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POV: Lukas // Alligatoah

Es war Sonntag, in einem dickeren Pullover saß ich auf der Terrasse meiner Wohnung und blickte über die mittlerweile kahlen Baumkronen von Berlin. Jessica nahm ihren Termin mit Herrn Findeisen wahr, da es um alle betriebsinternen Details ging, begleitete ich sie nicht. Ich schloss meine Augen, um die wahrscheinlich letzten warmen Sonnenstrahlen für das Jahr genießen zu können, doch natürlich sollte diese Ruhe nicht lange anhalten. Mein Handy begann zu klingeln, Basti rief mich an. Er erzählte mir, dass Michael und Stefan einen Featuregast suchen würden zu einem halbfertigen Song, der perfekt auf meine Musik zugeschnitten wäre. Basti würde zeitnah den Kontakt herstellen und mit der Information, dass der Song dieses Jahr noch erscheinen sollte, beendete er das Telefonat. "Pff... Witzig Basti... Was ist denn überhaupt Thema?", säuselte ich und blickte auf den schwarzen Bildschirm meines Handys, er leuchtete kurz auf. - Was hat er denn vergessen? - Ich öffnete den Chat bei WhatsApp und spielte seine Sprachnachricht ab. "Übrigens, Mach One will dich auch für sein Projekt, das ist alles schon fertig, aber dem ist noch 'ne Idee gekommen und will das noch draufhauen. Sei bitte am Dienstagnachmittag um zwei im Studio, Chris wird da alles mit dir durchgehen." - Ja Basti... immer gern... - Ich war leicht im Zwiespalt, einerseits war ich froh, dass ich mich an Projekten von anderen Künstlern beteiligen konnte, aber dass Basti diesmal einfach über meinen Kopf hinweg entschieden hatte, fand ich nicht so prickelnd. Es ging auf das Ende des Jahres zu, dass jetzt mal so zwei Projekte beendet werden sollten, stand eigentlich nicht mehr auf meinem Plan.

Ich verweilte noch einige Zeit auf der Terrasse, bis die Dämmerung einzutreten begann, ein Blick auf die Armbanduhr verriet, dass es mittlerweile kurz nach sechs Uhr am Abend war. - Wo bleibt sie denn nur? - Seitdem Jessica um halb zwei meine Wohnung verlassen hat, schickte sie mir nur eine Nachricht, dass sie gut an der Werkstatt angekommen war. Weit weg konnte ich selbst nicht, da ich ihr meinen Wagen geliehen hatte. Ich konnte gar nicht wirklich in meinen Gedanken versinken, da mein Handy wieder zu klingeln begann. - Wer ist das denn? -

"Strobel, Guten Abend.", sagte ich sanft.
"Guten Abend Herr Gatoah, wenn wir uns vorstellen dürfen... die KLAN-Brüder.", ich schmunzelte leicht. Je mehr die Sonne am Himmel verschwand, umso kühler wurde es. Ich stand von meinem Sitzmöbel auf und ging in das Wohnzimmer.
"Freut mich, von euch zu hören; Basti hat mir nur mitgeteilt, dass ihr noch einen Partner braucht und der Song zu mir passen könnte... Was darf ich mir denn darunter vorstellen?"

Die Jungs stellten mir ihr Songkonzept vor, den bisher verfassten Text, auch eine kurze Idee, die meinen Part betreffen sollte. "Seid mir nicht böse, aber meinen Part schreibe ich selber. Wenn ich etwas habe, melde ich mich.", ich beendete das Telefonat, legte mein Handy auf dem Couchtisch vor mir ab und sah auf die kleine dunkle Standuhr auf der Kommode. - 18:52 Uhr - "Verdammt, Jessica, wo bist du denn nur?", stieß ich beunruhigt aus. "Alexa, spiel meine Lieblingssongs von Spotify.", ich versuchte mich abzulenken, versuchte sie anzurufen, doch das Handy war aus, nervös lief ich durch meine Wohnung.

"Open your eyes, open your mind
Proud like a god, don′t pretend to be blind
Trapped in yourself, break out instead
Beat the machine that works in your head..."

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich die Wohnungstür ins Schloss fallen und Jessica betrat das Wohnzimmer, nachdem sie ihren Mantel abgelegt hatte. "Guten Abend, Herr Strobel", sagte sie, kam auf mich zu und gab mir einen zärtlichen Kuss. "Wo hast du denn so lange gesteckt?", fragte ich erleichtert. "Ich weiß, dass ich lange weg war...", Jessica lief zurück in die Richtung des Flurs. "Aber...", im Türrahmen drehte sie sich noch einmal und baute Spannung auf. "Zur Feier des Tages habe ich bei Fröhlich noch Kuchen besorgt und von da aus fährt man eben noch eine halbe Stunde bis Neukölln.", lachte sie mich an, als sie mit einer Papiertüte zurückkam. "Du treibst mich wirklich noch in den Wahnsinn...", schüttelte ich schmunzelnd den Kopf. "Käsekuchen?", mit einem breiten Grinsen sah ich sie an. Ohne mir zu antworten, lief Jessica in die Küche, ich stand vom Sofa auf und stellte mich in den Türrahmen. "Also haben wir heute Winklers zwei Punkt null zu feiern?", mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich sie an. Jessica grinste leicht und nickte. "Ab April werde ich die Werkstatt, samt Kundenstamm, Arbeitnehmer, Bestände und Co übernehmen.", sie reichte mir einen Teller mit einem Stück vom Kuchen. "Super, ich freue mich für dich.", ich nahm ihr den Teller ab. "Danke schön. Was hat denn so lange gedauert, dass du jetzt erst hier bist, oder warst du etwa die letzten vier Stunden beim Bäcker?", ich kratzte mich am Hinterkopf. "Na ja... Linda und ich haben uns noch einen Kaffee gemacht und gequatscht, was halt in den letzten dreizehn Jahren passiert ist. Was hast du denn heute gemacht?", ich hatte bereits den ersten Bissen des Kuchens genommen. "Basti hat mir Arbeit organisiert... KLAN wollten ein Feature, das soll ich werden, meinen Part muss beziehungsweise will ich selbst schreiben. Am Dienstag soll ich mich noch mit Chris im Studio treffen, weil er mich auch noch für sein Projekt will.", erzählte ich.
"KLAN?! Oh, ich liebe die zwei, würdest du sie unbekannterweise von mir grüßen?", lachte Jessica. "Worum geht es denn in eurem Song?" Mit großen Augen sah sie mich an. "Das wüsstest du wohl gern, lass dich überraschen... er soll noch dieses Jahr veröffentlicht werden." Ihre Augen wurden größer, sie wirkte aber eher erschrocken. "Mäuschen, alles gut. Ich muss ja jetzt kein Album aus dem Ärmel schütteln."

Den Abend konnten wir dennoch nicht so einfach ausklingen lassen; wir mussten noch zurück nach Göttingen fahren, sodass Jessica am nächsten Tag zur geplanten Spätschicht antreten konnte. Wir vernichteten den Kuchen, packten ihre Sachen zusammen und fuhren los. Da wir beide, außer dem Kuchen, nichts zu Abend gegessen hatten, machten wir unterwegs am Drive-in einen kurzen Halt.
Ich parkte meinen Wagen gegen ein Uhr vor Jessicas Haus und blieb bei ihr.

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt