„Mit allem Nachdruck bitten wir Eure Majestät, den beklagenswerten Zuständen, die auf den Inseln herrschen, ein Ende zu bereiten; für zwei Schiffe, die von Spanien her kommen, erscheinen zwanzig Seeräuberschiffe. Aus diesem Grunde ist nicht eine Stadt entlang dieser Küste sicher zu nennen. Wann auch immer es ihnen gefällt, überfallen und plündern sie unsere Ansiedlungen. Sie rühmen sich sogar, Herren der Meere und des Landes zu sein." *
Als die ersten Strahlen der über dem Meer aufgehenden Sonne den kleinen Hafen in warm goldenes Licht tauchten, hatten wir kaum ein Auge zugetan.
Dennoch fühlte ich mich mitnichten ermattet, als ich nun an der Reling der Duke stand und meinen Blick über die kleine Hafenstadt gleiten ließ, deren hell getünchte Lehmhäuser sich im Halbkreis um den Hafen herum dicht aneinanderschmiegten und im Licht der Morgensonne um die Wette zu strahlen schienen. Es war kein großer Hafen und auch keine bedeutende Stadt. Die Bewohner lebten wohl vom Fischfang und vom Handel mit den vorbeikreuzenden Schiffen. Doch dem Tode so knapp entronnen, kam mir dieser Flecken Erde, wie der schönste vor, den meine Augen je erblicken durften.
Die Zufahrt zum Hafen wurde geschützt durch ein kleines Fort, wobei die Bezeichnung Schutz zu hoch gegriffen war, denn es bestand aus nicht mehr als vier alten Steinmauern und zwei Kanonen zu beiden Seiten der Hafeneinfahrt.
Im Dunkeln waren wir dieses schmächtigen Bauwerks gestern gar nicht gewahr geworden. Ich zweifelte, ob es überhaupt noch bemannt war, denn es vermochte allenfalls einem laienhaften Betrachter das Gefühl von falscher Sicherheit zu vermitteln, eine abschreckende Wirkung auf Seeräuber würde ihm aber wohl selbst dieser nicht zuschreiben wollen.
Über der kleinen Siedlung, die sich am Fuße zweier Hügel auf einen schmalen Streifen Land zwischen den Felsen und dem Hafen schmiegte, thronte eine Kirche, die für das kleine Örtchen etwas überdimensioniert wirkte. Ihre Mauern glänzten weiß und unberührt und ihr Anblick blendete mich, sodass ich meine Augen nun zukniff und den Blick Richtung Dutchess weiterwandern lies.
Sie lag neben der Duke vertäut und schaukelte auf den Wellen sacht hin und her. Wäre ihr ehemals stolzer Kreuzmast nicht in der Mitte abgebrochen und würde nicht ein kajütengroßes schwarzes Loch in ihrer steuerbord Seite klaffen, hätte man ihren Anblick im Licht der Morgensonne sicher als erhaben bezeichnen können, so war er hingegen desolat zu nennen.
Ich atmete seufzend aus und versuchte, angesichts dieses bekümmernden Bildes ein bisschen Trost darin zu finden, dass sich mittlerweile wenigstens der Rauch gelegt hatte, nachdem es uns in der Nacht noch gelungen war, das Feuer zu löschen.
Das Geräusch von derben Stiefeln auf den Schiffsdielen hinter mir ließ mich umdrehen: Kapitän Rogers kam eiligen Schrittes über das Deck gelaufen und machte sich sogleich daran, die Schäden an den Schiffen zu begutachten. Nur der Verband um seinen Kopf zeugte noch von seiner schweren Verletzung.
Er war wahrhaftig ein zäher und unbezwingbarer Brocken von einem Seemann, der den Rang eines Kapitänes mehr als zu Recht trug. Nachdem es ihm in der Nacht gelungen war, den Blutfluss aus seiner grässlichen Wunde im Oberkiefer zu stoppen, hatte er den Schmerz mit dem letzten bisschen Rum betäubt, den unser Smutje wohl, trotz des gegenteilig lautenden Befehls, vor dem über Bord werfen gerettet hatte, wenn gewiss auch zunächst für eigene Zwecke. Der Kapitän jedoch zögerte nicht einen Moment, diese letzten kostbaren Tropfen an die Verletzten und Verwundeten zu verteilen, um deren Schmerzen zu lindern und um die frischen Wunden zu desinfizieren und Entzündungen vorzubeugen.Ich seufzte erneut. Auch ohne die Schäden aus der Nähe begutachtet zu haben, wusste ich, dass es gewiss einige Tage dauern würde, bis wir sie behoben und die Vorräte aufgestockt hätten. Wir würden also eine Weile hier vor Anker liegen müssen. Mit der unguten Gewissheit, dass uns diese Zeit nicht vergönnt sein würde, erschienen mir die kleinen schiefen Häuser des Städtchens, in dem wir vor Anker lagen, jäh wie weiße kalte Grabsteine.
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Der Ruf des Meeres (Ateez, Hongjoong)
Fanfiction"Willkommen auf meinem Schiff!" Die Worte, gesprochen von einer melodischen aber eiskalten Stimme, durchdrangen die Dunkelheit um mich herum und vermittelten mir das Gefühl, einsam in den tiefen Weiten des dunklen Ozeans zu treiben, mühelos, von d...