Marco
„...und dann hab ich sie heimgefahren!" Geschickt blocke ich Thatchs Tritt und kontere mit einer Schlag-Tritt-Schlag-Kombination. Doch er ahnt sie bereits voraus und blockt ebenfalls.
„Nette Erzählung, Bruder... aber wo sind die schmutzigen Details?", grinst Thatch und zielt mit seinem nächsten Schlag gegen meine Nieren. Mit einer seitlichen Drehung weiche ich aus und nutze meinen Schwung gleich für einen harten Kick gegen seinen Oberschenkel. Er ächzt, bleibt aber stehen. Ich schnaufe feixend.
„Wer sagt, dass ich dir überhaupt schmutzige Details erzählen will?"
Mein Kontrahent geht erneut in den Angriff über, diesmal mit einer ganzen Serie aggressiver Hiebe. Nur mit Mühe kann ich blocken, einer trifft mich schmerzhaft in die Rippen. Doch beim letzten Schlag bekomme ich sein Handgelenk zu fassen, drehe mich um hundertachtzig Grad und werfe ihn mit einem angestrengten Knurren über meine Schulter.
„UFF! Gottverdammt... guter Sex hat dich beflügelt, was?", ächzt er von unten ungebrochen grinsend. Ziemlich außer Atem lasse ich mich neben ihn auf die hellblaue Matte fallen. Es ist eine gute Idee von ihm gewesen, an diesem tristen Mittwoch mal wieder ins Kampfsportzentrum zu gehen.
Thatch rappelt sich in sitzende Position auf und sieht mich erwartungsvoll an. Ich muss unwillkürlich schmunzeln. Er wird nicht lockerlassen, bis er die Antwort bekommt, die er haben will – so ist er schon immer gewesen. Aber in diesem Fall... warum sollte ich den besten Sex meines Lebens abstreiten?
„Ja, offensichtlich hat er das, yoi?", gebe ich dann also doch mit einem gefälligen Grinsen zu und er lacht befreit auf.
„HA! Na, das wollte ich hören! Gott, du ahnst nicht im Geringsten, wie wahnsinnig ich mich für dich freue, Bruder. Wurde auch Zeit, dass du endlich mal wieder auf deine Kosten kommst... die Kleine ist ein Glücksgriff, du hast es verdient!" Voll rauer Zuneigung schlägt er mir gegen die Schulter, und seine ehrliche Freude über mein erfolgreiches, drittes Date entlockt mir ein verdammt glückliches Lächeln. Auch wenn inzwischen schon wieder ein paar Tage vergangen sind, seit Sina und ich nun wirklich ein Paar sind: im Grunde kann ich es noch immer nicht richtig fassen, wie schnell sich mein Leben verändert hat - wie schnell mein kaputtes Herz dank ihr wieder zu schlagen begonnen hat.
„Danke, Bruderherz! Ich kanns ja selber noch kaum glauben... aber Sina ist einfach der Wahnsinn. Mit ihr ist alles so anders... so unkompliziert und... leicht. Sie... ach, ich weiß, das klingt kitschig, aber... sie heilt mich, yoi? Ich muss mich bei ihr nicht verstellen, ich muss mich nicht zurückhalten... gottverdammt, sie WILL, dass ich... der dominante Part von uns bin! Sie steht sogar richtig drauf, wenn ICH das Sagen hab!" Und genau dieser eine Punkt ist so unendlich bedeutsam für mich - mehr als sie vermutlich ahnt. Aber es war eben diese verdammte Tatsache, die mich im Nachhinein während meiner Beziehung mit Celine am meisten verletzt hat: dass ich mich ihr gewohnheitsmäßig immer untergeordnet hab. Nicht nur beim Sex, sondern wirklich immer, in jeder Situation und bei jeder Gelegenheit. Weil ich dieses Miststück auf ein imaginäres Podest gehoben hab und DANKBAR gewesen bin, von ihr ausgewählt worden zu sein. Es schien mir immer ein kleiner Preis dafür zu sein, dass jemand wie sie mich wollte, auch wenn es mir natürlich nicht sonderlich gefallen hat, so viel von mir zurückzuhalten. Es macht mich heute noch richtig aggressiv, ihr niemals Stärke gezeigt zu haben; ihr nie ins Gesicht gesagt zu haben, was für eine verlogene, hinterhältige Heuchlerin sie ist, die mir ein völlig falsches Bild von Liebe und Partnerschaft eingepflanzt hat.
Sina hat mir gezeigt, wie es sich eigentlich anfühlen sollte.
Nämlich so verdammt gut, dass es beinahe schon schmerzhaft ist! Was sie nach ihrer heißen Lektion in Sachen Dominanz zu mir gesagt hat... ist mir echt unter die Haut gegangen. Plötzlich hab ich wirklich verstanden, wie falsch all das tatsächlich war - und wie richtig es jetzt ist.
Brüchig schnaufe ich aus.
Himmel, so nah am Wasser bin ich doch sonst nicht gebaut!
Thatch reißt mich aus meinen Gedanken, indem er mich grob an sich zieht.
„Hey... ist okay, Commander! Du hast verdammt viel Scheiße abbekommen und das auch noch verdammt lang. Und dann warst du ewig allein... das hinterlässt alles Spuren. Es dauert, bis das alles weg ist. Aber die Kleine macht das schon, da bin ich mir sicher! Sie ist eine wirklich liebe, süße, fröhliche Maus - und sie passt hervorragend zu dir! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie dir absichtlich wehtun würde!", sagt er leise und sehr ernst. Ach Thatch...
Ich räuspere mich mühsam und klopfe ihm dankbar auf die Schulter.
„Nein, das würde sie nicht... ich vertraue ihr. Und sie mir, yoi?", erwidere ich etwas heiser und lächle, als er mich wieder loslässt und mir auf die Beine hilft. Doch dann werde ich wieder ernst, als mir plötzlich wieder etwas einfällt.
„Thatch, sagt dir der Name Beauregard Black was?"
Er runzelt die Stirn.
„Black? Ja... glaub schon. Makino liest doch gern diese Klatschzeitschriften, das ist doch so n britischer Schönling von Herzog oder Graf oder weiß-der-Geier-was. Offenbar n richtiger Weiberschwarm. Warum?"
Aggressiv balle ich die Fäuste.
„Er ist Sinas Exverlobter. Vor IHM ist sie damals weggelaufen, yoi? Er hat ihr wenig subtil damit gedroht, dass ihrem Bruder schlimme Dinge passieren würden, wenn sie ihn nicht heiratet und den Kontakt zu ihrem Bruder abbricht", grolle ich wütend – Sinas Schmerz und ihre Tränen gehen mir immer noch fürchterlich nah. „Sie hat bis heute Angst vor ihm..."
„Der Dreckssack hat WAS?!" Thatchs Gesicht steht unmittelbar auf Sturm. „Wie kommt denn ausgerechnet SINA zu so einem widerlichen Schnösel?!"
„Sie hat mir am Samstag ihre Geschichte erzählt... sie war auch mal eine Adelige. Ihre Eltern haben sie ganz schön unter der Fuchtel gehabt, sie hatte eine ziemlich lieblose, starre Kindheit voller Regeln und Scheinheiligkeit. Ihr Bruder war anscheinend ihr einziger Lichtblick, aber er sollte verschwinden nachdem bekannt wurde, dass er auf Männer steht. Sina hat erzählt, dass er kurz darauf einen schweren Unfall hatte... Black hat angedeutet, dass das kein Zufall gewesen ist und wieder passieren würde, wenn sie ihn nicht fortschickt und den Namen ihrer Familie reinwäscht, indem sie ihn heiratet!", erkläre ich knapp. Aufgebracht fährt Thatch sich durchs Gesicht.
„Himmelarsch, ist das dein Ernst?! Das klingt ja wie aus einem schlechten Kitschroman für gelangweilte Hausfrauen. Dass es sowas im 21. Jahrhundert überhaupt noch gibt!! Die arme Kleine... da wär ich auch abgehauen. Aber gut, ich werd mich über diesen Mistkerl mal ein bisschen schlau machen, keine Sorge..." Er tauscht ein unheilvolles Lächeln mit mir, das mich etwas besänftigt.
