#2 Stromrechnung

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Alessandro

Um drei Uhr war ich nach meiner Schicht endlich zuhause. Trinkgeld war leider nicht viel, aber ich stopfte es trotzdem in die Familienkasse.

„Du auch mal Zuhause", sprach mich mein älterer Bruder, Antonio, an. „Zu viele betrunkene Leute", sagte ich zwischen zwei großen Schlücken Kaffee. „Wenigstens etwas witziges passiert?", fragte er. „Keine Ahnung ob man es als witzig bezeichnen kann, aber der Anblick vom Milliardärs Sohn war amüsant", lachte ich.

Antonio musterte mich. Seine Blicke auf mir brannten wie Feuer. Er wollte eigentlich nicht, dass ich in dieser Bar arbeitete, aber es musste sein. Wir mussten irgendwie über die Runden kommen auch wenn es jeden Monat nur knapp funktionierte.

„Wenn du mich weiter so anschaust, hast du schon nachdenk Falten mit dreißig", sagte ich. „Dann sind es ja wohl noch acht Jahre dahin", lachte er. „Wie sieht es mit Stromgeld aus?", fragte er dann ernst. „Sollten wir in zwei Tagen zusammen haben", meinte ich und versuchte Glaubhaft rüber zukommen. „Ansonsten bitten wir um Aufschub", schlug er vor, aber ich schüttelte den Kopf.

Wir hatten schon so oft um Aufschub gebeten, aber beim letzten mal waren die Mitarbeiter schon genervt. Ich wollte nicht schon wieder dort anrufen. Antonio schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber merkte dann, dass er los musste.

„Wehe", rief er mir noch zu, bevor die Tür ins Schloss fiel.

Ich wusste, dass er sauer werden würde, aber ich tat es für unser überleben. Ohne Strom wäre wir uns schon eine beschissene Situation, denn dann gäbe es auch kein Warmwasser. Ich kramte mein Handy aus meiner Hosentasche und schrieb dem wahrscheinlich größen Verbrecher der Southside.   Momo hörte sich nicht gefährlich an, aber man wollte sich auch nicht mit ihm anlegen. Die Fights waren die einfachste und schnellste Art an Geld zu kommen. Ich fragte nur nach wann der nächste wäre und das er mich anmelden sollte. In solcher Herrgots Frühe erwartete ich keine Antwort. Bis um halb sieben konnte ich noch inruhe in der Küche sitzen und durch Rechnungen blättern. Ein paar konnten endlich in den Müll.

„Was machst du?", fragte Emilia, die in die Küche kam. „Wonach sieht es aus? Rechnungen durchschauen und aussortieren", antwortete ich. „Ich hab fast das restliche Geld für Strom", informierte sie mich, während sie ihre lockigen Haare zusammenband. „Wie viel brauchen wir dann noch?", fragte ich. „Knapp 40€, aber ich hab nach der Schule noch eine Schicht. Sollte es dann eigentlich komplett haben", erklärte sie.

Emilia arbeitete in einem kleinem Restaurant als Kellnerin. Sie bekam meist gutes Trinkgeld. Jeden Cent den wir bekamen steckten wir in verschiedene Umschläge. Strom, Miete, Lebensmittel, Krankheit. Sie machte mit ihren 18 Jahren schon so viel mit. Vier Jahre war es nun her, dass wir auf uns alleine gestellt waren. Es polterte in der oberen Etage.

„Du bist viel zu spät dran", rief ich die Treppe hoch. „Ja danke, hab ich bloß nicht gemerkt", motzte Loredana von oben rum.

Kein Morgen konnte entspannt sein. Es war immer irgendeine unruhe. Emilia lief aufeinmal auch durch das ganze Haus, weil sie irgendwas suchte. Als sie ihr Buch und ihre Krawatte gefunden hatte, schaute sie mich an und dann auf die Uhr. Ich tat es ihr gleich. Super, jetzt waren wir doch wieder zu spät dran.

„Wir müssen los", rief ich nach oben. „Auch mal auf die Uhr geschaut", kam es patzig von Loredana, die in dem Moment die Treppe runter kam. „Ab ins Auto", sagte ich während ich beide schon aus der Tür schob.

Es war noch nichtmal unser Auto sondern das von unserem Nachbarn. Er konnte nach einem schweren Unfall leider nicht mehr fahren, wodurch wir es nutzen durften. Auf uns blieben nur die Kosten für Reperatur und Benzin hängen. Loredana kramte in ihrer Tasche rum wie als hätte sie irgendwas vergessen.

„Ich hab mein Notizbuch vergessen", stöhnte Loredana genervt, als wir an ihrer Schule ankamen. „Ich bring es dir gleich vorbei", sagte ich.

Sie nickte und stieg aus. So etwas konnte man echt nicht gebrauchen. Emilia tippte mich an, denn ich hatte nicht gemerkt, dass die Ampel grün war.

„Jetzt nur noch in die Nobel Gegend", murmelte ich. „Es ist nur die Eastside", sagte Emilia.

Sie wusste, dass ich recht hatte. Die Häuser und prinzipiell alles sah in der Gegend teuer aus. Selbst die Bäume. Seit zwei Jahren musste ich fast täglich in diesen Gegend fahren, denn irgendwie musste sie zur Schule kommen. Durch ihre guten Noten bekam sie ein Stipendium wodurch ihr so viele Möglichkeiten offen standen. Ich konnte mich daran erinnern wie ich sie schlafend auf ihren Aufgaben auf dem Boden fand. Bis in die Nacht hatte sie jeden Tag gelernt und noch nebenbei gearbeitet. Teilweise saß sie mit den Aufgaben noch am Küchentisch, wenn ich morgens nach Hause kam.

„Benimm dich", sagte ich, als sie die Tür öffnete. „Ja Papa", lachte sie und zeigte mir ihren Mittelfinger als Abschied.

Geschwisterliebe oder wie sollte man das nennen. Die Menschenmenge stürmte Richtung Eingang, denn der Unterricht würde in zwei Minuten beginnen. Wir hatten es wirklich gerade so geschafft. Schnell erkannte ich meine Schwester nicht mehr in der Menge. Aufeinmal riss mich ein Klopfen an der Scheibe aus meinen Gedanken. Ich kurbelte das Fenster runter und blickte direkt in die Augen von Lorenzo.

„Dich Streuner habe ich ja auch schon länger nicht gesehen", lachte ich. „Mal hier, mal da, aber denk nicht, dass du mich losgeworden bist", meinte Lorenzo. „Die Hoffnung habe ich schon lange verloren, aber ich muss jetzt auch weiter und nerv Emilia nicht zu sehr", sagte ich während ich den Motor startete. „Ich doch nicht", lächelte er.

Manchmal bereute ich es, dass ich ihn Zuhause mal angeschleppt hatte. Seit drei Jahren klebte er förmlich an uns, wenn er nicht gerade woanders war. Zuhause durchkramte ich das halbe Haus bis ich diese blöde Notizbuch fand. Kurz blätterte ich durch und musste lächeln, denn es war alles mögliche vom Unterricht notiert, selbst dumme Sprüche von Lehrern. Ich gab das Buch in der Schule ab und konnte dann endlich für ein paar Stunden zuhause schlafen. 30 Stunden auf den Beinen war mittlerweile nichts mehr für mich.

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Stressiger morgen, nicht?

Wie denkt ihr geht es weiter?

Entschuldigt, wenn die ersten Kapitel etwas langweilig sind, aber es ist halt der Anfang und ihr sollt ja die Charaktere ein bisschen verstehen😅

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