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POV: Jessica

Mit dem Fahrstuhl fuhr ich in die dritte Etage des Krankenhauses. Steven hatte mich angerufen, nachdem Melina auf dem Friedhof das Bewusstsein verloren hatte. Ich lief aus dem Fahrstuhl heraus und sah Steven bereits auf einem der Stühle sitzen, die auf der Mitte des Ganges platziert waren. "Hey, ich bin so schnell ge...", begann ich meinen Satz, doch Steven stand auf, als er mich sah und zog mich in eine feste Umarmung, sobald ich vor ihm stand. "Danke.", flüsterte er in mein Ohr, ich strich ihm über den Rücken. Er ließ von mir ab, mit einem mitfühlenden Blick sah ich ihn an und strich über seinen Oberarm. "Wird sie gerade untersucht?", Steven nickte, setzte sich wieder auf den weißen Stuhl, neben ihm nahm ich Platz. "Was ist denn genau passiert?", fragte ich und sah gebannt auf sein Profil. "Sie ist auf dem Friedhof nach der Beerdigung umgekippt, weil plötzlich ihr Erzeuger vor uns stand.", ich riss meine Augen auf und dachte mich verhört zu haben. "Also er hatte sich vorgestellt und danach ist sie...", Steven atmete tief durch und blickte auf den Boden. "Hat sie nie etwas von einem Vater erzählt?", fragte ich vorsichtig, doch Steven schüttelte wieder nur mit seinem Kopf. "Willst du mal an die frische Luft? Vielleicht tut dir das ganz gut.", wieder sprach ich sehr vorsichtig, aber er nickte stumm. Die Schwester meinte, dass es mindestens noch eine halbe Stunde dauern würde, also begaben wir uns nach unten vor das Krankenhaus.

"Beschäftigt dich noch etwas anderes?", fragte ich Steven und gab ihm eine Zigarette aus meiner Schachtel heraus.
"Warum?", er kratzte sich am Hinterkopf und nahm mir anschließend das Feuerzeug ab.
"Wenn ich gerade in deine Augen sehe, springt mich diesmal nicht Pikachu an.", sagte ich vorsichtig und schenkte ihm ein kleines Lachen.
"Wenn ich darüber nachdenke, dass er wirklich ihr Vater ist, dann erklären sich mir die Träume, die sie seit der Begegnung im Café hatte.", er nahm einen weiteren Zug von der Zigarette. Steven begann mir von den Träumen zu erzählen, als er plötzlich innehielt. Er starrte auf einen Herrn, augenscheinlich um die 50, der sich uns näherte.
"Was ist denn?", fragte ich leise.
"Das ist er.", Steven sah den Herrn mit einem ernsten Blick an.

"Was wollen Sie hier?", fragte er recht streng.
"Ich weiß, es war wohl nicht die feine englische Art, in das Leben meiner Tochter zurückzukehren, aber ich muss mich erklären.", begann der Herr zu sprechen.
"Denken Sie wirklich, dass das Krankenhaus geschweige denn ein Friedhof dafür der angemessene Ort sei?", fragte ich vorsichtig, der Herr wirkte sehr verzweifelt.
"Beim besten Willen nicht, aber ich wusste doch nicht, wie ich sonst mit ihr in Kontakt treten könnte.", er senkte seinen Kopf.
"Woher sollen wir überhaupt wissen, ob Sie wirklich der Vater von Melina sind?", fragte Steven, immer noch blickte er ernst.
"Ich bin auch zu einem Vaterschaftstest bereit, wenn Melina mich kennenlernen möchte. Hier...", er reichte Steven einen Zettel, auf dem eine Handynummer notiert war. "Sie kann mich jederzeit anrufen, egal um welche Uhrzeit. Pass mir bitte gut auf sie auf.", sagte er, kehrte uns seinen Rücken zu und lief wieder zurück in die Richtung, aus der er kam.

Steven und ich hatten uns wieder in das Krankenhaus begeben und auf der dritten Etage Platz genommen. Stumm sah er den Zettel an, den er von dem Herrn in die Hand gedrückt bekommen hatte. Er würde sich für Melina wünschen, dass es ihr Vater wäre, je mehr er darüber nachdachte, umso mehr begann er zu hinterfragen, was mehr als verständlich war. "Herr Matyssek?", eine Schwester kam aus dem Zimmer heraus und rief Steven auf. Sofort hob er seinen Kopf und machte auf sich aufmerksam. Die junge Frau kam freudig auf uns zu und sprach zu Steven. "Frau Wieczorek ist über den Berg und sie können mit ihr heute noch nach Hause fahren. Sie hat mir die Erlaubnis erteilt, Sie über die Diagnose in Kenntnis zu setzen. Der Kollaps war die Folge einer Panikattacke; Frau Wieczorek hatte mich ebenfalls darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie seit Beginn des Jahres ihre Medikamente abgesetzt hatte. Die Panikattacke war situationsabhängig, laut ihrer eigenen Aussage, was genau vorgefallen ist, hat sie mir allerdings nicht erzählt.", sagte die Schwester, ein erwartungsvoller Blick lag auf Steven. "Wir waren bei der Beerdigung ihrer Großmutter, bei ihr ist sie aufgewachsen.", sagte Steven ruhig, sein Blick war besorgt. "Oh, mein Beileid.", die Krankenschwester legte einen besorgten Gesichtsausdruck auf, doch ihre Augen sahen uns gelangweilt an. "Wie gesagt, wenn Frau Wieczorek aus dem Behandlungszimmer kommt, können Sie den Heimweg antreten. Ich wünsche alles Gute, Super Sudden.", sie zwinkerte Steven zu, doch das tangierte ihn nicht; genervt verdrehte er die Augen und ging an der Schwester vorbei in das Behandlungszimmer.

Steven hatte Melina beschützend im Arm, die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Melina wirkte noch ein bisschen gerädert, war aber ganz bei Bewusstsein; zufrieden umarmte sie mich und bedankte sich bei mir, dass ich für Steven da war. "Kannst du uns vielleicht noch nach Hause fahren, Jessie? Wir hatten für den Weg zum Friedhof die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt.", ich nickte stumm und wir liefen auf den Fahrstuhl zu. 

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt