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POV: Tim

"Was ist denn an, lass dich überraschen, so schwer zu verstehen, Süße?", lachte ich Ena an.
"Du weißt, wie sehr ich sowas hasse.", sagte sie und verdrehte ihre Augen. Lukas, Steven und ich hatten uns zusammengetan, um unseren Herzdamen ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Steven und Melina waren zwar noch kein Paar, aber augenscheinlich auf dem besten Weg dahin. Igor hatte uns geholfen und am Treffpunkt so weit alles vorbereitet.

Gegen 16:00 Uhr kamen wir am Burgberg in Golmbach an. Wir hatten einen gut gelegenen Standort gewählt, welcher recht zentral von den drei Städten lag. Das imposante alte Gemäuer war bereits vom steinigen Parkplatz aus zu sehen. Zufrieden sah ich Ena an, auf deren Gesicht sich ein überwältigter Blick abzeichnete. Ich stieg aus, lief um meinen Wagen herum und öffnete ihr die Tür der Beifahrerseite. "Was habt ihr denn ausgeheckt?", fragte sie lachend, als sie den Wagen von Jessica sah. "Lass dich überraschen, aber ich kann dir eines sagen, Jessica hat ihren Wagen nicht hier hergefahren.", antwortete ich und schloss mein Auto ab.
Wir wollten nach oben laufen, als wir weitere Motorengeräusche vernahmen. Steven kam mit seinem BMW vorgefahren, Melina hatte bisher einen eher ausdruckslosen Blick in ihren Augen. Steven hatte mir bei der Planung des Abends von ihrer sozialen Angststörung erzählt, daher war es vollkommen nachvollziehbar, dass sie die Situation schlecht einschätzen konnte. Die Nähe zu Steven, die sie aufgebaut hatte, wirkte sich aber sichtlich positiv aus. "Timäää, hattet ihr ein paar schöne Tage gehabt?", lachte er beim Aussteigen, wie immer begrüßte ich meinen ehemaligen Bandkollegen mit einem Handschlag. Ena und Melina umarmten sich kurz und teilten ein Lächeln. "Da laufen wir mal hoch, die anderen sind ja anscheinend schon da.", sagte ich und wir brachten den kurzen Weg bergauf hinter uns.

Igor hatte sich selbst übertroffen. Auf einer feuerfesten Unterlage hatte er eine Feuerschale aufgestellt. Drei Bänke waren um diese angeordnet; Lukas und Jessica saßen eng umschlungen, mit dem Rücken zu uns, bereits vor dem lodernden Feuer. Jede Bank war mit zwei Wolldecken und zusätzlichen Sitzkissen ausgestattet. Auf einem Campingtisch standen drei große Thermoskannen mit Tee, Kakao und Glühwein. Ebenfalls lagen lange Holzspieße und Marshmallows daneben. Neben der Bank, auf der Lukas und Jessica bereits Platz genommen hatten, lehnte Lukas' Gitarre.

"Ihr seid doch verrückt, Jungs.", lachte Ena laut und staunte über die kleine geschaffene Wohlfühlzone. Jessica zuckte leicht zusammen, hob ihren Kopf von Lukas Schulter und drehte sich zu uns um. "Sorry...", sagte Ena fast stumm.
"Ach Maus...", sagte Jessica, nahm die Decke von ihren Beinen und kam auf uns zu. "Wie immer die beste Ankündigung.", lachte sie und nahm ihre beste Freundin in den Arm.
"Hey Melina, es ist schön dich wiederzusehen.", Jessica umarmte sie, Melina warf ihr ein zufriedenes Lachen zu. Im Augenwinkel sah ich bei Steven einen nervösen Blick. Wir begrüßten sie ebenso mit einer Umarmung. Lukas stand ebenfalls vor uns und begrüßte die Runde.

Nachdem wir uns mit einem Heißgetränk versorgt und auf den Bänken unsere Plätze gefunden hatten, herrschte absolute Ruhe. Wir sahen über die kahlen Baumkronen hinweg in die Ferne und ließen das Bild der untergehenden Sonne auf uns wirken. Ena lehnte ihren Kopf auf meine Schulter, unsere Bank hatte bereits den idealen Platz für dieses Bild. Ihre Hand legte sie auf den Oberschenkel meines rechten Beins und strich sanft darüber. Steven hatte keine Augen für die untergehende Sonne, in seinem Blick hielt er Melina fest, welche zufrieden die Abendröte erfasste. Lukas saß seitlich auf der Bank. Einen Arm stützte er auf die Lehne, Jessica lehnte gegen ihn und hielt die freie Hand ihres Liebsten.

POV: Melina

Steven hatte seinen Arm um mich gelegt, ein sanfter Kuss traf meine Schläfe. Dieses wohle Gefühl von Geborgenheit umgab mich wieder. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und legte meine Hand an seine Wange, um mir einen leichten Kuss zu erhaschen. Wir lösten uns und sahen wieder auf das knisternde Feuer, welches in der Schale brannte.
Lukas erhob nach einer kurzen Zeit das Wort.
"Was wäre ein Lagerfeuer ohne Musik, dann sagt mal, was ihr hören wollt.", der Reihe nach sah er uns an.
"Oh ich weiß...", sagte Ena. "Jess, kannst du dich noch an das Grillen vor ein paar Jahren bei deinen Eltern erinnern. Dein Onkel begann dieses eine Lied zu spielen und auf Anhieb stimmte jeder mit ein."
Jessica zog nickend ihre Augenbrauen hoch und blickte zu Lukas. "Wenn du die mal entbehren kannst, Schatz.", lachte sie, als sie ihm die Gitarre aus der Hand nahm.

"Well, you done, done me in, you bet I felt it
I tried to be chill, but you′re so hot that I melted
I fell right through the cracks
Now I'm trying to get back..."

Dieses Lied war bald fünfzehn Jahre alt und für mich jedes Mal wieder ein Highlight, ich konnte mich nicht mehr halten und begann fast am Schluss einzustimmen.

"I′ve been spending way too long checking my tongue in the mirror
And bending over backwards just to try to see it clearer
But my breath fogged up the glass
And so I drew a new face and I laughed..."

Das Lied endete und fünf begeisterte Augenpaare lagen auf mir. Mit roten Wangen saß ich neben Steven, es war mir unangenehm, so angestarrt zu werden. - Scheiße, was war das? Wozu habe ich mich hier hinreißen lassen? Warum bin ich nicht einfach im Bett geblieben? - "Melina... Das... Das war der absolute Wahnsinn.", sagte Ena. Mein Blick schweifte von ihr ab, zu Steven, der mich noch immer begeistert ansah. "D... Danke.", sagte ich schüchtern. "Hat dir noch keiner gesagt, dass du eine verdammt schöne Stimme hast?", fragte Jessica ruhig nach. "Ich... Ich singe eigentlich nur unter der Dusche, wenn ich weiß, dass keiner in der Nähe ist.", Steven streichelte mir am Arm entlang, um mich zu beruhigen.
"Was ist dein Lieblingslied?", fragte Jessica.
Mein Blick schweifte zu Steven, ein glückliches Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. "Until I Found You von Stephen Sanchez.", sagte ich kurz. Meine Augen müssen Steven angefunkelt haben in diesem Moment. Ich hatte kein bestimmtes Lieblingslied, aber als ich in seine Augen blickte, kam es mir direkt in den Kopf.
"Erweist du mir die Ehre, es mit dir zu singen?", fragte Jessica begeistert; zufrieden nickte ich und sie begann zu spielen.

"Georgia, wrap me up in all your
I want you in my arms
Oh, let me hold you
I'll never let you go again like I did
Oh, I used to say..."

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt