Kapitel 29

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Leylas Sicht

Die ganze Nacht lang konnte ich nicht schlafen. Immer wieder musste ich an gestern denken. Ich ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Ich sah fürchterlich aus. Meine Augen waren rot, mein Gesicht kreidebleich und ich hatte große Augenringe. Ich wusch mir mein Gesicht und versuchte es mit Makeup zu überdecken. Niemand durfte davon wissen. Niemand!

In der Küche versuchte ich normal zu wirken und mir nichts anmerken zu lassen. Während dem Essen, sagte keiner ein Wort.

"Habt ihr gestern schon für die Hochzeit geplant?", fragte mein Vater nach langem Schweigen.

"Ehmm...ja wir haben schon so einiges geplant."

"Und was?"

"Ja, so das wichtigste eben."

"Gehts dir nicht so gut? Du schaust so müde und fertig aus.", kam mir meine Mutter dazwischen.

"Ja ich hab Kopfschmerzen und mir etwas übel.", log ich.

"Willst du nicht mit zu deinem Opa heute kommen?"

"Ich würd heute lieber zu hause bleiben, wenn das in Ordnung ist. Später geh ich mir noch Aspirin kaufen."

"Ich kauf sie für dich, leg du dich hin!", wollte mir mein Vater einreden.

"Nein,nein!! Ich geh schon! Die frische Luft wird sicher gut tun."

Versuchte ich mich da rauszureden. Eigentlich wollte ich mir kein Aspirin kaufen sondern die Pille für danach und wollte deshalb nicht, dass mein Vater mir Aspirin holen geht. Nachdem ich meiner Mutter beim Geschirr geholfen hatte, machte ich mich fertig und ging hinaus. Keine Sekunde verging, an der ich nicht an diesen Vergewaltiger denken musste. Bei diesem Gedanken bekam ich schon mega Angst bis zur Apotheke und zurück zu gehen. Er war zwar am hellichten Tag und es waren viele Menschen unterwegs, trotzdem hatte ich Angst ihm wieder zu begegnen. In der Apotheke angekommen, fragte ich die Verkäuferin nach der Pille für danach. Sie sah mich zuerst skeptisch an, dann gab sie mir die Pille. Ich bezahlte und ging schnell raus. Mit schnellen Schritten ging ich in Richtung nach Hause. Ich hatte Angst mich hier draußen aufzuhalten.

Als ich zuhause ankam, waren meine Eltern schon zu meinem Opa gegangen. Ich hätte meinen Opa schon gerne einmal gesehen, da ich ihn noch nie zu Gesicht bekam. Aber mir ging es heute überhaupt nicht gut. Ich hatte keine Kopfschmerzen, wie ich heute behauptet habe. Nein, mir ging es psychisch sehr schlecht und das konnte man mit keinem Medikament der Welt heilen. Ich ging in die Küche und schenkte mir ein Glas Wasser ein. Damit nahm ich dann die Pille ein. Hoffentlich würde es wirken.

Ich bin eigentlich immer gegen das Abtreiben eines Kindes. Ich würde nie freiwillig ein unschuldiges Kind umbringen. Egal ob es von dem Mann ist, den ich liebe, oder von jemandem, den ich nicht kenne. Aber die Pille für danach ist kein Mittel zur Abtreibung. Sie verhindert nur die Befruchtung. Solange keine Befruchtung stattgefunden hat, hat auch kein neues Leben begonnen. Somit hatte ich bei dieser Sache ein gutes Gefühl und brauchte keine Angst zu haben,  ein Kind zu töten. Nun musste ich darauf hoffen, dass es auch wirkte.

Mein eigentliches Problem war , was nun Serkan von mir halten würde. Sollte ich ihm sagen, dass ich vergewaltigt wurde? Oder es lieber für mich behalten? Aber wenn er es herausfindet, wäre er dann noch wütender auf mich. Und wenn ich es ihm sagen sollte, dann wie? Wie soll ich zu ihm gehen und sagen, dass ich meine Jungfräulichkeit an einen Vergewaltiger verloren habe. Er würde ausrasten, mich anschreien und sich danach von mir trennen. Ich konnte es niemandem sagen. Niemand würde meine Situation verstehen. Doch kann ich es lange für mich behalten? Geteiltes Leid ist doch halbes Leid. Oder würde das zu noch mehr Leid führen?

So langsam bekam ich wirklich Kopfschmerzen. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und war sehr müde. Ich ging in mein Zimmer und legte mich in meinem Bett hin. Ich nahm mein Handy in die Hand und sah, dass Serkan mich mehrmals angerufen hatte. Ich schrieb ihm eine Nachricht, dass ich mir ein Aspirin kaufen war und mein Handy nicht dabei hatte. Er gab mir ein 'Ok' als Antwort und schrieb, dass er morgen zu mir kommen wird. Ich legte mein Handy weg und zog mir eine Jogginghose und ein bequemes T - Schirt an. Ich ging ins Bett und machte die Augen zu. Ich musste schlafen, damit Serkan mich am nächsten Tag nicht auch so schlimm sieht. Ich versuchte an schöne Sachen zu denken und den gestrigen Tag auszublenden. Irgendwann funktionierte es und ich fiel in einen Schlaf.

( Bearbeitet am 08.08.2015)

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