden darf, schlägt wieder zu — eine weitere muggelstämmige Familie auf seinem Gewissen und Immer mehr Anhänger um ihn waren nur wenige von vielen.

Ich schluckte.
Dunkle Zeiten werden kommen.
So viel war klar. Aber ich wollte versuchen, ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Vielleicht würden wir uns nur grundlos in Panik versetzen.

Besorgt huschte sein Blick an mir vorbei. Mir war nicht entgangen wie er schon den ganzen Morgen immer wieder so unauffällig wie möglich zum Gryffindor-Tisch schielte. Immer wieder suchten seine Augen nach ihr.

„Mach dir keine Sorgen", wandte ich mich Severus zu, tat als wäre es nicht der Rede wert. „Der beruhigt sich schon wieder. Und wenn nicht, dann werden sie ihn ganz sicher aufhalten."

Ich wollte positiv für ihn sein, wenn ich es schon nicht für mich sein konnte. Doch meine Worte schienen ihn nicht zu erreichen.
Langsam schüttelte er betrübt den Kopf. „Der meint das wirklich ernst", flüsterte er. „Hier."

Er deutete auf den Artikel, der von den Anhängern des dunklen Zauberers berichtete, die sich selbst Todesser nannten.
„Sie haben alle ein Brandmal und tragen diese Maskierungen, wenn sie auf seine Anweisung hin Aufträge erledigen. Sowas macht keiner zum Spaß. Das ist organisiertes Verbrechen."

Mir lief ein Schauder über den Rücken.
„Und sie versuchen ständig unschuldige Leute dazu zu überreden, sich ihm anzuschließen und ihm bedingungslos zu folgen", wisperte er gedämpft.

„Aber wir sind in Hogwarts sicher", behauptete ich, wenn auch wenig überzeugt, denn auch ich wusste, dass so jemand überall hingehen konnte, wo immer er wollte.

Das Bedauern, das in seinen sternenklaren Augen schimmerte, brach mir fast das Herz.
„Aber wie lange noch?"

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Sectumsempra | S. SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt