Sabo's Geheimnis

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Guten Abend ihr Lieben!

Auf zum vorletzten, fertigen Kapitel... :D

ich wünsch euch allen ganz viel Spaß beim Lesen, habt ein tolles Wochenende und einen besinnlichen vierten Advent! Und fühlt euch ganz fest gedrückt für all die lieben Reviews und Sternchen, die ihr mir schenkt! <3


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~Marco~


Als ich am Freitag um kurz vor sechs vor dem großen, modernen Mehrfamilienhaus parke, in dem mein Bruder wohnt, werfe ich als erstes einen Blick auf mein Handy - und lächle, als ich Sinas neue Nachricht lese. Sie wünscht mir viel Spaß und ich soll Ace von ihr grüßen.
Grade Letzteres freut mich ganz besonders; ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich es mich macht zu sehen, wie sie immer mehr Teil meines Lebens wird... und Teil meiner Familie. Ich kann es kaum erwarten, sie Vater und den anderen vorzustellen. Vielleicht an seinem siebzigsten Geburtstag, der bald ansteht? Da werden ohnehin alle kommen und es wird ein riesiges Fest, das das ganze Wochenende dauern wird.
Wie immer.
Pops hat schon immer gewusst, wie man feiert...

Schmunzelnd bei der Vorstellung, was für ein Gesicht er und meine Brüder machen werden, wenn ich ihnen Sina vorstelle, steige ich endlich aus.
Jetzt ist erst mal Ace wichtig - und Sabo. Ob es ihm noch immer schlecht geht? Haben die beiden miteinander geredet? Das werde ich wohl gleich rausfinden, denke ich besorgt und drücke auf die Klingel. Sofort erklingt der Summer und ich gehe hoch in den zweiten Stock. Ace wartet schon vor der Tür auf mich und zieht mich breit lächelnd in seine Arme.
„Hey Bruder! Schön, dass du kommen konntest!" Ich höre aufrichtige Erleichterung in seiner Stimme und verkneife mir ein Seufzen - schade, die Probleme sind also noch immer da.
„Klar doch, wenn DU mich schon mal zum Essen einlädst, statt mir den Kühlschrank leer zu futtern, muss ich das doch ausnutzen, yoi?", erwidere ich verhalten schmunzelnd und lasse mich von ihm nach drinnen ziehen.

„Na wenigstens sorge ich dafür, dass nichts schlecht wird!", kontert er munter. Aus der Küche höre ich ein ungläubiges Schnauben.
„Von wegen, den Salat und das übrige Gemüse aus meinem Kühlschrankfach musste ich nach meiner Rückkehr als braune Masse aus der Schublade rauskratzen!" Sabo kommt heraus, einen großen, dampfenden Topf in der Hand, den er auf den bereits fertig gedeckten Esszimmertisch stellt. Erst dann begrüßt er mich herzlich und umarmt mich kurz. Ich mustere ihn verstohlen. Unter seinen grünen Augen sind tiefe Ringe, er ist blass und wirkt erschöpft. Es geht ihm ganz offensichtlich keinen Deut besser als bei unserer Begegnung im Sportcenter, was mir wirklich Sorgen macht. Denn Ace hat recht, normalerweise ist der kühle Engländer wirklich durch nichts aus der Fassung zu bringen!
Ace verdreht die Augen.
„Ich rede von echtem Essen und nicht von Kaninchenfutter!", mault er und seine dunkelbraunen Augen folgen hungrig dem Topf. Sabo bemerkt es und wirft mir einen belustigten Blick zu.
„Wir sollten wohl besser gleich essen, bevor er in den Topf sabbert..."
Ich lache laut auf und ziehe hastig Jacke und Schuhe aus, ehe ich den beiden in das offene Wohn- und Esszimmer folge. Meine Augen huschen über die riesige, braune Couch, die Wohnwand aus dunklem Holz und schwarzem Acrylglas mit dem großen Fernseher und den drei Konsolen bis rüber zu dem runden Glastisch mit den vier gepolsterten Lederstühlen. Es ist sauber und ordentlich - nicht unbedingt der typische Zustand. Meine Mundwinkel zucken.

„Wie lang hat das Aufräumen gedauert?", frage ich Sabo unschuldig. Er verbeißt sich bei Ace' leidender Miene ein Lachen.
„Ach, halb so wild. Es waren nicht mal ganz vier Stunden...", antwortet er feixend, was meinen kleinen Bruder grummeln lässt. Er ist ein absoluter Chaot - schlimmer noch als Shanks, dessen Junggesellenbude einem Wimmelbild für Fortgeschrittene gleicht.
Doch dann lächelt Ace plötzlich verschlagen und küsst Sabo unvermittelt in den Nacken, was diesen scharf die Luft einziehen lässt.
„Vielleicht leg ich es ja nur auf die After-Work-Belohnung an... die hat es nämlich immer in sich!", raunt er heiser und genießt den feurigen Blick seines Partners sichtlich.

Ich räuspere mich schmunzelnd, um auf meine Anwesenheit zu erinnern.
„Soll ich später wiederkommen?"
Ace und Sabo grinsen sich an, schütteln jedoch synchron die Köpfe.
„Nicht nötig, dein Bruder würde nie das Essen kalt werden lassen!", erinnert mich Sabo zu Recht an Ace' Verfressenheit.
Also setzen wir uns endlich und genießen den wirklich guten Eintopf, den der Blonde uns gemacht hat.
Wir reden munter miteinander und lachen viel - doch ich hab die beiden ganz genau im Auge. Deshalb fallen mir auch Ace' heimliche, besorgte Blicke auf, genau wie Sabos Erschöpfung, die sich immer ganz kurz zeigt, wenn er glaubt, unbeobachtet zu sein.

Nach dem Essen helfe ich beim Abräumen.
„Gibst du mir das Rezept für den Eintopf? Er hat wirklich fantastisch geschmeckt!", wende ich mich an Sabo. Er lächelt stolz und wischt den Tisch sauber.
„Klar, ich schicks dir nachher. Ich kochs aber auch jederzeit gern wieder, wenn Ace dich das nächste Mal einlädt", bietet er mir großzügig an, was den Angesprochenen jedoch ernst werden lässt.
„Vielleicht kann ich Marco ja dann das nächste Mal wieder einfach so zum Spaß einladen", erwidert er leise. Sabo zuckt zusammen und seufzt, während sich die Erschöpfung in seinem Gesicht nun überdeutlich abzeichnet und er das Wischen bleiben lässt. Er wirft seinem Freund einen müden Blick zu.
„Ace... ich weiß, dass es dir zu schaffen macht. Und es tut mir so leid, dich hier mit reinzuziehen! Aber du kannst nichts tun... glaub mir das doch!", gibt er hörbar mitgenommen zurück und reibt sich über die Schläfe. Der Angesprochene schüttelt jedoch stur den Kopf.
„Wir sind zusammen, Sabo. Dir muss gar nichts leidtun, aber REDE ENDLICH! Selbst wenn ich tatsächlich nichts tun kann, dann kann ich dich doch wenigstens VERSTEHEN! Dir zuhören! Für dich da sein! Aber dich so zu sehen wie du... wie still vor dich hin leidest und ich nicht mal weiß, WARUM - das ist einfach nur unerträglich!", stößt mein Bruder halb wütend, halb flehend hervor und greift nach seiner Hand. Ich kann die Qual in Sabos Augen sehen und beschließe, einzugreifen.

„Wovor hast du Angst, Sabo? Was glaubst du würde passieren, wenn du Ace die Wahrheit sagst?", frage ich ruhig und ernst. Er sieht mich verbissen an.
„Er könnte etwas Unvernünftiges machen... etwas, aus dem nicht mal ich ihn rausboxen kann, weil er sich mit den Falschen anlegt!", antwortet er leise - und diesmal ist es Ace, der betroffen zusammenzuckt.
Ich runzle jedoch die Stirn. Das klingt aber gar nicht gut; in was für einer üblen Sache steckte der charmante Engländer denn drin? Es muss wirklich gefährlich sein, denn Sabos Mentor, Dragon, ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Menschenrechtsanwälte der ganzen Welt und hat viele einflussreiche Freunde. Und wenn nicht mal ER ihm hier helfen könnte...
Hm. Nein, das klingt wirklich nicht gut.
Ace beißt sich auf die Lippen.
„Bitte, Sabo. Sags mir. Ich schwöre Dir, dass ich nichts Unüberlegtes mache! Egal wie schwer es mir fällt; ich werd nichts auf eigene Faust unternehmen und wenn der Drang zu stark wird, ruf ich Marco an! Oder... wenn du mir nicht traust, dann sag es nur ihm. Hauptsache ich weiß, dass du nicht allein damit dastehst, ja?", bettelt er nun geradezu - die Verzweiflung steht ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Es bricht mir wirklich das Herz, ihn so zu sehen!
Allerdings scheint es dem Engländer nicht anders zu gehen, ich sehe deutlich, wie sehr ihn das mitnimmt... und wie sehr er mit sich ringt.

Entschlossen lege ich Sabo eine Hand auf die Schulter, um ihm den nötigen Schubs in die richtige Richtung zu geben. Ich weiß nicht, was er für Sorgen hat, aber er darf sie Ace nicht weiter verschweigen, auch wenn er es nur tut, um ihn zu beschützen.
„Sabo, erzähl es ihm. Ich verspreche dir, dass Ace sich nicht in Schwierigkeiten bringt - ich werde ihm oder euch helfen so gut ich kann. Aber ihm weiter nichts zu sagen, würde ihn verrückt machen! Er liebt dich, Sabo... und es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt, als dem Menschen, dem man liebt, nicht helfen zu können, yoi?", erkläre ich ernst.
Sabo sieht mich tief betroffen an. Unheimlich viel Schmerz spiegelt sich in seinen Augen; viel mehr, als durch diese Situation allein zu erklären wäre. Dieser Schmerz geht tiefer... er hat ihn schon einmal erlebt, dessen bin ich mir absolut sicher.

„Das... das wollte ich nicht...", haucht er gequält und fährt sich überfordert durch die Haare. Doch plötzlich springt er auf Ace zu und reißt ihn buchstäblich an sich. Sofort finden ihre Lippen zueinander; leidenschaftlich, hart und hektisch. „Ich bin ein Idiot! Es tut mir leid, Ace... so leid!", stößt der Blonde atemlos hervor und vergräbt sein Gesicht in Ace' Haar. Der schnauft heftig und umklammert ihn fest.
„Ja, du bist ein Idiot... aber wenn du mir jetzt endlich alles erzählst, dann verzeih ich dir!", erwidert er leise.
Unglaublich erleichtert sehe ich die beiden an und erhebe mich, um zu gehen. Es sieht nicht so aus, als würden sie mich noch brauchen. Viel war zum Glück ja ohnehin nicht nötig; manchmal braucht es eben wirklich nur einen kleinen Anstoß von einer dritten Person, um den Blickwinkel richtig zu stellen oder um sich überwinden zu können.

Ace bemerkt es und lässt Sabo kurz los.
„He Marco, du musst nicht...", fängt er an, doch ich hebe lächelnd die Hände.
„Schon gut, ihr habt jetzt bestimmt viel zu bereden, da will ich nicht stören, yoi?", unterbreche ich ihn direkt und zwinkere ihm aufmunternd zu.
„Na schön... fährst du zu Sina?", fragt er neugierig, was ich mit einem Kopfschütteln verneine.
„Wir treffen uns erst morgen zum Mittagessen in der Stadt, danach kommt sie für den Rest des Wochenendes mit zu mir!"
Sabo seufzt und lächelt schief.
„Wird Zeit, dass ich sie auch mal kennenlerne... vielleicht machen wir ja demnächst mal was zu viert? Als kleine Entschädigung für das abrupte Ende dieses Besuches?", schlägt er ein wenig verlegen vor. Der Vorschlag gefällt mir.
„Das ist eine tolle Idee. Wir könnten ja einen Ausflug machen, Sina ist erst vor drei Monaten aus England hergezogen und hat hier noch nicht viel gesehen!"

Sabo stockt, das Lächeln verschwindet so abrupt aus seinem Gesicht, dass Ace und ich ihn besorgt ansehen, doch das kümmert ihn offenbar nicht. Ich kann sehen, wie seine Lippen tonlos ihren Namen formulieren.
„Sie... ist vor drei Monaten aus England hergezogen? Wie alt ist sie? Wie sieht sie aus?", fragt er mühsam beherrscht. Überrascht von seinen ungewöhnlichen Fragen sehe ich ihn stirnrunzelnd an.
„Sie ist dreiundzwanzig und...", fange ich an, doch dann halte ich inne. Sabos hellgrüne Augen brennen regelrecht voll verzweifelter Hoffnung...
Hellgrün, genau wie Sinas Augen.
Heilige Scheiße.
Wie hab ich nur so blind sein können?!

Scharf ziehe ich die Luft ein, als es mir wie Schuppen von den Augen fällt, und starre ihn fassungslos an. Sabos Gesichtszüge entgleisen bei meiner Reaktion. Stöhnend sackt er zusammen und wird von dem völlig perplexen Ace aufgefangen.
„Was zum...? Kann mir mal jemand sagen, was hier grade vor sich geht?", verlangt er aufgebracht und verärgert. Da der Engländer nicht so aussieht, als würde er antworten können, übernehme ich es - nun ergibt plötzlich alles einen Sinn, ich kann mir ziemlich gut vorstellen was los ist.
„Wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann... hat Sabo in England nach seiner Schwester gesucht, sie aber nicht mehr finden können. Weil sie ihren Namen geändert hat und von dort geflohen ist - und zwar hier her. Wo sie in meiner Praxis einen Job angenommen hat und nun unter dem Namen Sina Gates lebt!", fasse ich bemüht ruhig zusammen, obwohl auch mein Herz rast.

Überdeutlich hab ich noch vor Augen, wie Sina zusammengebrochen ist als sie mir von ihrem Bruder erzählt hat. Sie ist vollständig überzeugt, dass sie ihn so sehr verletzt hat, dass er nie wieder auch nur einen Gedanken an seine Schwester verschwenden würde.
Was aber ganz offensichtlich nicht der Fall ist.
Entgeistert sieht Ace zwischen mir und Sabo hin und her.
„Deine Sina ist... Sabos Schwester?! Fuck... warum zum Teufel hat sie ihren Namen geändert? Und wieso seid ihr getrennte Wege gegangen, wenn sie dir so viel bedeutet?", wendet er sich völlig konfus seinem Freund zu.
Dessen Blick ist auf den Boden gerichtet; er scheint große Mühe zu haben, das alles zu verarbeiten. Es dauert einem Moment, bis er antwortet.

„Weil... ich keine andere Wahl hatte. Unsere Eltern waren der Horror, Ace... ich MUSSTE gehen, um sie zu beschützen! Wäre ich geblieben... hätte ich es womöglich noch schlimmer für sie gemacht...", stößt er mit bebender Stimme hervor, ehe er den Kopf hebt und mich flehend ansieht. „Kannst du mich zu ihr bringen? Ich muss sie sehen, bitte!"
Ernst sehe ich ihn an, dann reiche ich ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen. Erleichtert schlägt er ein, doch als er steht, lasse ich sie noch nicht sofort los.
„Sina hat mir erzählt, was sie zu ihrem Bruder gesagt hat, um ihn loszuwerden, yoi? Sie ist aber dazu gezwungen worden... es hat ihr das Herz gebrochen, sie leidet noch heute sehr darunter. Du hast nicht vor, ihr das zum Vorwurf zu machen, oder?", will ich leise wissen. Ich muss einfach sichergehen, dass er ihr nicht wehtun wird, obwohl es absolut nicht danach aussieht.

Sabo beißt wütend die Zähne zusammen, sein Kiefer ist angespannt.
„Denkst du, das wusste ich nicht?! Sienna war niemals grausam, egal wie sehr er oder sie es verdient hätten! In ihrem ganzen verdammten Leben hat sie weniger ernsthafte Schimpfworte benutzt als ich Finger an einer Hand hab - aber nachdem ICH - der einzige Mensch in ihrem Leben, den sie wirklich geliebt hat - fast draufgegangen ist, wäre sie plötzlich homophob und mir gegenüber derart ausfallend geworden?!" Er schnauft aggressiv aus. „Natürlich wusste ich, dass das nicht ihre Worte sind. Aber ich wusste auch, dass sie fürchterlich unter Druck gestanden haben muss, wenn sie geglaubt hat, dass sie keine andere Wahl hat als mir solche Dinge an den Kopf zu werfen!"

Etwas ruppig ziehe ich ihn an mich und atme geräuschvoll aus.
„Tut mir leid! Ich mach mir auch nur Sorgen um sie, yoi?", entschuldige ich mich leise, aufrichtig erleichtert nach seinen Worten. Ich kann mir ausmalen, was Sina das bedeuten wird - deshalb sollten wir keine Zeit mehr verschwenden. „Los komm, ich fahr dich hin!" Sofort löst sich Sabo und zieht sich in Windeseile Jacke und Schuhe an, genauso wie Ace, den ich jetzt kurz besänftigend ansehe.
„Wir zwei bleiben im Auto; ich fahr dich dann wieder heim, sobald Sabo drin ist und dann erzähl ich dir alles soweit ich selbst im Bilde bin!", sage ich zu ihm und er nickt, den Blick besorgt auf Sabos Rücken gerichtet. Ich kann verstehen, was in ihm vorgehen muss...
Gemeinsam springen wir in mein Auto und ich fahre zügig los.
Sabos Bein wippt auf dem Beifahrersitz nervös auf und ab, sein Blick ist starr nach vorn gerichtet. Ace greift von hinten nach seiner Hand und drückt sie aufmunternd, was ihm immerhin ein kleines Lächeln entlockt. Doch in Gedanken ist er sehr weit weg.
An einer roten Ampel zücke ich mein Handy und rufe meine Fotos auf. Es sind im Augenblick sowieso fast nur welche von Sina oder uns beiden drauf... fragend halte ich es ihm hin und er greift mit zittrigen Fingern danach.
Schweigend geht er die Bilder durch, seine Augen hängen wie gebannt auf dem Display.

„Sie ist es wirklich... Gott. Es ist so lange her, seit ich... ach verdammt. Aber jetzt... sie sieht... richtig glücklich bei dir aus!", flüstert er heiser. Ich lächle leicht.
„Das hoffe ich doch... ich bemüh mich zumindest. Sie ist was ganz Besonderes!"
Sabo atmet schwer aus.
„Ja, das ist sie. Scheiße, Marco... ich hatte solche Angst um sie! Als sie so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist... ich dachte... es wäre ihr was zugestoßen. Ich hab alles Mögliche versucht um eine Spur zu finden... einen Hinweis... irgendwas. Aber da war gar nichts... NICHTS! Es war, als... als hätte es sie nie gegeben!", flüstert er stockend. Ace murmelt einen Fluch.
„Jetzt versteh ich, was dich so fertig gemacht hat. Aber was zur Hölle habt ihr für Eltern, wenn du ernsthaft befürchtest, dass sie... keine Ahnung... umgebracht oder verschleppt werden könnte?!", knurrt er aufgebracht.

Seine Frage beschleunigt meinen Puls und ich umgreife automatisch mein Lenkrad fester.
„Hältst du das tatsächlich für möglich?!", will ich angespannt wissen und werfe ihm einen bohrenden Blick zu. Er sieht ernst zurück.
„Ich weiß es nicht... ich kann es zumindest nicht ausschließen. Das ist ja das Schlimme. Meine Eltern und viele andere, die in diesen Kreisen verkehren, sind absolut unberechenbar; es gibt nichts, dass ich bei ihnen für undenkbar halte..." Er atmet tief durch. „Allerdings... wenn sie hier ist und eine neue Identität angenommen hat, dann denke ich, ist sie aus dem Schneider. Das Allerwichtigste in unserer sogenannten Familie ist der Ruf - wenn der nicht bedroht ist, ist alles andere uninteressant und nicht der Mühe wert", erklärt er angewidert und lässt mich dadurch etwas freier atmen.

Trotzdem, ein ungutes Gefühl bleibt.

Fünf Minuten später halten wir vor Sinas Wohnung. Oben in den Fenstern brennt Licht, sie ist also noch wach.
„Es ist die Wohnung im ersten Stock, einfach die Treppe hoch", informiere ich ihn und sehe ihn auffordernd an.
Nervös fährt Sabo sich durchs Haar.
„Ob sie mich wirklich sehen will?", murmelt er unentschlossen. Überrascht ziehe ich eine Augenbraue hoch.
„Natürlich! Wieso sollte sie nicht?"
Ace lehnt sich nach vorn, dreht Sabos Kopf in seine Richtung und drückt ihm einen langen, zärtlichen Kuss auf die Lippen, ehe er ihn gewohnt frech angrinst.
„Komm schon, schwing deinen knackigen, britischen Arsch da rein und sprich dich mit ihr aus! Aber ruf mich morgen bitte an sobald du wach bist, ja?"

„Na klar, ich meld mich... und... danke Ace! Es tut mir wirklich furchtbar leid, dass ich dir das alles verschwiegen hab...", flüstert Sabo und streicht liebevoll über die Sommersprossen meines Bruders.
„Meiner Hartnäckigkeit sei Dank, hm?", feixt er und bringt ihn damit endlich zum Lachen, ehe er mir einen entschlossenen Blick zuwirft.
„Danke, Marco!"
Ich nicke ernst, mache dann aber eine scheuchende Handbewegung.
„Nicht der Rede wert. Aber jetzt setz deinen ‚knackigen britischen Arsch' endlich in Bewegung, yoi?", zitiere ich meinen Bruder schmunzelnd, was ihn die Augen verdrehen lässt und mir ein gespielt empörtes: „Ey, fisch gefälligst an deinem eigenen Ufer, du Perverser!" von der Rückbank einbringt.

Doch immerhin öffnet Sabo endlich die Tür und steigt aus. Ein letztes Mal atmet er durch, schließt die Tür und geht mit steifen Schritten zu Sinas Wohnung. Inzwischen tippe ich eine kurze Nachricht an sie, damit sie auch öffnet.
Gespannt beobachten Ace und ich, wie sein Finger eine gute Minute über der Klingel schwebt, ehe er sich endlich überwindet und sie drückt. Sofort ballen sich seine Hände verkrampft zur Faust. Der Summer ertönt fast sofort, dann verschwindet er nach drinnen.
Synchron atmen wir beide auf.
„Oh man... ich hätte nie gedacht, dass Sabo SO viel Scheiße erlebt hat. Bringst du mich jetzt bitte endlich auf den genauen Stand der Dinge?" Ace sieht mich grimmig an, während ich den Motor starte.
„Hab ich doch versprochen, oder? Aber behalt das für dich, solange wir nicht wissen, wie viel Sabo und Sina weitererzählen wollen", bitte ich ihn. Mit einem letzten, besorgten Blick wende ich meinen Wagen und fahre Ace heim.

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