21.Oktober 2022: Spiel mit Blacks Golden Rum

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Ich erkannte sie erst auf den zweiten Blick: Blacks Golden Rum. Ihr Inhalt war verdammt köstlich, doch nun war sie leer und mich überlief bei ihrem Anblick ein kalter Schauer. Der Totenkopf grinste mich an.

„Ihr wolltet doch spielen, nicht?" Hongjoongs lange Wimpern verdeckten seine Augen und er sah aus wie die Unschuld höchstpersönlich, als er nun begann, das altbekannte und mir verhasste Partyspiel zu erklären: „Wenn die Flasche auf euch zeigt, habt ihr die Wahl zwischen Tat oder Wahrheit. Aber ihr müsst meine Fragen wahrheitsgemäß beantworten oder die euch gestellte Aufgabe zu meiner vollen Zufriedenheit erfüllen. Andernfalls ..."

Ich stand kurz vorm Davonrennen. Der Sauerstoff in der Kapitänsmesse wurde knapp und ich wäre gern aufs Deck geflüchtet, um mir frischen Wind um die Nase wehen zu lassen. Der Gedanke, wie es Lisa, Noah und Eric wohl erging, schoss mir durch den Kopf und ließ mich frösteln. Ich scheiterte jämmerlich daran mir vorzustellen, was sie womöglich erlitten und schlang meine Arme fest um mich herum. Die einzige Möglichkeit, unser aller Martyrium zu überstehen, schien es, dieses dämliche Spiel mitzuspielen und zu gewinnen.

Beatrice war fahl und ihr Lippenstift abgekaut. Hannah knabberte auf ihrem Daumennagel und Christian strich sich nervös eine Locke hinters Ohr. Hongjoongs Blick streifte jeden von uns und in seinen Augen lag eine Entschlossenheit, die absolut null zu einem Partyspiel passte.
„Andernfalls geht ihr auf Tauchgang oder kommt in die Brig*", beendete der Kapitän seinen Satz.

Ich wusste, weshalb ich Flaschendrehen hasste. Diese Nacht würde es nicht besser machen.

Er krempelte sich den Hemdärmel hoch und griff nach der Flasche. Ich zappelte in meinem Schneidersitz hin und her und schnappte nach Luft, wie ein Karpfen an Land. Sein Unterarmtattoo war entblößt.

Es zog meinen Blick an wie Laternenlicht einen Nachtfalter. Welches Geheimnis sich wohl hinter der Karte und dem Kompass verbirgt? Die grazile Rose war das schönste, das ich je gesehen hatte. Ich schüttelte mich leicht, als ich merkte, wie meine Gedanken abdrifteten. Ganz egal. Weder Rose, noch Karte, noch Kompass änderten etwas an dem Schrecken, der sich vor meinen Augen abspielte. Hongjoongs Finger umschlossen die Flasche und brachten sie mit einer schwungvollen Bewegung aus dem Handgelenk zum drehen, bei der es schien, als würde ein Windhauch in die Blätter der Rose fahren.

Die Flasche drehte so schnell, dass mir fast schwindelig wurde. Das Schiff auf dem Etikett war nicht mehr zu erkennen und der Totenkopf nur noch als glitzernder Fleck.

Gern hätte ich die Augen geschlossen, aber sie schienen wie verhakt, folgten gebannt dem Flaschenhals bis dieser langsamer wurde. Der schwarze Aufkleber und der goldene Verschluss waren wieder deutlich zu erkennen. Jeden Augenblick wäre das Drehmoment verpufft. Mit einer nervenaufreibenden Gleichgültigkeit zeigte die Flasche auf jeden von uns, bevor sie schließlich vor Christian stoppte.

Hongjoong grinste schief. „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich bestimmt: Ladys first. Aber wenn ich mir dich so ansehe ..." Das Ende des Satzes war ein kurzes Lachen. „Also, was wählt die Lady; Wahrheit oder Pflicht?" Sein Lächeln war bösartig. Doch die Provokation prallte an Christian ab. Er kratzte sich unschlüssig am Hals und das war alles, was er Hongjoong als Reaktion entgegenhielt. „Wahrheit."

„Also gut, junge Dame, wie erklärst du dir den Unterschied der Namen?"

Fast hätte ich die Augen darüber verdreht, dass Hongjoong seine Provokation weiter durchzog. Aber er war nicht der Typ, der schnell aufgab. Auch ohne, dass er es näher präzisiert hat, wussten alle, welche Namen er meinte.

Meine Finger umklammerten meine Daumen, als könnte ich Christian damit unterstützen. Zum Glück war das nicht nötig.
„Ilianas Vorfahren sind von England nach Deutschland ausgewandert - dabei wurde der Nachname den sprachlichen Begebenheiten angepasst - eingedeutscht sozusagen." Christian klang sicher und hob den Kopf, als wollte er seine Antwort unterstreichen, dann ergänzte er beinah provozierend: „Das wäre nicht ungewöhnlich."

Der Ruf des Meeres (Ateez, Hongjoong)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt