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POV: Jessica

Lukas und ich saßen am zweiten Weihnachtsfeiertag am Esstisch in meinem Wohnzimmer; das Mittagessen war soeben beendet und wir ließen die vergangenen Tage noch einmal Revue passieren. Mein Blick wechselte häufig zwischen ihm und dem von ihm geschmückten Weihnachtsbaum; zufrieden schwenkte er ebenfalls zu dem grünen Baum über. "Er sieht so prächtig aus, dass ich davon nichts mitbekommen habe.", sagte ich.
"Du hast am Weihnachtsmorgen so tief und fest geschlafen. Nicht mal die Nase hast du gerümpft, als mein Wecker geklingelt hat.", Lukas griff nach seinem Tee, der über dem oberen Rand des Tellers stand.
"Es waren wirklich unbeschreiblich schöne Tage gewesen. Ein schöneres Weihnachtsfest hätte ich mir nicht wünschen können.", ich begann langsam den Tisch abzuräumen und sortierte das Geschirr in die Spülmaschine.

"Kein Funken Charme - Nur ein dreckiges Lächeln
 so hast du mein Herz gestohlen – das perfekte Verbrechen
In meiner Brust, kann man Schätze entdecken..."

Mein Handy begann zu klingeln, nach der Geburtstagsfeier von Basti hatte Lukas sich die Mühe gemacht und mir das Lied als MP3 noch einmal eingesungen. Nach mehr als acht Jahren hatte er es geschafft, dass ich mich von meinem geliebten Klingelton von Slipknot abbringen ließ. Ich nahm mein Handy vom Sideboard unterhalb des Fernsehers und sah, dass meine Mutter per FaceTime anrief.
"Hallo Mama, na wie geht es euch?", fragte ich freudig.
"Super, mein Schatz, es ist wirklich unglaublich schön. Das war wirklich eine sehr gute Idee von uns gewesen.", meine Mutter sah so erholt aus, wie seit Jahren nicht. Der letzte Urlaub außerhalb Deutschlands, war kurz nach meinem 18. Geburtstag, als wir nach Schottland gereist waren.
"Jessica, mein Kind. Du glaubst nicht, was deine Mutter getan hat. Sie hat sich komplett die Haut versaut.", sagte mein Vater theatralisch im Hintergrund. Anscheinend saßen sie gerade im Außenbereich einer Lokalität. Stutzig blickte ich in die Kamera und wartete auf eine Reaktion meiner Mutter.
"Schau mal, was ich mir vorgestern habe machen lassen.", stolz bewegte sie ihr Handy. Auf ihrem linken Oberarm war eine Palme in Schwarz abgezeichnet.
"Mutter... Bist du närrisch... Das bekommst du doch nie wieder weg!", begann ich zu sprechen. "Was ist, wenn dir das in zwanzig Jahren nicht mehr gefällt. Mach dich doch vorher darüber schlau, wie hoch die Kosten beim Lasern sind."
Ich begann zu lachen, meinen Vater und Frank hörte ich ebenfalls im Gelächter ausbrechen. Lukas sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, ich winkelte meinen Arm an und drehte ihn. Er nahm die Antwort wahr und schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf.
"Ich habe noch versucht, sie davon abzubringen.", lachte mein Vater.
"Tja, weil reine Haut reinhaut.", warf Elisa trocken ein. Ich verdrehte leicht meine Augen und presste meine Lippen aufeinander. Meine Mutter lächelte leicht.
"Wie kam es denn dazu?", fragte ich interessiert.
"Wir haben am Strand unseren Lieblingsplatz gefunden, jeden Tag liegen wir dort. Ich habe ein Foto von der Palme gemacht und mir ein Tattoostudio gesucht, da ich ein etwas anderes Andenken haben wollte.", meine Mutter sah mich wieder glücklich und zufrieden an.
"Soll ich dir noch etwas verraten?", fragte ich.
"Immer, mein Schatz."
"So beginnt die Sucht.", ich zog meine Augenbrauen nach oben.
"Solange deine Mutter jetzt kein anderes Laster trägt, kann ich gut damit leben.", warf mein Vater ein. Mit einem Schmunzeln verdrehte ich wieder meine Augen. "Ist Lukas auch da?", fragte er.
"Ja, warte.", ich ging zu Lukas, der noch auf dem Stuhl am Esstisch saß.
"Da ist ja mein liebster Schwiegersohn in spe.", sagte mein Vater und winkte durch die Kamera. Meine Eltern hatten Lukas genauso gut in der Familie aufgenommen, wie meine Verwandtschaft aus Berlin, wenn nicht sogar besser. Nie zuvor sagte mein Vater solche Worte, sogar bei Niklas war solch eine Aussage nie gefallen.
"Hallo Marcus, Hallo Jeanine. Ihr seht erholt aus.", merkte er an und lächelte in die Kamera meines Handys.
"Gut, dass man uns das schon ansieht. Wir haben ja auch noch vier Tage, an denen wir genug Vitamin D tanken können."
"Bringt ihr uns davon etwas mit?", fragte Lukas mit einem gespielt wehleidigen Blick. Meine Mutter sah kaum noch in die Kamera, sondern blickte über ihr Handy hinweg.
"Würden wir gern, Junge. Was wir höchstens vorschlagen könnten, wäre, dass ihr nachkommt.", lachte mein Vater.
"Sehr verlockend, Marcus, aber wir brechen ja auch übermorgen schon nach Kufstein auf."
"Lasst bitte das Haus stehen.", sagte mein Vater mit erhobenem Zeigefinger.
"Ja Papa...", sagte ich.
"Ihr seid super.", erwiderte er. Durch das Telefon hörte ich Elisa laut atmen; sie ließ sich entschuldigen.
"Was hat Elisa schon wieder?", fragte ich meine Mutter. Frank nahm meiner Mutter das Handy aus der Hand und sah uns durchdringend an.
"Es ist wegen Tim...", sagte Frank bedrückt. "Sie stellt sich meiner Meinung nach komplett quer, ihn zu mögen, geschweige denn ihm eine Chance zu geben. Ich mag ihn sehr, ich glaube, keiner hat Ena bisher so auf Händen getragen wie dieser Mann. Sie hat auch in seine Musik hineingehört und denkt jetzt, dass Ena abrutschen wird. Lukas, ich möchte deinen jahrelangen Freund auch nicht in ein schlechtes Licht rücken, gar dass du ein schlechtes Bild von uns bekommst."
"Alles gut, aber Elisa sollte ihm wenigstens eine Chance geben. Wenn ihr es nochmal mit seiner Musik versuchen wollt, Punkte zu sammeln, hätte ich ein paar Einfälle. Ich weiß ja nicht, was sie sich angehört hat. Ein sehr schönes Lied von ihm ist damals noch unter dem Projekt Pimpulsiv erschienen; es heißt 'elf weiße Tauben'. Ein aktuelleres Lied ist von seinem letzten Album, wäre beispielsweise 'wenn ich könnte'.", den Gedanken von Lukas konnte ich nur unterstützen.
"Habt ihr auch zusammen ein paar Lieder aufgenommen?", fragte Frank interessiert.
"Ja, über Tim bin ich zu Trailerpark gekommen. Wir haben uns damals über das Internet kennengelernt und zusammen 'Trostpreis' aufgenommen, würde ich aber an dieser Stelle vielleicht nicht empfehlen.", lachte Lukas leicht.
"Ist das das Lied mit dem Toaster?", warf mein Vater dazwischen. "Das hat Jessica vor zehn Jahren rauf und runter gehört, jeden Tag."
"Danke, Papa... Ach Mensch, so spät schon, ihr wollt doch bestimmt wieder eure Ruhe haben.", schnell zog ich mein Handy von Lukas weg und sah errötet auf den Bildschirm.
"Alles gut, aber Elisa kommt gerade wieder zurück. Danke für die Tipps, habt noch eine schöne Zeit und lasst es krachen.", sagte Frank. Im Hintergrund verabschiedeten sich meine Eltern von uns, der Bildschirm meines Handys wurde dunkel.

"Seit wann ist dir dein Dasein als Fangirl vor mir peinlich?", fragte er und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Mit einem breiten Grinsen und noch immer geröteten Wangen sah ich ihn an. 

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt