Als ich in unser Zimmer kam, war ich trotz der Kälte draußen total erhitzt. Klar, ich war den ganzen Weg zurück bis zur Jugendherberge gerannt, aber besonders hing mir noch die Begegnung mit dem seltsamen Verkäufer in diesem kuriosen Spätshop nach und ließ mich innerlich glühen.
Hannah und Lisa lagen auf Lisas Bett und schauten auf ihrem Tablet noch immer den Anime 'Fena: Pirate Princess'. Sie waren bereits bei Folge 4 angelangt. Ich liebte diesen Anime, da er vor Abenteuern und Meer nur so strotzte, schön gezeichnet war und Prinzessin Fena, mit ihrer sanften, gleichwohl abenteuerlustigen Art, schlichtweg bezaubert; hatte ihn aber schon komplett gesehen.
Hannah drückte nun auf Pause und drehte sich zur mir um. „Und? Hast du was bekommen?", fragte sie und sah dann auf ihre Armbanduhr. „Du warst ganz schön lange unterwegs", stellte sie fest.„Ja. Es war schwer überhaupt einen Laden zu finden." Das war zumindest nicht gelogen. Es widerstrebte mir, meinen Freundinnen von dem komischen Spätshop und dem eigenwilligen Verkäufer zu erzählen. Ich meine, was gab es da schon groß zu berichten? Sie könnten es sich eh nicht vorstellen, so abgedreht, wie sich die ganze Atmosphäre dort angefühlt hatte. Oder hatte mir meine Fantasie am Ende nur einen Streich gespielt und ich hatte in alles zu viel reininterpretiert?
Ich war nicht sicher. Fest stand jedenfalls, dass ich diese Begegnung lieber für mich behalten wollte.
Ich ging hinüber zu dem kleinen Tisch, der vor dem Fenster stand, zog meine Jacke aus und stellte meinen Rucksack darauf ab. Die Flasche ließ ich noch drin, denn die Lehrer würden mit Sicherheit zur Kontrolle nochmal ihre Nasen zu uns ins Zimmer stecken.
Hannah schien mein Unbehagen nicht zu bemerken, denn sie fuhr fort: „Das kann ich mir denken. Dieses Kaff hier ist auch nicht viel größer als unseres. Bist du gerannt?", fragte sie und musterte mich aufmerksam. „Du bist so rot im Gesicht."
Mir wurde es noch heißer. „Äh, ja, draußen ist es ganz schön kalt und da es schon spät war, bin ich den ganzen Weg zurück gerannt. War Frau Haubold schon da?", fragte ich, um von mir abzulenken.
Lisa starrte prompt zur Tür und quietschte entsetzt: „Zum Glück nicht, sie hätte ja sonst noch bemerkt, dass du weg warst. Aber sie kommt sicher bald."
Also schlüpften wir in unsere Schlafanzüge, wissend, dass Frau Haubold bei ihrer Abendrunde darauf achten würde und kuschelten uns zu dritt in Lisas Bett um den Anime weiterzuschauen.
Nachdem Frau Haubold pünktlich um 22 Uhr ihren graumelierten Kopf mit der dunklen Hornbrille in unser Zimmer gereckt hat, um uns zu ermahnen, im Raum zu bleiben und alles auf Zimmerlautstärke zu belassen, und wir dies eifrig bejaht und dazu genickt hatten, legten wir das Tablet, kaum das sie weg war, eilig beiseite und sprangen aus dem Bett.
„Na dann zeig mal deine Beute!" Hannah öffnete meinen Rucksack und zog die Rumflasche heraus. "Mensch, krass!", rief sie und ich sah sie verwundert an. Sie machte sich sonst nie etwas aus Alkohol. Sie bemerkte meinen Blick, denn sie lachte: „Was Besseres hättest du für diesen Anlass nicht finden können, der wird definitiv Eindruck machen", versicherte sie und zwinkerte mir zu.
Irgendwie fühlte ich mich jetzt besser. Das Gefühl für sinnlosen Mist und dazu gehörte Alkohol für mich zweifelsohne, einfach so eine riesen Stange Geld ausgegeben zu haben, nagte noch an mir und belastete mich mehr, als ich es hätte zugegeben wollen.
Lisa zupfte sich ein paar Strähnen, die sich aus ihrem Fischgrätenzopf gelöst hatten, zurecht und kam dann ebenfalls hinzu, um die Flasche zu betrachten. „Ich dachte, du bringst Wein mit", sagte sie erstaunt. „Musstest du nicht deinen Ausweis zeigen?"
Stimmt! Daran hatte ich vorher gar nicht gedacht. Ich kaufte sonst nie Alkohol. Wozu auch? Jetzt kam mir dieser Laden gleich noch gruseliger vor. Und obwohl er mir nur verkauft hatte, wonach ich gefragt hatte, missfiel mir der Gedanke, dass der junge Verkäufer damit gegen das Gesetz verstoßen hatte. Aber es war ja auch mit meine Schuld gewesen.
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Der Ruf des Meeres (Ateez, Hongjoong)
Fanfiction"Willkommen auf meinem Schiff!" Die Worte, gesprochen von einer melodischen aber eiskalten Stimme, durchdrangen die Dunkelheit um mich herum und vermittelten mir das Gefühl, einsam in den tiefen Weiten des dunklen Ozeans zu treiben, mühelos, von d...