Sina
„Er schlägt dich in seinen Bann.
Zieh an den Sonntagskaftan!
Denn sein Gespann sprengt die wildeste Fantasie!
Prinz Ali, Muskeln wie nie!
Ali Ababwa!
Ein Koloss,
Woher kommt bloß die Energie?
Sein Mut ist weltweit bekannt!
Sein Schwert ist scharf und rasant!
Doch der Allerschärfste im Land ist Prinz Ali!"
Meine fröhliche One-Man-Show, die ich wie so oft beim gucken (oder eher aktivem mitspielen) meiner Lieblings-Disneyfilme aufführe, wird durch das Brummen meines Handys unerwartet unterbrochen. Verdutzt schalte ich Aladdin auf Pause und lege die Fernbedienung aka improvisiertes Mikrofon zur Seite, um stattdessen nach dem Störenfried zu greifen und gleichzeitig einen Schluck meiner dritten Tasse Kaffee zu nehmen. Wer außer mir ist bitte schön noch an einem Sonntagmorgen um halb acht Uhr wach?
Ich öffne die Nachricht mit der unbekannten Nummer - und hätte fast meinen Kaffee verschüttet, weil ich plötzlich in die Höhe hüpfe.
Guten Morgen liebste Kollegin! Schon wach? Hoffe, du hast gut geschlafen.
Marco
Zum Glück bin ich allein in der winzigen Ein-Zimmer-Dachgeschosswohnung, deshalb stelle ich rasch meine Tasse ab und springe gleich nochmal mit einem breiten Grinsen durch das Zimmer. Er hat mir geschrieben! Oh Gott, ich fühl mich wie ein verknallter Teenager! Und benehme mich auch so... aber ehrlich, welcher Frau würde es an meiner Stelle anders gehen? Den ganzen restlichen Freitagabend bin ich mit einer Tasse heißem Kakao auf meiner Couch gesessen und hab es nicht fassen können, dass ich gerade ein Date (ein richtiges, echtes Date!!!!) mit meinem anbetungswürdigen Chef gehabt habe. Und am Samstag hab ich meinen Nachbarn Franky damit genervt, dass ich viertelstündlich auf mein Handy gesehen habe - bis er gedroht hat, es mir für den Rest des Tages abzunehmen. Hihi... aber hey, zur Verteidigung meines vorpubertären Verhaltens: das ist das erste Mal, dass ich so richtig verknallt bin! Natürlich hat es schon andere Männer vor Marco gegeben, aber... es ist nie etwas Ernstes gewesen. Das hier ist absolut neu für mich.
Tief durchatmend setze ich mich zurück auf meine kleine Couch und tippe eine Antwort.
Guten Morgen Lieblingsdoc!
Natürlich bin ich schon wach, ich sagte doch chronische Schlaflosigkeit. ;) Aber seit wann leidest DU darunter? Es ist doch Sonntag, normale Menschen schlafen aus!
Sina
Mit klopfendem Herzen schicke ich die Nachricht ab und speichere danach auch gleich seine Nummer ein. Es dauert keine zwei Minuten, bis mein Handy erneut vibriert.
Ich vermute stark, dass ich mich Freitagabend damit angesteckt habe...
Was machst du heute noch?
Mit einem hoffnungsvollen Kribbeln im Bauch schreibe ich wahrheitsgemäß, dass ich noch nichts vorhabe. Entgegen jeder Vernunft hoffe ich darauf, dass er vielleicht auch nicht bis nächstes Wochenende mit einem erneuten Treffen warten will. Wir werden uns zwar Gott sei Dank in der Arbeit sehen, aber...
Lust auf ein spontanes zweites Date?
„JAAAAA!", schreie ich wie eine Verrückte mein Handy an - und setze gleich noch ein „AU VERDAMMT!" hinterher, weil ich es nun doch geschafft hab, mir das heiße Getränk über die Hand zu schütten. Zwei Dates an einem Wochenende! Unkonventionell und vielleicht überstürzt... aber ich kann nichts dagegen tun, Marco hat mich absolut in seinen Bann gezogen. Noch nie hat mich ein Mann derart fasziniert wie er - und das vom ersten Augenblick an und in jeder nur möglichen Hinsicht.
Wenn dir das zu schnell geht, können wir es aber gern verschieben. Ich will dich nicht drängen!
Waaaa... hastig wische ich den Kaffee auf und tippe rasch eine Antwort.
Ach quatsch, du drängst mich doch nicht! Ich hab nur grad was verschüttet. Ein zweites Date fände ich super! Was schwebt dir vor?
Schwungvoll kippe ich den Rest meines Getränks in den Abfluss und mache mich bestens gelaunt auf den Weg ins Badezimmer. Noch bevor ich unter die Dusche schlüpfen kann, kommt seine Antwort:
In einer Stunde in der Stadt?
Ich lächle glücklich.
Schreib mir, wo genau. Ich freu mich!
******
Da unser Treffpunk sehr zentral liegt, nehme ich diesmal den Bus. Nervös zupfe ich beim Aussteigen an meiner cremefarbenen, lockeren Bluse herum, für die ich mich heute inclusive hellbrauner Jeans und leichter, dunkelbrauner Lederjacke entschieden hab. Was er heute wohl trägt? Hibbelig sehe ich mich um, kann ihn jedoch nirgendwo...
„Schön, dich zu sehen!" Warmer Atem streicht über meine Wange, dann berühren sanfte Lippen dort flüchtig meine Haut.
Mein Atem stockt und mein Herz gerät völlig aus dem Takt. Marco kommt mit einem verschmitzten Lächeln hinter mir hervor und amüsiert sich offenbar prächtig über meine fassungslose Miene - oder die tiefrote Gesichtsfarbe. Verlegen drehe ich mich weg.
„Das war unfair...", beschwere ich mich noch immer etwas atemlos und räuspere mich, um meine sieben Sinne wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Er lacht leise.
„Das war die Revanche für Freitag...", erwidert er reuelos und seine Augen glänzen vergnügt. Heut trägt er einen hellblauen Pulli statt dem Hemd, der ihm aber ebenfalls ausgesprochen gut steht.
Nun muss ich auch grinsen; hat er doch mit seiner Aussage quasi zugegeben, dass ich ihn vorgestern damit offenbar auch schon etwas aus der Fassung gebracht hab.
„Solltest du als Psychiater nicht eigentlich über der „Auge um Auge"-Mentalität stehen?", stichle ich frech. Marco zieht ungerührt eine Augenbraue hoch.
„In meiner Freizeit darf ich meine moralische Vorbildfunktion auch mal etwas vernachlässigen...", gibt er sorglos zurück, ehe er mir etwas zögerlich eine Bäckertüte hinhält. „Ich wusste nicht, ob du schon gefrühstückt hast, also hab ich vorsichtshalber was mitgenommen..."
Mit einem dankbaren Lächeln werfe ich einen Blick hinein - und stoße einen kleinen Freudenschrei aus.
„BREZEN! Wo hast du Brezen her?!", juble ich und betrachte das verlockende Laugengebäck in der Tüte entzückt. Sogar schon mit Butter!! Oh man, wie lang hab ich schon keine mehr gegessen? In München hab ich die Dinger wirklich geliebt... wie hat er das ahnen können? Ernsthaft, dieser Mann ist wunderbar...
Marco sieht sehr zufrieden (und erleichtert) aus.
„Sagen wir, ich habe Beziehungen, yoi?"
Beziehungen also, ja? Klingt ja interessant, vor allem, weil mir da eine Sache an seinem Mitbringsel auffällt, die... nun ja, eher nicht zu seinem Stil passt.
„Also hat deine ‚Beziehung' sie extra für mich in Herzform gebacken?"
„Sie... WAS?!", stößt er schockiert hervor. Ich ziehe grinsend eine der kunstvollen Brezenkreationen hervor und zeige sie ihm, und seine Gesichtsfarbe wechselt schneller von blass zu dunkelrot als ich blinzeln kann. Der Arme sieht so entgeistert aus, dass ich mich nicht mehr beherrschen kann und lauthals lospruste.
Er vergräbt mit einem Stöhnen sein Gesicht hinter den Händen und murmelt etwas, das verdächtig wie eine Verwünschung klingt.
Mühsam beruhige ich mich, umfasse eins seiner Handgelenke und ziehe es hinab.
„Hey, alles gut! Ich finds sehr schmeichelhaft...", versichere ich ihm aufrichtig und schenke ihm ein vergnügtes Lächeln. Er sieht mich zweifelnd an, doch dann schnauft er tief durch und schüttelt resigniert den Kopf.
„Tut mir ehrlich leid... das ist eigentlich..."
„...nicht dein Stil, stimmts?", beende ich seinen Satz und beiße genüsslich ein Stück Gebäck ab. Es schmeckt hervorragend und das sage ich ihm auch. Zumindest schmunzelt er daraufhin wieder.
„Na immerhin... Und nein, das ist absolut gar nicht meine Art!", stimmt er mir zu, ehe er das Thema wechselt. „Lust auf ein paar Sehenswürdigkeiten?" Ich sehe ihn überrascht, aber höchst erfreut an.
„Unheimlich gern! Also spielst du für mich nochmal Stadtführer?"
Marco lächelt.
„Du hast gesagt, du hättest noch keine kulturell wertvollen Orte besucht - ich dachte mir, das sollten wir ändern!" Ein sehr warmes Gefühl breitet sich in meinem Inneren aus. Es bedeutet mir viel, dass er mir so genau zuhört... jahrelang war ich fast ausschließlich von Menschen umgeben, deren Interessen sich nur auf Oberflächlichkeiten, Geld, Einfluss und ihrem Ruf beschränkten. Es heilt jedes Mal ein Stück meiner Seele, wenn ich Menschen wie Shanks, Franky oder Marco treffe, die mir mit solchen Kleinigkeiten ganz zwanglos zeigen, was im Leben wirklich zählt.
Mit einem sehr glücklichen Lächeln hake ich mich bei ihm ein und lasse mich in Dublins Kultur entführen.
******
Wir sind tatsächlich den ganzen Tag unterwegs. Marco erweist sich als hervorragender Stadtführer; er weiß eine Menge über die Geschichte vieler historischer Plätze, sodass ich ihm gebannt an den Lippen hänge. So wie jetzt bei unserer letzten Station des Tages, der St. Patricks Cathedral. Irlands bedeutsamste Kirche ist ein überwältigendes Bauwerk, allein ihre Architektur ist ein wahres Meisterwerk und eine Symphonie für das Auge. Andächtig wandere ich durch das Kirchenschiff und betrachte die vielen kunstvollen Verzierungen und Details. Am westlichen Ende stutze ich.
„Hat das Loch in der Tür da eine Bedeutung?", frage ich leise und zeige interessiert drauf. Marco nickt.
„Ja. Um das Jahr 1500 herum lagen zwei Lords in einem heftigen Streit. Einer der beiden musste schließlich hier in der Kirche Schutz suchen und verschanzte sich dort. Letztendlich konnte der Streit aber beigelegt werden und der rivalisierende Lord schnitt dieses Loch hier in die Tür, um ihm die Hand zur Versöhnung zu reichen!", erzählt er mit glänzenden Augen. Offenbar mag er diese Geschichte.
„Also ein Symbol für Versöhnung. Schön, wenn mal ein Streit nicht blutig geendet hat und mit Worten beigelegt werden konnte...", sinniere ich und trete an seiner Seite wieder aus der Kathedrale hinaus ans Tageslicht. Der Wind hat etwas aufgefrischt, aber der Regen hält sich noch zurück - auch wenn es wohl nicht mehr lang so bleibt.
„Sollen wir noch was essen gehen oder möchtest du nach Hause?", fragt Marco bemüht neutral, aber mit einem schlecht versteckten, hoffnungsvollen Blick zu mir. Wieder durchfährt mich ein Kribbeln und ich lächle ihn unweigerlich an.
„Also nach gefühlten hundert Kilometern Stadtlauf könnte ich schon was zu essen vertragen... weißt du was Gutes hier in der Nähe?" Erfreut heben sich seine Mundwinkel, ehe er mich unschlüssig grübelnd ansieht. „Was ist? Worüber denkst du nach?", will ich neugierig wissen und er lächelt etwas nervös.
„Es gibt zwei gute Lokale in Fußnähe. Das eine mit internationaler Küche und das andere italienisch", fängt er ein wenig zögerlich an. Er hebt die Hand, als ich antworten will und unterbricht mich so direkt. „Warte, bevor du dich entscheidest - ich muss dir vorher noch was dazu sagen. Das internationale Restaurant gehört meinem besten Freund... und Verursacher der Herzmisere von heut Morgen. Wenn dir also lieber nach einem ruhigen Abendessen ist, sollten wir eher italienisch Essen gehen, yoi?"
Ich sehe ihn aufmerksam an. Und dann wird mir plötzlich auch klar, wie bedeutsam seine Frage eigentlich ist. Es geht nicht um einen Abend in ruhiger Zweisamkeit - er bietet mir an, seinen besten Freund kennenzulernen. Marco lässt mir die Wahl, ob ich schon ein Stück weit mehr Teil seines Lebens werden möchte.
Wahnsinn... so große Stücke hält er schon auf mich?
Ich bin ehrlich verblüfft.
„Ist es... denn wirklich in Ordnung für dich, dass ich ihn kennenlerne?", frage ich zaghaft nach. Marco schmunzelt leicht.
„Natürlich, sonst würde ich es dir nicht anbieten. Er ist der einzige, dem ich bisher von dir erzählt hab und er will dich sowieso unbedingt kennenlernen... also von meiner Seite spricht nichts dagegen. Es liegt bei Dir!" In dem Fall fällt mir die Entscheidung sehr leicht, denn... noch nie hab ich mir etwas mehr gewünscht, als ihm nahe zu sein. Und es auch zu bleiben.
„Dann will ich heut gern international essen!", erwidere ich strahlend, was Marco breit lächeln lässt. Er hält mir erneut seinen Arm hin und ich hake mich ausgesprochen gern bei ihm ein.
„Ich sollte dich vielleicht noch vorwarnen; Thatch ist... noch spezieller als Shanks. Er wird sich auf dich stürzen wie ein Kind, dem man einen Welpen schenkt, yoi?", prophezeit er feixend und ich sehe ihn belustigt an.
„Oh weia... das kann ja heiter werden!"
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Trust in Me
FanfictionReallife - Nach einer katastrophalen Beziehung hat Marco das Interesse am weiblichen Geschlecht verloren. Zumindest, bis er nach seinem Urlaub eine neue Arzthelferin in seiner Praxis vorfindet. Sofort weckt der kupferhaarige Wirbelwind sein Interess...