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POV: Frank

Meine Frau stand fassungslos im Garten von Tim und sah mich mit geweiteten Augen an.
"Frank... wie kannst du mir nur so in den Rücken fallen?", sagte sie erschrocken.
"Du wolltest hier herfahren, weil du nicht gedacht hast, dass Tim ein ordentliches Zuhause hat.", sagte ich geradeheraus und blickte an meiner Frau vorbei, zu Jessica. Beschützend hielt Lukas sie im Arm, ihre Hand lag an ihrer geröteten Wange; beide blickten Elisa an.
"Bitte? Mama, ist das dein Ernst?", Ena war außer sich, ihre Stimme war klein.
"Es tut mir leid, dass ich mir Sorgen um dich mache, mein Kind.", erwiderte sie.
"Das hat bei dir doch nichts mehr mit Sorgen machen zu tun und nur, weil du die Wahrheit nicht verträgst, muss ich jetzt dabei zusehen, wie du meiner besten Freundin eine knallst! Merkst du dich eigentlich noch?", mit jedem Atemzug wurde meine Tochter lauter, Tim versuchte sie zu beruhigen.
"Sag mal, wie redest du mit mir, ich bin immer noch deine Mutter?!", sagte Elisa laut.
"Glaubst du, dass mich das gerade interessiert? Ich liebe diesen Mann, du musst das nicht verstehen, sondern einfach akzeptieren. Ich will einfach nur, dass ihr eine Basis findet. Ich verlange auch nicht von jedem gemocht zu werden, aber ein gutes Gespräch ist viel wert. Du versuchst es ja nicht mal."
"Worüber soll ich bitte mit ihm reden?! Aus welcher Vase ich am besten Cannabis rauchen kann? Wie ich mir am besten die Zukunft verbaue?"
"Jetzt reicht's...", Tim erhob das Wort, er sprach ruhig, aber streng zu meiner Frau. "Ja, ich kiffe. Ja, ich habe auch schon einige andere Substanzen in meinem Leben konsumiert. Ja, ich habe auch keinen Schulabschluss. Aber in meinem Haus, lasse ich mich nicht beleidigen, und wenn, dann nur von Freunden oder geladenen Gästen, denn die entschuldigen sich für ihr Fehlverhalten. In diesem Sinne, Frau Fabeck... Sie finden allein heraus oder soll ich Sie begleiten?", Elisa blickte mich erwartungsvoll an, doch ich schüttelte mit dem Kopf. Sie drängte sich an uns vorbei und ließ lautstark die Tür ins Schloss fallen.

Ena und Tim liefen zu Lukas und Jessica, Ena nahm Jessica fest in den Arm.
Langsam ging ich zu der kleinen Gruppe. "Ich muss mich bei euch für meine Frau entschuldigen.", begann ich, doch Tim sprach direkt weiter.
"Frank, du hast dich in keinster Weise schuldig zu fühlen. Mir tut es eher leid, dass ich sie gerade aus dem Haus geschmissen habe.", sagte er ruhig, ein versöhnliches Lächeln lag auf seinen Lippen. Jessica sah zu mir auf und löste sich von Ena, noch immer war ihre Wange gerötet. "Hätte ich damit nicht angefangen, wäre es gar nicht so weit gekommen...", Jessica senkte ihren Kopf, ich setzte einen Schritt auf sie zu und legte meine Hand auf ihre Schulter. "Jessie, du hast das ausgesprochen, was überfällig war. Nichtmal die vorzeitige Abreise deiner Eltern hat sie zum Nachdenken gebracht. Vielleicht kommt sie langsam etwas zur Vernunft.", gekränkt nickte sie, ich nahm Jessica vorsichtig in den Arm.

Auf der Terrasse rauchten wir zusammen noch eine Zigarette, in unserem Kreis war es still. Eine kleine französische Bulldogge kam aus dem Haus getrottet und sah zu mir hoch. "Na wer bist du denn?", freudig ging ich in die Knie und strich ihm über den Kopf. "Das ist Heisenberg, Papa.", sagte Ena mit einem Lachen. "Wie der Physiker?", fragte ich interessiert. "Eher, wie Walter White.", lachte Tim und zwinkerte mir zu.
"Ist es besser, dass ich damit nichts anfangen kann?", breit grinsend nickte meine Tochter. "Und wer ist der Kleine, der es sich vor dem Couchtisch bequem gemacht hat?", durch das Fensterglas sah ich einen kleinen grauen Kater auf dem Boden liegen. "Das ist Gustavo.", antwortete Tim.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an und begann zu lachen. "Gut, der Groschen ist gefallen."

~*~

Am Abend traten Jessica und Lukas den Weg nach Göttingen an, nachdem Elisa das Haus von Tim verlassen hatte, sagte mir Jessica, dass sie mich heimfahren würde.

"Danke, dass ihr den Umweg in Kauf nehmt."
"Ach Frank, das ist doch das Mindeste. Ich hoffe, du hast noch ein ruhiges Leben im Haus, wenn du die Tür geschlossen hast.", antwortete Jessica.
"Erinnere mich bitte nicht, der Abend war doch so lustig bisher.", lachte ich leicht, amüsiert nickte Jessica. "Tut es noch weh?"
"Alles gut, ich habe schon schlim... Schatz, was hältst du eigentlich von Musik?", Jessica schluckte und reichte ihr Handy an Lukas.
"Jessica? Was wolltest du sagen?", fragte ich besorgt.
"Es ist nicht weiter wichtig, ich habe aufgehört, in der Vergangenheit zu leben.", sagte sie. Ich akzeptierte ihre Aussage und blickte stumm auf die Straße vor uns, der leichte Schneeregen prasselte auf die Scheibe.

"Ständig unterwegs, pendel hin und her
Der Ort den ich Zuhause nenn' unendlich weit entfernt
Die Nerven liegen blank, seit ich weiß nicht wie lange schon
Ich fühle so vieles aber fühl' mich noch nicht angekomm'
Jeder Morgen gleich erstmal 'ne Kippe und 'nen Coffee to go..."

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt