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POV: Sudden // Steven

"Wenn es sein muss lauf' ich nochmal diese Hunderttausend Meilen
(Hunderttausend Meilen, diese Hunderttausend Meilen)
Ich komm bei dir vorbei, halt' 'n Platz für mich frei
Auf deiner Wolke, denn ich wollte immer nur bei dir sein..."

Mit dem Beutel vom Supermarkt betrat ich den Altbau, in dem ich lebte; durch das Treppenhaus hallte die Stimme von Timi. - Was geht denn hier ab? - Mit jeder weiteren Stufe, die ich nach oben lief, wurde die Musik lauter. Ich schloss meine Wohnungstür auf, um meinen kleinen Einkauf im Flur abzustellen. - Das kommt doch aus der Wohnung von Melina... - Ich lief eine Etage weiter hoch und klingelte an ihrer Tür. Erst nachdem ich laut an die Tür geklopft hatte, öffnete sie mir wieder mit einem traurigen Blick die Wohnungstür.
"Bin ich zu laut?", fragte sie. Ihre Arme verschränkte sie hinter ihrem Rücken und sah zu mir hoch.
"Na ja, ich weiß ja nicht, ob Timi für das Konzert eigentlich Eintritt verlangen wollte.", lachte ich leicht.
"Was willst du?", wehleidig sprach sie zu mir.
"Ich will wissen, was mit dir los ist.", ich war sehr besorgt um sie.
"Steven... du würdest das nicht verstehen...", Melina schüttelte leicht den Kopf.
"Dann erkläre es mir. Ich frage mich ständig, was in deinem hübschen Köpfchen vor sich geht.", laut und schwer atmete sie durch und rümpfte die Nase. Widerwillig öffnete sie weiter ihre Tür und bat mich so herein.

Mit einer schwarzen Strickjacke aus dem Flur kam sie in das Wohnzimmer, ich saß bereits auf ihrem Sofa, vor mir auf dem Couchtisch stand ihre Bong. Melina lief auf ihre Bluetoothbox zu und schaltete sie aus. Mit gesenktem Kopf kam sie auf mich zu und setzte sich ebenfalls auf ihr Sofa. "Also?", fragte ich vorsichtig.
"Was willst du jetzt von mir hören, Steven?", langsam lief ihr eine Träne aus dem Auge, welche sie mit dem Ärmel der Strickjacke wegwischte.
"Ich würde jetzt sagen alles, weil ich nur eine kaputte Frau sehe und mich frage, warum sie versucht eine wohl sehr große Last alleine anzupacken.", nervös sah sie mich an.
"Steven, ich will dich nicht runterziehen, geh bitte einfach wieder und lass mich..."
"Nein, ich lasse dich in deiner Verfassung nicht alleine... Ich habe es damals auch nicht alleine aus diesem Loch geschafft und werde ich dich nicht weiter fallen lassen.", wieder lief ihr eine Träne aus dem Auge, welche ich mit meinem Daumen wegwischte.
"Du bist wirklich hartnäckig..."
"Ich will für dich da sein, weil mir dein Kummer Sorgen bereitet und wenn du mir hier deine Lebensgeschichte erzählst.", Melina rümpfte die Nase. Wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen, sie atmete tief durch und sah mir direkt in meine Augen.

"Meine Oma ist am Nikolaustag verstorben... Sie war schwer krank und hat einen langen Leidensweg hinter sich.", Melina stand auf und holte die Taschentuchbox von der Kommode gegenüber.
Als sie wieder neben mir saß, zog ich sie fest an mich heran und drückte mein Beileid aus. "Ich bin bei ihr aufgewachsen, ich habe auch nur sehr wenige Erinnerungen an meine Mutter. Sie starb, als ich acht Jahre alt war. Meine Mutter hatte mich eines Morgens zur Grundschule gefahren und am Nachmittag wurde ich von meinen Großeltern abgeholt, seit dem besagten Morgen habe ich sie nicht mehr gesehen. Jetzt habe ich niemanden mehr...", ich spürte ihren starken Schmerz. Unkontrolliert liefen Tränen über ihre Wangen, welche sie versuchte mit Taschentüchern zu trocknen.
"Du bist doch nicht alleine...", versuchte ich ihr gut zuzureden.
"Jetzt bist du vielleicht gerade da, aber du wirst dich auch noch früh genug von mir abkapseln.", sie schrie mich beinahe an, löste sich aus meinen Armen, stürmte auf ihr Badezimmer zu und sperrte sich ein. Ich atmete tief durch, stand vom Sofa auf und lief auf das Badezimmer zu. "So lasse ich dich erst recht nicht alleine, Liebes.", sagte ich sanft, nachdem ich an die Tür geklopft hatte und setzte mich im Schneidersitz vor das Badezimmer, mit meinem Rücken lehnte ich an der Tür.

Ich weiß nicht, wie lange ich vor der Badezimmertür gewartet habe. Nach einiger Zeit knackte der Riegel und ich stand vom Holzboden auf. Melina öffnete mir die Tür und setzte sich wieder auf den Rand der Badewanne. Ich betrat das Badezimmer, setzte mich neben sie und legte meinen Arm über ihre Schulter, ihren Kopf legte sie auf meine. "Es tut mir leid... Ich habe so viel scheiße in meinem Leben durch... Und dann kommst du... Du kennst mich kaum und siehst mir an, dass es mir scheiße geht... Ich bin es nicht mehr gewöhnt, dass sich jemand für meine Probleme interessieren könnte.", ich zog sie fester an mich heran und hauchte einen sanften Kuss auf ihren Haaransatz.

Wir verweilten einige Zeit im Badezimmer, ich hatte das Gefühl, sie mit meiner Nähe stärken zu können. "Steven?", fragte sie ruhig und hob ihren Kopf. "Magst du einen Kaffee?", ein leichtes Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit. "Sehr gern.", nickte ich zufrieden, sie erhob sich langsam und lief aus dem Badezimmer. Ich blickte ihr noch hinterher und atmete tief durch. Langsam erhob ich mich ebenfalls vom Rand der Badewanne, auf dem Waschbecken, auf der anderen Seite des Raumes fiel mir ein Blister mit Tabletten auf. Einen Schritt setzte ich auf das Waschbecken zu und blickte kurz darauf. *Sertralin*

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt