Oh Gott! Gleich würde ich sterben! Jeden Augenblick, wenn diese winzig kleine Kiste sich in Bewegung setzten würde, wäre es vorbei mit mir. Ich hatte ja schon meinen größten Respekt von den großen eisernen Vögeln und hatte mich, sagten wir mal so, ein klein wenig damit arrangiert. Aber das? Nein! Nein, das würde ich wirklich nicht überleben.
Als Luca vorhin großkotzig behauptet hat, unser Wasserflugzeug wartete auf uns, dachte ich noch, er macht ein Späßchen. Tja, da hatte ich wohl sichtlich falsch gedacht. Immerhin stieg ich gerade über die Stufen in diese verdammte, wackelnde Blechkiste, angeschoben von Lucas Hand in meinem Rücken. Also auch keine Möglichkeit zur Flucht. Wären wir alleine, so hätte ich ihm wohl einfachhalber den Kopf umgedreht und wäre rücklings wieder geflohen, aber bei den zwei Gästen, die uns folgten, da hatte ich einfach keine andere Wahl. Stattdessen musste ich auch noch cool rüberkommen.
„Schau mal die Sonne geht unter. Das wird ein richtig toller Fluch bei Sonnenuntergang.", machte Luca Werbung für die Schönheit der Umgebung, für die ich schlicht im Augenblick blind war und absolut keine Nerven hatte.
„Aha ...", murmelte ich dennoch zerstreut und versuchte, einen Schritt nach dem anderen zu machen, und dabei nicht gerade in dem Tempo einer Schnecke voranzukommen. Bückte mich und kletterte in das Flugzeug, um in einem Sitz vorne platz zu nehmen. Darius und Felix machten es sich eine Reihe hinter uns gemütlich. Luca hingegen lehnte sich über den Sitz ins Cockpit und unterhielt sich lachend mit unserem Piloten. Dann ließ auch er sich neben mir nieder. Schnallte zuerst mich und dann sich an und die Maschine wurde gestartet. Spätestens in diesem Augenblick hatte ich komplett mit meinem Leben abgeschlossen und sogar das Atmen eingestellt. Als mir Lucas Stimme süß ins Ohr flüsterte, ich sollte mich entspannen, zuckte ich sogar dermaßen zusammen, dass es mir selbst peinlich war.„Schau mal ...", säuselte er nach einer Weile, beugte sich über mich, berührte und hüllte mich scheinbar wie unauffällig mit seiner Wärme und seinem Duft ein. Seit wir in Begleitung der beiden waren, hatte er stets Abstand gehalten und mich lediglich wie einen Freund behandelt. Kein Necken, kein Flirten mehr und wenn mir auch klar war warum, so störte es trotzdem irgendwie. Zumindest war es ein extremer Kontrast zur restlichen Zeit, die wir heute miteinander verbraucht hatten. Und machte dadurch nur noch deutlicher, dass ich nie wirklich mit ihm zusammen sein könnte.
Schon wieder so ein lächerlicher Gedanke. Und das, obwohl mir klar sein müsste, dass es für Luca nur ein Spaß, ein Vertrag, eine dumme Abmachung war. Dennoch fiel es mir sehr schwer, diese Tatsache im Hinterkopf zu behalten, wenn er so mit mir umging. Fast so, als würde er mich tatsächlich mögen.
„Alles okay mit dir?", riss mich seine sanfte Stimme erneut aus meinen Gedanken und ich wandt meinen Kopf, nur um seinem skeptischen Blick zu begegnen. „Hab keine Angst. Ich werde ich beschützen ...", setzte er noch leiser zwinkernd hinzu, aber über das Brummen des Flugzeugs hörte uns sowieso niemand.
Ach ja, da war ja was. Da hatte ich doch tatsächlich über meine deprimierte Grübelei vergessen, wo ich mich befand. Machte aber nichts, denn die Panik übermannte mich augenblicklich erneut mit voller Kraft.
„Atmen ... Prinzessin!", hauchte er, dass mein ganzer Körper trotz der Wärme die hier im Flieger herrschte, und des Anzuges, den ich trug, mit einer Gänsehaut überzogen wurde. Seine Finger suchten die meinen, verschränkten sich und mit seiner freien Hand klopfte er ans Fenster, um meine Aufmerksamkeit wohl nach draußen zu lenken. Und tatsächlich bot sich mir ein atemberaubender Ausblick auf das Wasser, Sydney und die untergehende Sonne, die dabei war, alles in ihren schönsten Gelb-, Orange- und Rottönen zu färben.
„Es ist wunderschön ...", entkam es mir ehrfürchtig über die Lippen und ich beugte mich noch tiefer zur Scheibe hin, um die Schönheit dieser Naturerscheinung in vollen Ausmaß zu bewundern.
„Nur halb so schön, wie du ...", ertönte es rau und sein heißer Atem, gefolgt von seinen weichen Lippen streiften mein Ohr. Herrgott nochmal, wie sollte man da auf dem Boden der Tatsachen bleiben und sich nicht in ihn verlieben? Konnte mir das mal einer erklären?
Und ja, langsam begriff sogar ich, dass das, was grade zwischen uns geschah, sich verdammt danach anfühlte, als wäre es echt. Echt für mich. Echte Gefühle. Echte Verliebtheit. Echter Schmerz ... Wann zur Hölle war denn das passiert? Eine neue, noch nie dagewesene Panik überfiel mich.
„Wir werden nicht abstürzen. Wir setzten nur zur Landung an.", machte er weiter und sorgte für noch mehr Chaos in meinem Kreislauf. Mittlerweile spielte alles verrückt. Herz, Atmung, mein ganzer Körper. Kalter Schweiß brach mir aus allen Poren. Er brachte mich regelrecht um den Verstand und ein Absturz war zwischenzeitig meine kleinste Sorge.
Wir hatten nur noch wenige Drehtage und dann, dann wäre unsere Vereinbarung Geschichte. Dann würde er aus meinem Leben verschwinden. Na ja, noch nicht gänzlich. Da wäre noch die Promotour, die gemeinsamen Auftritte, Interviews. Also noch ein paar Monate, in denen ich ihn hin und wieder treffen würde. Aber dann?
„Wir sind gelandet!", drang es an mein Ohr und jemand, wohl Luca schüttelte an meiner Schulter. Wann ich meine Augen fest aufeinandergepresst hatte, wusste ich selbst nicht. Aber ich steckte gerade regelrecht in dieser fiesen Panikattacke fest. Vielleicht hätte ich nie zusagen sollen. Mich nicht auf ihn einlassen sollen. Nie meinen Vater um einen Gefallen bitten sollen, diese Rolle zu bekommen. Warum nur, hatte es mir nicht gereicht, ihn aus der Ferne zu betrachten, wie all die Jahre zuvor? Warum wollte ich mehr? Warum zog er mich an wie eine Sonne? Mein Licht, das ich zum Leben brauchte. Das meinen Tag, meine Nacht erhellte. Mich von innen wärmte. Jahre schon... Ich dachte, ich wäre nur einsam, aber das war wohl nicht die ganze Wahrheit.
„Akira, atmen ... alles ist gut. Wir sind gelandet und später fahren wir mit dem Wassertaxi zurück. Wir müssen nicht mehr fliegen. Versprochen!", klang er nun etwas verzweifelt und streichelte unentwegt meinen Arm.
Ich musste mich zusammenreißen. Ich musste mich konzentrieren. Durchatmen und die Augen öffnen und dann musste ich so tun, als wäre alles in Ordnung mit mir. Als wäre ich nicht verrückt. Verrückt nach ihm. Nach seiner Nähe. Seiner Wärme. Seiner Zuneigung.
Langsam stieß ich die angehaltene Luft aus. Schluckte schwer und atmete tief ein. Dann ein weiteres Mal. Langsam beruhigte sich das innere Zittern in meinem Körper und auch mein Herzschlag tat es ihm gleich. Nur diese Melancholie, die mich fest gepackt hatte, und im Würgegriff hielt, konnte ich partout nicht abschütteln. Es musste trotzdem reichen. Also atmete ich ein weiteres Mal tief durch und schlug langsam die Augen auf.
Blaue Augen, besorgt dreinschauend, musterten mich unentwegt. Verschmolzen mit meinem Blick und ließen mich innerlich tauen. Er war auch wunderschön. Langsam hob ich meinen Mundwinkel und lächelte ihm zu. Es war unnötig, dass er sich Sorgen um mich machte. Ich würde schon klar kommen. Ich musste ... irgendwie ...
„Alles Okay, Akira?", war es Felix, der die Magie des Augenblicks durchbrach und uns beide sich nach ihm umdrehen ließ. Erst da bemerkte ich, dass der Pilot bereits ausgestiegen war und die Tür nach draußen offen stand. Darius, der bereits aufgestanden zu sein schien, stand in der Tür und im Licht der dahinschwindenden Sonne.
„Sicher ...", krächzte ich hervor und hob erneut schwerfällig meine Mundwinkel. „Mach dir keine Sorgen." Und dann erhob auch ich mich und schubste Luca, der mir nicht zu glauben schien, aber mit mir selbst aufgestanden war, vor mich her, während er immer wieder einen skeptischen Blick über die Schulter nach hinten warf. Er traute meinen Worten wohl nicht. Aber was würde es schon bringen, ihm zu erklären, wie ich mich fühlte? Es würde unsere Zeit nur noch viel schneller verrauchen lassen.
„Wo sind wir eigentlich?", wechselte ich das unausgesprochene Thema und sah mich um.
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Luca & Akira - love me, if you dare
RomanceMein Leben verlief gut. Ich konnte mich eigentlich nicht beschweren. Immerhin erfüllte ich mir gerade meinen größten Wunsch. Nur leider hatte ich zuvor nicht bedacht, das genau dieser Wunsch, so dermaßen nach hinten los gehen würde. Vielleicht war...