Ich hab nicht gelogen als ich sagte, dass wir untereinander einen starken Beschützerinstinkt haben... und dass es gefährlich ist, sich mit Pops anzulegen.
Oder seiner Familie.
„Kommst du noch mit in die Sauna?", wechselt Thatch unvermittelt das Thema. Ich versteh auch, warum - wir sind beide völlig durchgeschwitzt und langsam wird es kalt. Trotzdem schüttle ich den Kopf.
„Nein, ich geh duschen und fahr dann heim, hab noch ein bisschen Papierkram zu erledigen", erwidere ich, ehe wir uns kurz und kräftig umarmen. „Guter Kampf, wir sehen uns Samstag, yoi?"
Er grinst breit.
„Ich freu mich drauf, Shanks' Gesicht zu sehen!"
Mit einem hinterhältigen Lachen verlasse ich mit meiner Sporttasche den kleinen Trainingsraum und mach mich auf den Weg zu den Duschen.
Das Kampfsportcenter ist verhältnismäßig groß und gut ausgestattet, doch am besten gefallen mir die vielen abgetrennten Räume, die zwar über eine Plexiglasfront einsehbar sind, aber dennoch etwas Abgeschiedenheit und Privatsphäre bieten. Jetzt grade ist nicht viel los, die Wenigsten sind besetzt.
Aber aus einem davon höre ich aber schon von weiter weg derbe Flüche und harte Schläge kommen - und die Stimme kommt mir sogar bekannt vor! Wenn ich sie auch noch nie so hab fluchen hören.
Erstaunt biege ich Richtung Boxer-Bereich ab, wo in den Räumen nicht nur Matten sind, sondern auch Boxsäcke hängen. Und tatsächlich, im Dritten werde ich fündig. Da die Tür nur angelehnt ist, trete ich ein.
„Yoi, Sabo! Was hat der Sack dir angetan, dass du ihn so bearbeitest?", spreche ich den verschwitzten Blonden betont locker an.
Er zuckt trotzdem erst mal zusammen und dreht sich überrascht um, ehe sein gewohnt charmantes Lächeln die Wut aus seinem hübschen Gesicht vertreibt.
„He Marco! Schön dich zu sehen!" Er kommt zu mir und wir schlagen ein. Sabo ist einen Kopf kleiner als ich, schlank, gutaussehend und muskulös. Eine Brandnarbe um das linke Auge herum ist der einzige Makel an ihm, doch es verleiht ihm nur zusätzlich einen verwegenen Look.
„Ja, ist jetzt schon ne ganze Weile her. Du bist also zurück? Ace hat dich schon ziemlich vermisst!", necke ich ihn, was sein Lächeln sofort breiter werden lässt.
„Er hats dir also erzählt?", fragt er stolz.
„Natürlich! Und ich freu mich unheimlich für euch, ehrlich. Du bist aber nicht wegen ihm so sauer, oder?" Prüfend sehe ich ihn an, Ace ist schließlich mein Bruder und ich mache mir automatisch Gedanken. Doch Sabo schüttelt sofort den Kopf.
„Nein! Alles Bestens bei uns. Es... ist mehr was Persönliches...", murmelt er. Sein Ton ist ausgesprochen bitter, etwas, das ich bei ihm noch nie zuvor erlebt hab.
Besorgt sehe ich ihn an.
„Willst du drüber reden? Oder lieber deine Ruhe?", frage ich ruhig und reiche ihm sein Handtuch, damit er sich den Schweiß aus dem Gesicht wischen kann. Dankbar nimmt er es und fährt sich über Gesicht und Nacken, hält dann aber nachdenklich inne. Er wirkt eindeutig erschöpfter als ich ihn je gesehen habe, er sieht angespannt und rastlos aus - irgendwas liegt ihm ganz offensichtlich wirklich schwer auf der Seele.
„Ich weiß es selber nicht... es... ist kompliziert. Und scheiße. Ein riesiger, dampfender Haufen Scheiße!" Mit einem wütenden Schlag bringt er den Boxsack erneut zum Schwingen. Diese obszöne Wortwahl ist höchst ungewöhnlich für Sabo, er ist einer der besonnensten, diszipliniertesten Menschen denen ich je begegnet bin.
„Weiß Ace davon?", frage ich ernst und halte den Boxsack fest, damit er sich besser austoben kann. Dankbar geht er erneut in Angriffsposition und schlägt teuflisch schnell und hart zu.
„Ja. Zum Teil. Ich kann ihm aber nicht alles sagen... er ist... zu impulsiv dafür! Das würde... ihn nur unnötig... belasten und... schlechtesten Falls... zu Dummheiten... verleiten!", keucht der Engländer und prügelt mit einer Vehemenz auf den Boxsack ein, als hätte ER ihm Unrecht getan. Ich verziehe etwas das Gesicht - es gefällt mir nicht, dass Sabo vor Ace Geheimnisse hat. Aber ich kann auch absolut verstehen, was er meint; Ace ist wirklich sehr impulsiv. Und dabei leider auch stur und unvernünftig, was ihn bereits mehrmals in Schwierigkeiten gebracht und diverse Einträge ins Vorstrafenregister beschert hat.
„Wie belastend ist es denn für dich? Meinst du, du kannst dein Problem allein lösen?"
Sabo hält heftig schnaufend inne und hält sich an dem Boxsack fest. Er schweigt, aber ich warte geduldig. Schließlich seufzt er.
„Es macht mich fertig, ehrlich gesagt. Und ich hab keine Ahnung ob ich eine Lösung finden kann... ich will es aber erst Mal allein versuchen. Ich fliege morgen nochmal nach England für ein paar Tage, dann sehen wir weiter...", antwortet er schließlich schwermütig.
Tröstend lege ich eine Hand auf seine Schulter.
„Mach das, ich drück dir wirklich die Daumen, dass du es schaffst! Falls was ist, kannst du dich jederzeit bei mir melden, klar?"
Dankbar bringt Sabo immerhin ein dünnes Lächeln zustande.
„Ich werd dran denken. Danke, Marco!", erwidert er aufrichtig, ehe er sich wieder dem Trainingsgerät widmet.
Ich verabschiede mich und mache mich erneut auf den Weg in die Dusche.
Während das heiße Wasser mir endlich den unangenehm kalten Schweiß wegwäscht, grüble ich noch immer über Sabo nach. Was kann den intelligenten, ausgeglichenen jungen Mann derart bedrücken? Wenn er es nicht einmal Ace ganz erzählen will, muss es eine wirklich sehr unschöne Angelegenheit sein, die sich gegen Sabo persönlich richtet - in diesem Fall würde mein heißblütiger Bruder wirklich durch die Decke gehen.
Seufzend stelle ich das Wasser aus, trockne mich ab und gehe zurück in die Umkleide. So sehr ich ihm gern helfen würde; mir sind die Hände gebunden, solange er nicht mit mir redet. Ich kann wirklich nur hoffen, dass er die Angelegenheit komplikationslos klären kann.
Fertig angezogen packe ich meine Sachen zusammen und werfe routinemäßig einen Blick auf mein Handy - und ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.
Na schöner Mann? Hat Thatch dich mehr mit den Fäusten oder mit schmutzigen Fragen gequält? ;)
Schmunzelnd tippe ich eine Antwort.
Hallo schöne Frau! Definitiv mehr mit seinen Fragen wie du dir vermutlich denken kannst... viel erfahren hat er aber nicht!
Ihre Antwort folgt prompt:
Ach, warum wolltest du ihm denn nichts von unserem besonderen „Wahrheit oder Pflicht"-Spiel erzählen, Commander...?
Tief atme ich durch, während ich allein bei dem Gedanken daran schon hart werde. Diese Frau macht mich verrückt! Ein verruchtes Schmunzeln huscht über mein Gesicht - meine Pläne für den Abend haben sich grade geändert. Ich tippe eine letzte Nachricht an diese kleine Teufelin und mache mich zügig auf den Weg zum Ausgang.
Bin in fünfzehn Minuten da. Ich hab dich gewarnt!

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Trust in Me
FanfictionReallife - Nach einer katastrophalen Beziehung hat Marco das Interesse am weiblichen Geschlecht verloren. Zumindest, bis er nach seinem Urlaub eine neue Arzthelferin in seiner Praxis vorfindet. Sofort weckt der kupferhaarige Wirbelwind sein Interess...