15. Luca - unerwartet

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Seine bebenden Wimpern flogen auf und seine großen, dunklen Augen blickten mich voller Entsetzten an. Augenblicklich bereute ich, gefragt zu haben. Gut, ich musste ja selbst zugeben, dass mein Vorschlag wirklich unmoralisch gewesen war. Und ich hatte sowas zuvor noch nie jemanden vorgeschlagen.

Aber dennoch, hatte ich mich so in ihm getäuscht? Immerhin war er derjenige, der seit Jahren um mich herumschlich und mich aus der Ferne anschmachtete. Egal wo wir uns begegnet waren, ständig klebten seine Augen an mir. Für mich war klar, was er von mir wollte. Spätesten heute Nacht hatte er es höchstpersönlich bestätigt. Wobei davor, ja davor war es mir im Grunde auch klar gewesen, auch wenn ich es gerne ignoriert hatte. Er war nicht der Erste und er würde nicht der Letzte sein.

Und doch beunruhigten mich diese Augen, von denen ich mich partout nicht abwenden konnte. Sanft zwang ich mich selbst dazu, sein Kinn aus meinem festen Griff zu lösen, und zog meine Hand weg. Augenblicklich gingen seine Lippen auseinander und öffneten sich zu einem fassungslosen „O". Ich schien ihn mit meinen Worten wirklich vor den Kopf gestoßen zu haben.

Also schloss ich die Augen, atmete selbst tief durch und beugte mich erneut zu seinem Ohr hinab. Wieder war da diese Mischung aus vertrauten Geruch gepaart mit etwas Exotischem. Mein Duschgel und er selbst. Keine schlechte Kombi, wie ich erneut feststellen musste.

„Beruhig dich, Akira! Du kannst jeder Zeit nein sagen, wenn du nicht willst. Ohne jegliche Konsequenz. Und zwischen uns bleibt alles wie gehabt.", seufzte ich und inhalierte gleichzeitig diesen ganz besonderen Duft. Dabei so nah an dieser Stelle unterhalb seines Ohrläppchens, dass ich am liebsten meine Lippen darauf gepresst hätte.

Oh Gott! Ich sollte schleunigst selbst auf Abstand gehen. Diese schlaflose Nacht, und der betrunkene, im Schlaf gerne auf Tuchfühlung gehende Akira, der seine Finger einfach nicht bei sich behalten hatte können, zehrten eindeutig an meiner sonst so eisernen Beherrschung.

Nein, es war tatsächlich nicht gut, ihm so nahe zu seine. Und diese Idee, die mir in meiner nächtlichen Umnachtung kam, erwies sich ebenfalls als bescheuert. Richtig bescheuert, wenn auch dennoch verlockend. Selbst jetzt noch.

Meine Prinzessin hatte immer noch nichts Besseres zu tun, als mich mit angehaltenem Atem anzustarren. Nicht viel und er würde mir auf Grund von Sauerstoffmangel umfallen. Aber hey, dann könnte ich ihn doch glatt Mund-zu-Mund beatmen, nicht wahr? Über meine Gedankengänge selbst etwas verwundert, rückte ich kopfschüttelnd von ihm ab.

Am besten wäre es, ihn in seinem Schockzustand in Ruhe zu lassen und mir einen neuen Platz zu suchen. Wenn er soweit war, konnte er ja von sich aus auf mich zu kommen. Und wenn nicht, würde die Welt auch nicht untergehen.

Etwas widerstrebend erhob ich mich und wollte mich gerade auf die Suchen nach einem neuen Platz machen, als sich eiskalte Finger, einem Schraubstock gleich, um mein Handgelenk legten und mich in meiner Bewegung innehalten ließen. Immer noch aus weit aufgerissenen Augen, nun aber mit einem zu einem schmalen Strich verzogenen Mund, sah er mich von unten herauf herausfordernd an.

„Hiergeblieben!", zischte er und zog an meinem Handgelenk, bis ich mich wieder in dem Sitz niederließ. Beugte sich zu mir rüber und erdolchte mich mit seinem Blick.

„Was soll das werden? Die Rache für heute Nacht? Für mein leichtfertiges Verhalten? Ich hab auch so verstanden, dass ich mich bekloppt aufgeführt habe. Da brauch ich dich nicht, um mich jetzt so aufzuziehen und vorzuführen." Über seine Wut hinweg, hatte er wohl ganz vergessen wie sonst, zurückhalten, schüchtern und süß zu sein. Wobei, süß war er auch jetzt noch, mit diesem Feuer in den Augen und der Härte in seinem Gesicht. Insoweit ein Puppengesicht eben hart aussehen konnte. Ja, ganz eindeutig, lag der letzte Mann schon viel zu lange her, wenn ich jetzt schon so abdrehte. Dabei wurde ich mir langsam glatt selbst peinlich und das kam echt nicht oft vor.

„Kein aufziehen.", versicherte ich kopfschüttelnd. Griff mit meiner freien Hand nach einer Strähne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte, und strich sie mir hinters Ohr. „Ich mein das wirklich ernst. Und ganz ehrlich, was spricht schon gegen etwas Spaß?"

„Aber du bist ein Kerl!", flüsterte er rau und wieder bebten seine vollen, schön geschwungenen Lippen. Der Anblick war schön, bis sich seine Worte in mein Hirn brannten. Nun war es an mir, dem das Kinn herab klappte. Darauf fiel mir ich echt keine Erwiderung ein.

Nachdem er weder losließ, noch etwas sagte, mich hingegen aber immer noch nicht aus den Augen ließ und sich in mir langsam der Verdacht verhärtete, dass er seine Aussage ernst meinen könnte. Beugte ich mich näher zu ihm. „Ich weiß. Aber das hatte dich bis jetzt auch nie gestört."

Ruckartig ließ er los und rückte von mir ab. Starrte auf den Sitz vor uns und biss sich auf seine Unterlippe, nur um anschießend gedankenverloren auf ihr rum zu kauen.

Okay! Damit hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Für mich war er, so wie er mich ansah, tatsächlich schwul. Gut ich wusste es nicht zu hundert Prozent, aber die Anzeichen waren da. Ganz eindeutig.

„Prinzessin?", fragte ich etwas sorgenvoll, berührte seinen Ellbogen und er zuckte erschrocken zusammen.

„Ich denke nach!", stieß er hervor und streichelte geistesabwesend über die Stelle, die ich zuvor noch berührt hatte.

„Und über was genau?", wollte ich wissen, während ich ihn weiterhin irritiert von der Seite musterte. Wo waren wir denn falsch abgebogen? Ich hatte durchaus auch mit dem Gedanken gespielt, er könnte nein sagen, aber damit, nein, nicht in meinen kühnsten Träumen.

„Hattest du schon mal was mit Männern?", stellte ich schlussendlich die Frage, die mir immer dominanter in meinem Kopf herumschwirrte. Wieder zuckte er zusammen, doch diesmal hatte ich es nicht einmal gewagt, ihn zu berühren. „Akira?", fragte ich nach einer Weile nach, weil er mir immer noch nicht antwortete. Stattdessen immer noch grade aus sah und immer noch seinen Unterlippe malträtierte.

„Emm ...", murmelte er unkonzentriert, drehte langsam den Kopf und blickte mir in die Augen. Nur ganz kurz, bevor er die Augenlider senkte und irgendwo zwischen uns auf den Boden starrte.

„Ja?", hackte ich nach. Langsam entwickelte sich meine Idee immer mehr zum Desaster, aber Herrgott nochmal, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Wie auch?

„Emm ...", wiederholte er und nagte ganz langsam an meiner Selbstbeherrschung.

„Mach es nicht so spannend, Prinzessin!", fuhr ich ihn etwas ungehalten an, aber auch meinen Nerven lagen etwas blank. Niemand wusste, dass ich schwul war, abgesehen von meiner Familie und Felix. Nicht einmal mein Manager und jetzt hatte ich es durch die Blume einem verkappten Schwulen gesteckt? Der für so ein Angebot gar nicht bereit war? Ja, eher sogar entsetzt darüber. Gott! Wie dumm konnte man nur sein? Was das für Probleme nach sich ziehen könnte, wenn er die Klappe nicht hielt! Da hatte ich mich heute Nacht echt zu etwas verleiten lassen. Sein Geruch, seine Nähe, seine Hände, die überall meine Körper hoch und runter fuhren, hatten mich verführt.

„Vergiss es!", stieß ich hervor und erhob mich erneut. Eigentlich kannte ich die Antwort doch schon, also wieso noch drauf warten, dass er sie laut aussprach. „Vergiss alles, was ich dir vorgeschlagen hatte. Wir hatten nie miteinander geredet." Drehte mich weg und wollte mich wiederholt auf den Weg machen.

„Luca, warte!" Wieder waren da seinen Finger, die nach mir griffen und mich zurückhielten. „Ja. Ich sage ja."

Luca & Akira - love me, if you dare Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt