𝟹𝟼 | 𝐴𝑙𝑙𝑦

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❧༺༻☙

Ich fand mich zusammengekauert im halb verdorrten Gras wieder. Erdbrösel bedeckten die Haut auf meiner Wange, als ich benommen die Augen aufschlug.
Ich lebe? Schlagartig pochte mir mein Herz bis zum Hals. Ein klares Indiz. Also ja, ich musste noch leben. Aber wieso?
Verwirrt gab ich meine Position auf, die an einen sich totstellenden Igel erinnerte. Ich zitterte so stark, dass es mir schwer fiel, meine Sicht zu klären.
Während ich angestrengt meine Augen zusammenkniff, tastete ich nach meinem Zauberstab.
Und wo ist der Werwolf?

Ich konnte keinen angriffslustigen Atem hören, kein aufgebrachtes Knurren und auch keine Erschütterungen des Bodens, die darauf schließen lassen würden, dass er das letzte Bisschen Distanz zwischen uns schloss.
Ist er verschwunden?
Der Vollmond schien jedenfalls vom Schwarzen See verschluckt worden zu sein — oder es war der erste, spärliche Sonnenstrahl gewesen, der ihn verbannt hatte.
Wer auch immer dafür verantwortlich war, hatte gleichzeitig für bessere Lichtverhältnisse gesorgt, die es mir erlauben würden, meinen Fragen auf den Grund zu gehen.

Eine schemenhafte Gestalt setzte sich von der restlichen Umgebung ab. Als ich meine Konzentration auf den schwachen Umriss lenkte, konnte ich es endlich sehen.
Das schauderhafte Wesen krümmte sich vor Schmerzen. Es hatte beachtlich an Körpergröße verloren und schien nahezu in sich zusammenzufallen.
Jedes einzelne meiner Haare stellte sich bei dessen Anblick fast schon qualvoll auf.
Mit jeder verstrichenen Sekunde schritt die Wandlung mehr und mehr fort. Es sah aus, als würde es mit einem unsichtbaren Dämon in seinem Inneren kämpfen - und verlieren. Sein Wimmern ging mir durch Mark und Bein.

Die Kreatur wurde mit einem Mal immer menschlicher. Ich konnte erkennen, wie sich sein Schädel verformte, die herausstehende Schnauze eingedrückt wurde, wie seine Krallen zu gewöhlichen Fingernägel verwuchsen.
Der ungepflegte Pelz schwand und zum Vorschein kam abgetragene Kleidung. Die Züge seines Gesichts waren noch verzerrt, doch das unheimliche Glitzern wich aus den düsteren Augen. Ohne den Wahnsinn hatten sie etwas Warmes, fast Gebrechliches. Sie waren nicht mehr düster.
Vielmehr wurden sie zu einem Spiegel. Ich konnte meine eigenen darin sehen. Und eine Seele, die mir so vertraut war, dass ich sie unter Milliarden anderer immer erkennen würde.
Dann kam er zum Vorschein.

Und mir klappte der Mund auf, als ich ihn erkannte.
„Remus?", krächzte ich.
Obwohl er die Metamorphose überstanden hatte, ging sein Blick in die Leere, als wäre er noch immer in einer anderen Welt gefangen.
Zögerlich trat ich einen Schritt näher. Was passiert mit ihm?
Die Angst packte mich. Was, wenn er nicht zurückkam? Wenn er einfach kollabierte?
Was mach' ich dann?
Er wirkte tatsächlich, als könnte er jeden Moment zusammenklappen.

„Ally?" Seine Stimme klang noch schwächer als er aussah. Der Nebel, der seine Iriden verschleiert hatte, löste sich in Luft auf.
Erschüttert, als wäre er seinem persönlichen Albtraum begegnet, starrte er mich an. „Was tust du hier?"
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und stürmte einfach auf ihn zu, statt zu antworten. Meine Sprache würde mir gerade ohnehin nicht gehorchen.
Vielleicht nicht meine beste Idee, ihm in seinem Zustand um den Hals zu fallen. Er taumelte zurück, doch ich hielt seinen bebenden Körper fest an mich gedrückt.

„Es tut mir so leid", hauchte ich, als er seine Arme erschöpft um mich schlang.
Mit einem müden Kopfschütteln gab er mir zu verstehen, dass es nichts gab, was mir leidtun müsste.
Und ich widersprach nicht. Das Letzte, was ich jetzt wollte, war ein Wortwechsel darüber, dass es mir trotzdem leid und weh tat, hautnah erleben zu müssen, wie er darunter litt. Dafür hatten wir beide nicht die Kraft. Auch wenn er kein Mitleid wollte, konnte ich meines nicht einfach so abstellen.
Während wir uns schweigend stützten, fiel die Anspannung von mir ab wie die Blätter der Peitschenden Weide.

Sectumsempra | S. SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt