Kapitel 6

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Am Ende des Tages hatte ich den Speck an Sascha gegeben, die ihn vorbildlich mit ihren Kameraden geteilt hatte.

Die restlichen Tage vergingen schnell und die Rekruten lernten immer mehr und wurden zu hervorragenden Soldaten.

Nach einem Jahr, in denen ich die Lehrerin der jungen Soldaten war, lernte ich sie auch besser kennen und freundete mich auch mit ihnen an. Besonders mit Jean, Connie und Sascha kam ich gut zurecht. Manchmal kam ich sogar an Annie und Reiner heran, doch die meiste Zeit versuchten sie keine näheren Beziehungen einzugehen. Es war auch nicht dumm das zu tun, sie würden somit nicht allzu sehr trauern. Es war Abend als ich vor dem Speisesaal stand und dem lauten Gemurmel zuhörte. Es war bereits Oktober und ganz schön kalt, aber ich trug trotzdem die Lederjacke meiner Uniform nicht. Als ich ausatmete sah ich meinen Atem. Zwei Jahre noch, dann würden wir mit den neuen Rekruten Shingshina zurück erobern. Ich hatte schon die Pläne gesehen und Levi kam einmal in der Woche vorbei um mit mir zu Essen und mich auf dem neusten Stand zu halten. Plötzlich ging die Tür auf und Jean stolperte heraus. Er hatte rote Wangen und die warme Luft des Saals roch verdächtig nach Alkohol. Ich richtete mich auf als ich das roch und als Jean mich dann sah, merkte er, dass es schon zu spät war. Doch bevor er wieder hinein gehen konnte, hatte ich ihn schon geschnappt und ließ die Tür hinter ihm zufallen. "Woher habt ihr den?" fragte ich mit ernster Stimme, wenn er schon so betrunken war, wie viel Alkohol hatten sie dann. Er grinste mich an, ihm schien das gar nicht peinlich zu sein. "Dich werde ich einmal heiraten." sagte er und beugte sich nach vorne. Alle Alarmglocken in meinem Kopf läuteten, doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte holte ich aus und gab ihm eine Ohrfeige. Er verlor das Gleichgewicht und landete auf dem gefrorenen Boden. Mein Atem ging schneller, er war doch noch ein Kind. Er war außerdem betrunken und wusste nicht was er tat. Ich riss mich zusammen und kniete mich neben ihn. Er versuchte sich langsam wieder aufzurichten, seine Wange glühte und in seinen Augen glänzten Tränen. "Jean, es tut mir leid." sagte ich und legte seinen Arm über meine Schulter. Er rieb sich geschockt über die Wange und schaute mich dann an. "Es.. Ich hätte das nicht sagen dürfen." wisperte er und stützte sich an mir ab. Während ich ihn zu seiner Schlafhütte brachte fragte ich ihn noch öfter wo er den Alkohol her hatte, doch ich bekam keine Antwort. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich gerade ein Kind geschlagen hatte. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn sogar bis in sein Bett brachte. "Du gehst jetzt schlafen okay? Es tut mir leid." sagte ich noch und hofft ein wenig, dass er bis morgen vergessen hatte, was ich getan hatte. Als ich aufstand und gehen wollte, hielt er mich jedoch an meinem Handgelenk fest. Ich drehte mich noch für einen Moment um, "Glaubst du nicht daran, dass du mich irgendwann einmal heiraten könntest? Wenn ich erwachsen bin und kein Kind mehr?" fragte er und seine Wangen wurden noch ein wenig roter. Ich lächelte sanft, "Heiraten ist nichts für mich Jean." danach ließ er mich gehen. Noch in Gedanken versunken dachte ich nicht daran, dass mir jemand entgegen kommen könnte, doch nun stand ich da. Erwin schaute mich ein wenig überrascht an. Ich schloss die Tür hinter mir und war nicht weniger überrascht als er. Das Gelände war so riesig und trotzdem schaffte ich Menschen zu treffen die ich gar nicht treffen wollte. Erwin trug unter seinem waldgrünen Mantel die Uniform und Winterstiefel. Ich spürte wie die Kälte auf mich hereinbrach und meine Finger das Gefühl verloren. "Was machst du hier?" fragte ich ihn und er schien plötzlich zu merken, dass er mich anstarrte. "Ich bin wegen dir hier." sagte er und ich nickte. "Warum? Warum um diese Uhrzeit?" fragte ich und wir gingen zusammen über das beleuchtete Gelände. Ich rieb mir über die Arme, warum dachte ich auch, dass es noch nicht so kalt war? "Ich habe etwas mit dir zu bereden." sagte er ernst und wieder läuteten meine Alarmglocken. Ich schaute zum Speisesaal, es wurde mittlerweile immer lauter. "Um was geht es denn?" fragte ich und schaute wieder zu Erwin, der sich gerade den Mantel auszog. Bevor ich etwas unternehmen konnte legte er ihn mir um die Schultern. Ich schaute nach unten ob er den Boden nicht berührte. Der Mantel war so lang, dass er bis zur Mitte seiner Schienbeine reichte, mir reichte er bis kurz über den Boden. Ich hatte das Parfüm von ihm in der Nase und ich glaubte ein kurzes Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. "Ich habe einen Arzt gefunden, ich vertraue ihm." Ich seufzte und wollte den Mantel wieder ablegen. "Ich habe dir gesagt, dass es mir gut geht." wütend sah ich zu ihm nach oben. "Er ist auch bereit dazu uns auf den Missionen zu begleiten." redete er weiter, als hätte ich nichts gesagt. "Ich habe gesagt, es geht mir gut." meine Stimme war fest, doch er wusste, dass ich log. "Shadis hat mich darüber informiert, dass du immer öfter Schmerzen hast." er wandte den Blick ab. "Auch von dem Vorfall letztens." kaum hatte er fertig gesprochen rauschte ich an ihm vorbei. Den Mantel immer noch auf meinen Schultern liegend. Als ich in mein Gebäude ging, saß ein Mann in der Eingangshalle. Er war ein groß gewachsener Mann mit blondem Haar und einer Brille. Doch seine Haare hatten nicht dieselbe Farbe wie die von Erwin und er hatte wilde Locken. Er stand nervös auf, als ich herein kam, seine Arzttasche in den Händen. "Guten Abend." brachte er zitternd hervor. Hinter mir kam auch Erwin herein. Er nahm streng meinen Arm und schaute mich ohne Erbarmen an. "Lauf ja nicht noch einmal vor mir weg." ich hielt seinem Blick stand, dass er das vorhin angesprochen hatte war mir noch immer unangenehm. "Sie können gehen." sagte ich zu dem Arzt, der dann zu Erwin schaute. "Setzen Sie sich noch einen Moment." sagte er hinter mir und ich verdrehte die Augen. Dann drehte ich mich wieder zu ihm um und schaute in seine kalten Augen. "Ich weiß, dass du das nicht möchtest, aber er wird dich untersuchen. Solange das nicht passiert ist, werde ich nicht gehen und er auch nicht." seine Stimme war streng, aber die Wut in mir war stärker als der Drang seinem Wunsch nachzukommen. Außerdem wollte ich von keinem Mann dort berührt werden, das was Tom mir angetan hatte war zu grausam. "Dann such dir schon mal ein Zimmer aus." fauchte ich. Er packte mich erneut am Arm und hielt mich vom gehen ab. "Bitte." sagte er. Das reichte um eine Mauer in mir zu zerschmettern. Er wusste zwar, dass ich eine schwierige Vergangenheit hatte, die ich nach fünf Jahren noch immer nicht verarbeitet hatte. Mit den Folgen musste ich bis jetzt auch noch immer leben. Doch, dass er mich jetzt darum bat mich anschauen zu lassen war zu viel. Er war nicht der Typ der Menschen nach einer Erlaubnis fragte oder jemanden um etwas bat. Meine Unterlippe begann zu zittern, er schien es sofort zu merken und legte die Hand auf meinen Rücken um mich nach oben zu führen. "Sie bleiben noch hier. Ich komme gleich wieder." sagte er noch an den Arzt gewandt. Er ließ mich die ganze zeit nicht los, nicht bis wir in meinem Zimmer angekommen waren. Er bückte sich zu mir herunter um mich anzusehen. "Ich möchte nicht, dass dir so etwas noch einmal geschieht." sagte er und ich wurde wieder sauer. "Was interessiert es dich überhaupt?! Ich bin eine gute Soldatin, ich kann gegen Titanen kämpfen, ich kann gegen Menschen kämpfen, wenn es sein muss kämpfe ich gegen dich damit du mich endlich mit diesen beschissenen Typen in Ruhe lässt!" schrie ich schon fast, doch sein Blick änderte sich kaum. "Ich weiß wozu du in der Lage bist, wenn es möglich gewesen wäre dann hätte ich da unten eine Frau stehen. Ich habe die ganze Stadt nach einem Arzt abgesucht. Dieser Mann der da unten auf uns wartet ist ein Frauenarzt." sagte er und ich verstand nur die Hälfte der Worte. "Was soll das bedeuten?" fragte ich und ignorierte die Tränen auf meinen Wangen. "Er ist nur für Frauen da, er unterstützt Frauen bei der Geburt, Schwangerschaft und anderen Problemen in diesem Bereich." ich starrte ihn an. Ich hatte das Bedürfnis ihm eine runter zu hauen und zwar mit so einer Wucht wie bei Jean vorhin. "Ich habe mit vielen Frauen gesprochen, er ist gut bei dem was er tut." ich wusste nicht was ich sagen sollte. "Du musst ihm auch nichts sagen, niemanden." sagte er und ich wusste was er damit meinte. "Ich kann das nicht." sagte ich und dachte daran, mich von dem Arzt untersuchen zu lassen. "Doch. Du musst." drängte er mich und ich wusste, dass er Recht hatte. "Weißt du wie ich an manchen Tagen ausgesehen habe, als ich noch Rekrutin war? Ich hatte blaue Flecken, Brandwunden und offene Schnittwunden. Das waren Sachen die sogar du sehen konntest. Weißt du was er mir angetan hat? Dort wo man es nicht sehen konnte. Ich habe tagelang geblutet. Ich habe mich selbst verletzt, ich habe ihn verletzt und noch schlimmeres getan." sagte ich mit zitternder Stimme. Ich wollte gar nichts sagen, ich wollte nicht, dass er mich so sah, so schwach und verletzlich. Ich wollte nie eine nähere Beziehung mit einem meiner Kollegen eingehen. Und besonders ungern wollte ich über meine Vergangenheit reden. "Hör auf." doch ich wollte jetzt nicht aufhören, er sollte wissen was er da von mir verlangte. "Er hat mich geschlagen, mich aufgeschlitzt, mich vergewaltigt und geschwängert." sein Blick wurde finster. "Als er mich geprügelt hat, meinte er, dass er mir das teuflische austreiben würde. Er meinte, dass ich Glück hatte weil ich hübsch bin, ansonsten würde er mich so verunstalten, dass ich unkenntlich war." ich machte eine Pause und wischte meine Tränen in seinen Mantel. "Als ich dann merkte, dass ich Schwanger war nahm ich einen Kleiderbügel und hab das es umgebracht." er wollte etwas sagen, aber ließ es dann doch. " Das zweite Kind hatte mein Vater mir aus dem Leib geprügelt und das dritte hat er selbst es aus mir heraus geprügelt weil wir noch nicht verheiratet waren." Erwin hatte den Griff auf meinen Schultern gefestigt und schaute mich wütend an. "Ich hätte diesen Bastard umbringen sollen als ich die Chance dazu hatte." sagte er und ich war erstaunt, über die Wortwahl und auch über diese emotionale Reaktion. "Ich bleibe bei dir. Die ganze Untersuchung." ich konnte mich inzwischen schon ein wenig beruhigen, aber ich zitterte dennoch am ganzen Körper, ich hatte bis jetzt noch nie jemanden erzählt was passiert war nicht einmal Petra. "Wenn du das möchtest." sagte er noch dazu und ich nickte. Er legte seine Hand auf meinen Scheitel und öffnete die Tür. Jetzt ließ er mich das erste Mal los und ich vermisste sofort die Festigkeit seines Griffs und die Wärme die durch den Mantel drang. Sofort schämte ich mich für den Gedanken und legte den Mantel endlich ab.

A Nightmare that came true   /Attack on titanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt