16. Akira - Gedankenroulette

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Oh Gott. Mein Herz stand immer noch still nach seinem Angebot. Aber was hätte ich bitteschön anders sagen sollen? Wenn ich nicht wollte, dass er ging, dass es noch komischer zwischen uns wurde und das wollte ich wirklich nicht, dann blieb mir doch gar nicht anderes übrig, als anzunehmen oder?

Vor allem bei diesem Blick, aus diesen eisblauen Augen, dem ich partout nicht standhalten konnte. Dafür konnte ich regelrecht seine Gedanken hören. Alles in ihm drin schrie „was für ein IDIOT", selbst, wenn er, wie vorhin „Prinzessin" zu mir sagte. Und ich wollte kein Idiot sein, nicht in seinen Augen. Dennoch beliefen sich meine Erfahrungen in besagter Richtung auf ein Minimum, egal welchen Geschlechts.

Wenn ich ehrlich war, hatte mich bis dato noch nie jemand so gereizt, dass ich aufs Ganze mit ihm gehen wollte. Ganz gleich, ob es eine Frau oder ein Mann war. Bis auf ein paar Küsse war da nie mehr gelaufen. Immer hatte ich das Gefühl, dass es falsch wäre.

Und jetzt? Hier, bei ihm? Warum ja? Warum zusagen, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob ich genau das auch wollte? Überhaupt bereit war, diesen Schritt zu gehen. Und dann auch noch auf Zeit? Das hatte ich nämlich gewiss nicht überhört.

Sicher, ich wollte Nähe. Ich wollte allem voran seine Nähe, schon so lange, auch wenn ich nicht recht wusste warum. Aber würde ich ihn nicht enttäuschen, wenn ich irgendwann mittendrin feststellte, dass ich nicht bereit war, ihm das zu geben, was er anscheinen von mir wollte, von mir erwartete? Wäre ich dann nicht erst recht der Idiot, für den er mich eh schon hielt?

„Du siehst gerade so dermaßen überzeugt aus, dass ich mich langsam etwas fühle, als wäre ich Ricki und würde mich mit heimtückischen Tricks irgendwelchen unschuldigen Kerlen aufdrängen.", seufzte er kopfschüttelnd, ließ sich aber zeitgleich schwerfällig neben mir nieder. „Das war wirklich lediglich ein Vorschlag. Du musst echt nicht zustimmen. Ein „nein" würde auch nichts ändern zwischen uns.", fügte er noch an und lehnte sich seufzend in seinem Sitz zurück. Schloss die Augen und strich sich gedankenverloren eine der dunklen Strähnen aus dem Gesicht.

Er sah müde aus. Abgekämpft und richtig fix und fertig. Kein Wunder, viel Schlaf hatte ich ihm ja nicht gelassen, nachdem ich mich die halbe Nacht an ihn geschmiegt und ihn begrapscht hatte. Allerdings hatte es sich so verdammt gut angefühlt. Seine Nähe, seine Wärme, seine Lippen, auch wenn sie mich noch nicht einmal richtig geküsst hatten.

Wie es sich wohl anfühlte von Luca geküsst zu werden? Richtig geküsst, nicht nur so ein zarter, unschuldiger Kuss auf den Kopf.

Vorsichtig hob ich meine Hand, meine Finger zitterten immer noch leicht, als ich sie sachte auf die Seinen legte, die sich gerade etwas verkrampft um die Seitenlehnen schlang. Augenblicklich zuckte er zusammen, was ich aber zu ignorieren versuchte.

„Was erwartest du von mir?", flüsterte ich leise, drehte mein Gesicht aber sofort weg, kaum, dass er seine Augen aufschlug und in meine Richtung sah.

„Was genau meinst du?", wollte er nach einer Weile wissen und ich spürte seinen stechenden Blick auf mir. Selbst dieses Mustern ging mir durch und durch. Machte mich noch nervöser, so dass ich unauffällig versuchte meine Hand wieder wegzuziehen. Doch diese Rechnung hatte ich wohl ohne ihn gemacht. Augenblicklich schnappten seine Finger nach den meinen. Zogen sie wieder zurück zu ihm und, bis ich begriff, wie mir geschah, landete meine Hand samt seiner in seinem Schoss.

Gedankenverloren streichelten seine Fingerkuppen immer wieder über meinen Handrücken. Warm, kribbelnd, elektrisierend, als würde er unter Strom stehen und immer wieder kleine Stromschläge durch mein eh schon überreiztes Nervensystem schicken. Die gleichzeitig dafür sorgten, dass sich sämtliche Härchen an meinen Unterarmen aufstellten, und mein Herz stockte, nur um sich im gleichen Moment zu überschlagen.

War ich lediglich so nervös, oder reagierte mein Körper tatsächlich aus Erregung dermaßen auf ihn? Fragend wandte ich meinen Kopf und sah direkt zu ihm rüber. Begegnete seinem Blick und blieb standhaft. Versuchte Antworten zu finden, auf die ich nicht einmal konkrete Fragen hatte. Was, wenn dem allem tatsächlich so wäre?

„Keine Ahnung ...", seufzte er. Während sich immer noch Widerwillen in seinem Gesicht spiegelte. Er bereute es, mich überhaupt gefragt zu haben und überzeugt schien er auch nicht mehr von seinem Vorschlag zu sein.

Was, wenn er es wahrhaftig zurücknehmen würde? Auf Abstand gehen würde? Mich wieder von sich stieß, wie bisher auch? Irgendwas in meinem Magen verkrampfte sich auf Anhieb, ganz automatisch griff ich nach seinen Fingern und klammerte mich an ihnen fest. Nein, das wollte ich nicht! Nicht, nachdem ich mich seit langem, seit einer gefühlten Ewigkeit, wieder so gut gefühlt hatte. So gut geschlafen hatte. Und alles andere wäre eine Lüge.

Die Nacht mit ihm, allein der Gedanke daran, sorgte dafür, dass es mich schauderte, war schön gewesen. Sich an ihn zu schmiegen, ihn zu spüren, ihm nahe zu sein. Sein Geruch, seine Wärme, einfach nur er. Wäre es mit jemand anderen genau so gewesen? War ich über diese Jahre der Einsamkeit so ausgehungert? Wäre jeder Mensch mir recht gewesen? Nein! Schrie es tief in mir drin und wieder musste ich mich leicht schütteln, weil mich ein Schauder überkam. Das es nicht so war bewiesen doch all die Anden, die meine Nähe gesucht hatten und die mir nie auch nur einen Gedanken wert waren. Alle bis auf ihn ...

Irritiert und gleichzeitig fragend kniff er die Augen zusammen. Schien wohl nicht zu verstehen, welchen Kampf ich mit mir selbst ausfocht. Ich konnte es ja selbst nicht wirklich.

„Darf ich in den Nächten wieder bei dir schlafen?", hörte ich mich da auch schon sagen und hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Gedanklich war ich eigentlich immer noch hin und hergerissen, aber irgendwas in mir drin, schien sicher zu sein. Schien sich entschieden zu haben.

Er sagte nichts. Nervös schlossen sich meinen Finger noch fester um seine. Ich tat ihm bestimmt weh, und doch hätte ich partout nicht loslassen können. Allerdings schien es ihn nicht zu stören, zumindest unternahm er keinen Versuch, etwas dran zu ändern.

„Wenn du das möchtest ...", sagte er irgendwann schlicht und erlöste mein stillstehendes Herz. „Du solltest nur mit Debby aufpassen und sie nicht mehr nehmen und drücken. Sonst zerkratzt sie dir irgendwann tatsächlich dein hübsches Gesicht."

Automatisch bei seinen Worten hob ich meine freie Hand und betrachtete die feinen Linien, die immer noch rot auf meiner Haut leuchteten. Die eigentlich weh tun sollten, aber ich spürte rein gar nichts. Fühlte mich regelrecht in Watte gepackt. Ich sollte wohl wirklich aufpassen, dass ich mir tatsächlich nicht noch mehr weh tat. Kreiste es als Gedanke in meinem Kopf. Und kurz war ich mir nicht sicher, ob es nur die Katze meinte. Doch statt mir weiter Gedanken zu machen, nickte ich und lehnte mich im Sitz zurück. Schloss die Augen und atmete tief durch.

Was hatte ich schon zu verlieren? Es war doch eh nur auf Zeit oder? Und in ein paar Wochen, höchstens Monaten, je nach dem in welchem Ausmaß die Promotour ablaufen würde, würden sich unsere Wege wieder trennen. Und Luca mich wieder vergessen.

Luca & Akira - love me, if you dare Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt