„Und? Was machen wir jetzt?", fragte Lisa nach dem Abendessen und hakte sich vergnügt bei mir unter. Wir schlenderten gerade durch den langen Gang, der den Speisesaal mit dem Trakt des großen Jugendherbergskomplexes verband, in dem die Schlafräume waren. Der glatt gebohnerte Linoleumfußboden quietschte leicht unter unseren Schuhen und der Geruch nach Kartoffelbrei und Fischstäbchen, der sich aus dem Speisesaal in alle Richtungen verteilte, hing schwer in der Luft.
„Ich würde gern ans Meer gehen", sagte ich das Erste, das mir in den Sinn gekommen ist, ohne groß darüber nachgedacht zu haben.
Denn seit ich diese tiefblaue, glitzernde Weite, mit ihren verspielten, von weißen Kronen geschmückten Wellen vorhin das erste Mal gesehen hatte, war ich von diesem Schauspiel mehr als fasziniert. Ich spürte eine magische Anziehung zu diesem geheimnisvollen und unsagbar schönen Naturphänomen. Gleichzeitig hatte ich das Bedürfnis in dieser kurzen Zeit, die wir hier verbringen würden, so viel Meer wie möglich in mich aufzusaugen.
Doch anscheinend hatte ich etwas Falsches gesagt, denn Lisa lies meinen Arm los und blieb stehen. „Wir sollen nach Anbruch der Dunkelheit das Gelände nicht mehr verlassen...und draußen ist es mittlerweile stockdunkel" fügte sie mit einem Blick aus einem der mit blauweißkarierten Gardinen umrahmten kleinen Flurfenster hinzu.
Noch ehe ich ihr antworten konnte, kamen Christian und Noah um die Ecke, sie hatten sich anscheinend auch nicht so lange mit den in Form gebrachten und panierten Fischresten, dem Tütenkartoffelbrei und dem roten Früchtetee aufhalten wollen.
„Also, kommt ihr nachher mit zu uns?" Noah sah mich an.
Hatten die das im Bus etwa wirklich ernst gemeint?! Ich sah unschlüssig zu meinen Freundinnen, doch Hannah warf mir einen vielsagenden Blick zu und antwortete für uns alle Drei: „Klar, kommen wir."
„Spitze!", er schien sich tatsächlich zu freuen, zumindest lächelte er. „Bringt noch was mit!", setzte er beim Weitergehen über die Schulter noch hinzu.
„Äh ...klar" antwortete ich etwas unsicher, denn mir war schon bewusst, dass er sicher keine Salzstangen gemeint hatte.„Na toll", seufzten Lisa und ich, wie aus einem Mund, sobald die Jungs außer Sicht und Hörweite waren.
Kaum dass die Tür unseres Viererzimmers hinter uns ins Schloss gefallen war, ließ sich Lisa auf ihr Bett fallen. Das ging bei ihr ganz easy, denn sie schlief als Einzige von uns unten. Ich schlief im Stockbett über ihr und Hannah schlief in dem anderen Stockbett oben. Das zweite untere Bett war also frei, da lagen nun Klamotten von uns dreien wild durcheinander.
„Müssen wir mit denen abhängen?", Lisa klang alles andere als begeistert und ich konnte sie ein bisschen verstehen. Auch ich hatte gemischte Gefühle. „Nein. Eigentlich nicht" Trotz meiner Bedenken, die ich zweifelsohne mit Lisa teilte, klang meine Stimme bedauernd und strafte mich Lügen. Das entging auch Hannah nicht.
„Ach" sie zog eine ihrer schmalen rotbraunen Augenbrauen nach oben „Ich dachte, du wolltest diese Chance nutzen, um Noah näher kennenzulernen."Ich schwieg. Lisa sah mich neugierig von der Seite an.
„Das ist die Gelegenheit", setzte Hannah noch hinzu.
„Also gut", ich atmete hörbar aus. Hannah hatte ja Recht. In der Schule beschränkte sich unser Kontakt bisher leider darauf, dass Noah bei Fragen zu den Hausaufgaben zu mir kam. „Dann geh ich jetzt ins Dorf und schau mal, ob ich was auftreiben kann, das wir nachher mitnehmen können". Ich machte mir zwar nichts aus Alkohol, wollte aber auch ungern mit leeren Händen gehen und wir würden es ja trotzdem nicht übertreiben.
Hannah schien das ähnlich zusehen, denn sie sagte sofort: „In Ordnung. Ich komme mit."
„Nein!" Der Einspruch kam von Lisa, und zwar heftiger als erwartet. Sie drehte sich nun auf den Bauch und sah uns mit einem Schmollmund an.
„Erstens sollen wir im Dunkeln nicht mehr raus und zweitens will ich hier jetzt nicht alleine bleiben!", beklagte sie sich, wie ein kleines Kind.
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Der Ruf des Meeres (Ateez, Hongjoong)
Fanfiction"Willkommen auf meinem Schiff!" Die Worte, gesprochen von einer melodischen aber eiskalten Stimme, durchdrangen die Dunkelheit um mich herum und vermittelten mir das Gefühl, einsam in den tiefen Weiten des dunklen Ozeans zu treiben, mühelos, von d...