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POV: Jessica

Am Samstagmorgen wachte ich in dem Haus von Ena und Tim, im Gästezimmer, auf. Die Nacht war eher unruhig gewesen, jeder Tag bereitete mir mehr Kopfzerbrechen, wegen der Firmenübernahme. Was mir natürlich auch keine Ruhe ließ, war der Vorschlag von Ena, dass Melina ebenfalls bei mir anfangen könnte. Langsam erhob ich mich aus dem Bett, zog mir meine Jogginghose an und band meine zerzausten Haare mit einem Haargummi zusammen. Leise lief ich den Flur entlang und die Treppen in die untere Etage herunter. Tim stand in der Küche und wartete darauf, dass sein Kaffee fertig werde. "Guten Morgen.", sagte ich ziemlich wach, mit leicht kratziger Stimme. "Hmm... Morgen...", grummelte er verschlafen und sah mich muffelig an. "Auch einen?", fragte er und gähnte. Mit einem leichten Lächeln nickte ich, Tim nahm seine Tasse aus der Maschine und stellte eine neue rein. Ich setzte mich ins Wohnzimmer auf das Sofa und nahm mein Handy, was noch auf dem Couchtisch lag. Auf dem Bildschirm wurden mir ein paar Nachrichten angezeigt, zuerst las ich die, von meiner Tante.

"Huhu, wann bist du das nächste Mal
in der Heimat? Ich würde meinen
Geburtstag nachfeiern wollen.
Wie spontan seid ihr?"

Ein Lachen huschte über mein Gesicht und begann die Nachricht einzutippen.

"Huhu, ich fahre dann von Bielefeld
aus zu Lukas, also bin ich spätestens
heute Abend in der Stadt."

Ich schickte die Nachricht ab und öffnete den Chat mit Lukas, jede Nachricht von ihm stimmte mich glücklich.

"Guten Morgen, mein Schatz.
Ich hoffe, du hattest eine angenehme
Nacht im Hause Fabeck/Weitkamp.
Gegen Mittag werde ich von Potsdam
aus wieder nach Hause fahren.
Ich freue mich sehr auf dich.
Bis später, ich liebe dich."

Tim kam mit den zwei Tassen in das Wohnzimmer und stellte sie auf dem Couchtisch ab, mein Handy legte ich wieder weg. Er hob den Aschenbecher von der Zwischenablage des Tisches auf die Platte und griff nach der Zigarettenschachtel auf dem Tisch, geöffnet hielt er mir sie entgegen und ich zog mir eine der Zigaretten heraus. Tim nahm den ersten Schluck aus der Tasse, steckte sich die Zigarette an den Mund und zündete sie an. "So... jetzt bin ich ansprechbar.", lachte er und atmete den Rauch aus. Augenrollend schüttelte ich amüsiert den Kopf.

"Ihr passt wirklich zusammen, wie Arsch auf Eimer.", sagte ich und zündete mir ebenfalls die Zigarette an.
"Ey komm, Ena ist am Morgen viel schlimmer.", lachte er wieder.
"Ja ja...", ein ungläubiger Blick lag auf dem Rapper.
"So betrachtet kann ich bei euch, aber auch nichts Gegenteiliges behaupten.", erwiderte Tim. "Morgens mag ich das manchmal wirklich bezweifeln, jedenfalls wenn ich nicht aus dem Arsch komme.", er schüttelte mit dem Kopf und klopfte mit dem Zeigefinger die Asche ab.
"Du tust ihm gut, Jess. Die Tour von Lukas beginnt in fünf Wochen, es war bisher undenkbar, dass er sich die Wochenenden davor noch freihalten würde.", Tim nahm einen weiteren Zug von dem Glimmstängel.
"Ich will mir nicht vorstellen, wie groß der Druck ist beziehungsweise, wie sehr er sich selbst unter Druck setzt, mein 'kleiner' Perfektionist."
"Du bist doch nicht anders...", er zog seine Augenbrauen hoch. "Wie läuft es eigentlich mit dem Projekt Berlin?"
"Im April ist es so weit, den Vertrag habe ich im Dezember unterschrieben und die Zahlung ist auch schon geflossen. Also geschäftlich ist alles in Sack und Tüten, aber der Mietvertrag für die neue Wohnung hat mich noch immer nicht erreicht. Ich habe echt Angst, dass da irgendwas schiefgelaufen ist. Eine neue Arbeitskraft für Göttingen brauche ich auch noch.", mein Blick schweifte von Tim ab und blieb an dem Rest der Zigarette hängen.
"Vielleicht solltest du dich nochmal mit der Verwaltung in Verbindung setzen. Im Endeffekt haben sie nur vergessen, ihn loszuschicken. Ena hatte mir letztens erzählt, dass Melina..."
"Ausgebildete Mechanikerin ist? Hat sie mir gestern auch erzählt. Ich bin echt im Zwiespalt, es war schon komisch für mich, meine beste Freundin anzustellen.", mein Blick schweifte zu dem Laptop, der noch immer auf dem Esstisch lag.
"Das ist verständlich, aber wenn sie es kann...", erwartungsvoll sah Tim mich an.
"Das wäre zu unser beider Vorteil, das stimmt schon. Ich habe vor, sie in den nächsten Tagen mal zu fragen, ob das für sie überhaupt infrage kommen würde. Du musst schließlich auch bedenken, dass sie täglich einen langen Arbeitsweg hätte. Sie könnte ich nicht zu achtzig Prozent ins Homeoffice stecken, wie Ena. Ja, ich weiß auch, dass Bielefeld ein bisschen weiter entfernt ist. Melina würde täglich zweihundertdreißig Kilometer zurücklegen.", ich atmete tief durch und drückte die Zigarette in den Ascher.
"Jess, du machst dir gleich schon wieder zu viele Gedanken. Frag die Gute erstmal und dann könnte ihr über die ganzen Sachen sprechen. Klingt zwar nicht optimal, aber sie muss ja nicht in Vollzeit arbeiten und so wie ich dich kenne, lässt du dich auch auf eine flexible Einteilung der Wochenstunden ein.", er zuckte mit den Schultern.
"Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen?"
"Nachdem, was ich gehört habe, würdest du sogar so 'ne Nuss, wie mich einstellen.", ein breites Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht von Tim ab.
"Mir bringt keiner was, der viel heult, ich brauche einen Mitarbeiter, der den Motor wieder heulen lässt.", sagte ich gehässig und knuffte ihm freundschaftlich an der Schulter.
"Vielen Dank auch, dir helfe ich schon nochmal.", lachte er.
"Immer wieder gern, mein Lieber.", zwinkerte ich und lachte. "Ich werde schon jemanden finden, vielleicht wird es auch Melina werden, aber das weiß noch keiner."

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt