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POV: Jessica

"Brudi, haste ma' 'n Taler klein?
Dann wirf den mal da rein, es geht los
Und wir reiten Richtung Sonnenuntergang
Auf unserem eleganten Roboterpferd (Roboterpferd)
Wir sind jung, wir sind wild, wir sind frei
Und der Tank ist niemals leer (Tank ist niemals leer)..."

Vor dem Haus von Ena parkte ich meinen Wagen ab, wir hatten uns nach recht langer Zeit mal wieder einen Mädelsabend eingerichtet. Zur Begrüßung umarmten wir uns, wie gewohnt, und liefen ins Wohnzimmer weiter, wo Heisenberg mich freudig begrüßte. Tim hatte sich mit Ben verabredet und würde später nach Hause kommen. Geschafft von der Woche, ließ ich mich auf das Sofa fallen und sah durch den Raum. Auf dem Esstisch sah ich das MacBook liegen und lachte leicht auf, dass Ena jemals für mich arbeiten würde, war für mich immer noch kein ganz realer Gedanke. Zuvor wollte ich niemals Personen aus meinem Freundeskreis einstellen, da viele Menschen in so einer Anstellung Freundschaft und Arbeit nicht unterscheiden können.

"So, was magst du denn trinken, meine Maus?", fragte Ena und lachte, als sie aus dem Bad zurückkam.
"Einen Kaffee.", lachte ich.
"Ernsthaft?", ungläubig sah sie mich an, doch ich antwortete nur mit einem Nicken. Sie rollte mit den Augen und schüttelte mit dem Kopf. Nach einer kurzen Zeit kam sie mit einer Tasse Kaffee in das Wohnzimmer zurück und stellte sie vor mir auf dem Couchtisch ab. "Jess? Ich muss mal mit dir reden...", begann sie zu sprechen und sah mich mit einem ernsten Blick an.
"Immer, aber nicht über die Arbeit.", sagte ich und setzte mich auf.
"Verdammt.", Enas Stimme war leicht energisch und sie kratzte sich am Hinterkopf. Ich verdrehte meine Augen und atmete tief durch, erwartungsvoll sah ich sie an. "Sehr gut... Ich habe mich letzte Woche mit Melina getroffen und habe mich natürlich ein bisschen mit ihr unterhalten." Ena lachte kurz auf und sah mich unschlüssig an. "Na ja... sie ist momentan arbeitslos, hat aber auch eine abgeschlossene Ausbildung zur Mechatronikerin." Ich zog meine Augenbrauen nach oben und stellte die Tasse mit dem restlichen Kaffee wieder auf dem Tisch ab.
"Das wäre an sich wirklich nicht schlecht, aber erstens kennst du meine Einstellung dazu, Freunde einzustellen und weißt du auch, ob Melina überhaupt für mich arbeiten wollen würde?", fragte ich.
"Ähm... Ehrlich gesagt...", leicht senkte Ena ihren Blick und sah wieder zu mir auf.
"Du hast ihre Reaktion nicht abgewartet, oder?", fragte ich und sah meiner besten Freundin direkt in die Augen. Sie schüttelte ihren Kopf und presste ihre Lippen aufeinander.
"Ich werde mich demnächst mal bei ihr melden und mir von der Idee selbst ein Bild machen. Schlecht wäre es nicht, wenn ich dann bald weg bin, braucht ihr eh Unterstützung."

POV: Linda

"Meine Nase brennt wie Feuer, doch ich kack da drauf und zieh dann weiter einfach, als wär ich Zigeuner...", zum späten Abend saß ich am Freitag noch in dem Büro der Werkstatt, die mein Vater noch leitete. Über meine Kopfhörer liefen ein paar Lieder auf Spotify durch, die Texte säuselte ich vor mir hin. Mein Handy vibrierte und ich las eine Nachricht von meiner Ehefrau.

"Wann kommst du denn
nach Hause, meine Süße?
Du hast doch nicht etwa
unseren Jahrestag vergessen, oder?"

Dieser Text stand unterhalb eines Bildes, auf dem sieben Rosen abgebildet waren. Lilith hatte eine Kerze in Herzform aufgestellt und vor der Vase stand unser Hochzeitsbild. Mit einem glücklichen Lächeln sah ich auf das Bild und erinnerte mich an diesen Tag zurück. Wir beide trugen ein Kleid in einer A-Linie, wie wir beide uns mit den Massen an Tüll zurechtzufinden mussten, ließ mich wieder Lachen. "Oh Mann...", sagte ich und atmete tief durch.

"Es tut mir so leid, mein Bärchen.
Ich denke, dass ich in etwas über
einer knappen Stunde zu Hause
bin. Sei mir nicht böse."

Mein Handy legte ich beiseite und begann die eingegangenen Rechnungen des Tages zu prüfen.
Als ich den vorletzten Briefumschlag öffnete, klopfte mein Vater am Türrahmen des Büros.

"Linda, mein Schatz, was machst du denn noch hier?", fragte er besorgt.
"Siehst du doch, Paps. Da ich die letzten Tage ausgefallen bin, ist das alles liegen geblieben.", lachte ich leicht und warf den Papierstapel, den ich in den Händen hielt, wieder auf den Tisch.
"Mein kleines fleißiges Bienchen.", sagte er.

Der Zufriedenheit in seinen Augen, folgte Enttäuschung.
"Ist alles gut?", fragte ich und nahm auch den zweiten Kopfhörer aus meinem Ohr. Mein Vater schüttelte den Kopf, hielt sich die Stirn und senkte seinen Blick. Ich stand von meinem Stuhl auf und lief auf meinen Vater zu, meine Hand fand Platz auf seiner Schulter. "Paps, was ist los?"
Aus der Tasche am hinteren Teil seiner Jeans holte er einen Brief hervor, welcher von seiner Versicherung stammte. Unentschlossen nahm ich ihm diesen aus der Hand und begann die Zeilen zu lesen. Ein erschrockener Blick meinerseits lag nun auf meinem Vater, traurig sah er mich an und nickte. "Das heißt...", ich brachte keinen Ton mehr hervor.
"Ja, ich wurde offiziell als berufsunfähig eingestuft.", sein trauriger Blick schweifte durch den Raum und blieb an mir hängen. "Könntest du vielleicht... Mit..."
"Ich werde nächste Woche mit Jessica sprechen, wir haben ja keine andere Möglichkeit mehr."

Wer Weiß - 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt