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POV: Jessica

Die vergangenen Tage verbrachte ich nur im Bett, während Lukas die beste Pflege überhaupt an den Tag legte. Noch am Montag war er allein in meine Wohnung nach Göttingen gefahren, um Kleidung für mich zu holen. Ebenfalls hatte er gleich persönlich meinen Krankenschein in der Werkstatt abgegeben. Bis zum späten Abend war er an diesem Tag unterwegs gewesen; in der Zeit hatte meine Tante auf mich aufgepasst, da Lukas nicht wollte, dass ich im Notfall allein gewesen wäre.

Ich wachte am Freitagmittag auf, es war die erste Nacht, die ich seit Beginn der Mandelentzündung durchgeschlafen hatte. Langsam setzte ich mich auf und putzte mir mit einem Taschentuch meine Nase. Noch immer leicht gerädert stand ich aus dem Bett auf, um mir frische Kleidung aus dem Kleiderschrank zu nehmen; Lukas hatte mir extra ein Fach freigeräumt. Vorsichtig richtete ich meine Seite des Bettes wieder her und trat aus dem Schlafzimmer heraus. Lukas stand mit seinem Schlüssel und der Post in der Hand im Flur und lächelte mich an. "Da ist jemand von den Toten erwacht...", grinste er mich leicht an. "Du siehst ja schon mal besser aus als die letzten Tage." Wie geht es dir denn?" Lukas legte die Briefe und den Schlüssel ab, kam zu mir und legte seine Arme an meine Hüften.
"Auf jeden Fall schon besser, aber diese Halsschmerzen und dieser schmerzhafte Husten machen mich total fertig. Meine Lymphknoten sind immerhin nicht weiter angeschwollen. Bei so einer guten Pflege war der Weg der Besserung aber auch absehbar.", ich lächelte ihn glücklich an und wir küssten uns. "Ich denke aber nicht, dass ich am Dienstag mit zu Steven fahren kann.", sagte ich bedrückt.
"Ich denke, er wird es verstehen, aber wenn es dir nicht gut geht, bleibe ich auch hier.", Lukas strich mir über meine Haare.
"Vergiss es, nach allem, was war, will ich nicht, dass du meinetwegen noch die Freundschaft vernachlässigst... Es ist immerhin sein Geburtstag."
"Stimmt auch wieder... Mist, ich muss noch ein Geschenk besorgen." - Geschenke... ah fuck... -
"Scheiße... bei allem, was in den letzten Wochen war, habe ich vergessen, Weihnachtsgeschenke zu kaufen.", ich war erschrocken von mir selbst und stieß mir an den Kopf. "Was wünschst du dir eigentlich, Schatzl?", lachte ich leicht.
"Also erstens bin ich wunschlos glücklich, wir schenken uns einfach nichts. Wenn ich dir eine Freude machen will, brauche ich dafür kein vorbestimmtes Datum. Die Geschenke besorgen wir einfach nächste Woche zusammen. Es ist zwar wirklich etwas knapp, aber da sollte es dir auch soweit wieder gut gehen, wenn das jedenfalls so weitergeht.", Lukas klang zuversichtlich, was mich sehr beruhigte. "Entweder am Montag vor Stevens Geburtstag oder dann am Tag danach."
"Ich würde sagen, Montag, dann musst du auch nicht zweimal los."
"Klingt gut.", sagte er und küsste meine Stirn.

Die Mittagszeit ging ruhig an uns vorbei. Lukas bereitete das Mittagessen für uns zu, während ich unter der Dusche war und mich fertig machte. "Langsam fühle ich mich wieder wie ein Mensch.", lachte ich ihn an, als ich aus dem Badezimmer kam und im Türrahmen der Küche stand.

"Das ist schön zu hören, Mäuschen. Ich glaube, jemand hat versucht, dich anzurufen, als du unter der Dusche warst.", er zeigte auf mein Handy, welches noch auf dem Esstisch lag.
"Hast du gesehen, wer es war?", fragte ich, während ich meine Haare mit dem Handtuch trocknete.
"Die Nummer war jedenfalls nicht eingespeichert, aber aus Berlin.", sagte er und rührte weiter in dem kleinen Topf.
"Ähm... okay...", ich nahm mein Handy vom Tisch und lief ins Wohnzimmer. Ich setzte mich auf das Sofa und wählte die Nummer, welche versucht hatte, mich zu erreichen.

Das Freizeichen erklang.
"Hausverwaltung Lorenz, Sie sprechen mit Frau Engel.", eine zierliche Stimme erklang am Hörer meines Telefons.
"Schönen guten Tag, Frau Engel. Mein Name ist Jessica Winkler, Sie haben versucht, mich in der letzten Stunde zu erreichen."
"Ja, guten Tag, Frau Winkler, vielen Dank für Ihren Rückruf. Sie waren am Wochenende bei der Besichtigung dabei und Herr Lorenz würde Ihnen die Wohnung vermieten. Ab April würde der Mietvertrag gelten und ab Mitte März erhalten Sie die Schlüssel, wenn Sie unterschreiben. So haben wir es Ihren Unterlagen entnommen.", pure Freude durchstreifte jede noch so kleine Kapillare meines Körpers. Ich sah Lukas, der mir aus der Küche einen fragenden Blick zuwarf.
"Vielen Dank für die guten Neuigkeiten, wie verbleiben wir nun?", fragte ich zur Absicherung nach.
"Wir senden Ihnen innerhalb der nächsten vier Wochen unseren Mietvertrag zu, diesen lesen Sie bitte in aller Ruhe durch und senden ihn unterschrieben an uns zurück. Schlüsselübergabe und weiteres wird im März oder nach Absprache stattfinden.", ich stand vor dem Sofa, weil ich mich vor Freude nicht mehr auf dem Polstermöbel halten konnte.
"Sehr gut, ich freue mich, von Ihnen zu hören beziehungsweise zu lesen. Schöne Feiertage und einen guten Start in das neue Jahr wünsche ich Ihnen.", Lukas stand mittlerweile vor mir im Wohnzimmer und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Vielen Dank, Frau Winkler. Dasselbe wünsche ich Ihnen auch. Auf Wiederhören.", Frau Engel beendete das Telefonat.

"Was sind denn die guten Neuigkeiten?", fragte Lukas und sah mich erwartungsvoll an.
"Ich hab die Wohnung!", ich sprang quasi auf ihn zu und fiel ihm vor Freude um den Hals. "Oh Mann, ich... Ich muss meinen Mietvertrag kündigen... Ich habe drei Monate Kündigungsfrist... Und... Und ich muss schauen, wie ich meine Möbel nach Berlin bekomme... Und ich..."
"Psst...", Lukas hielt mir den Mund zu, seine andere Hand lag auf meiner Schulter. "Atmen nicht vergessen...", er nahm seine Hand von meinem Mund und ganz demonstrativ atmete ich tief ein und aus. "Geh das jetzt alles ruhig und geordnet an, Mäuschen. Du isst jetzt erstmal etwas, dann kannst du dich gern mit meinem Laptop auf die Couch setzen und in Ruhe die Kündigung schreiben. Den Rest kannst du auch im neuen Jahr organisieren, du brauchst schließlich immer noch Ruhe.", mit seinem ruhigen Ton hatte er mich komplett in seinen Bann gezogen und mich beruhigt. Ich nickte zufrieden, legte meine Hände an seine Taille und hob meinen Kopf, um Lukas einen zärtlichen Kuss zu geben. 

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt