#17 Sicher fühlen

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Alessandro

Keine Ahnung wie, aber irgendwie saß ich in Enricos Auto. Ausnahmsweise konnte ich keine Emotionen bei ihm sehen, aber vielleicht war das auch der Alkohol. Sein Blick war nach vorne gerichtet.

„Wohin fahren wir?", fragte ich verwirrt. „Ich bring dich nach Hause", sagte Enrico. „Ich will aber nicht", meinte ich. „Wohin möchtest du dann?", fragte er diesmal verwirrt. „Mir egal, nur nicht nach Hause", antwortete ich. „Dann fahren wir zu mir", beschloss er und drehte um.

Die Fahrt verlief ziemlich leise. Ausnahmsweise mal keine nervigen Fragen oder ähnliches. Ich wollte nicht, dass Loredana und Antonio mich auch noch so sahen. Loredana zumindest nicht. Kaum waren wir bei ihm durch die Apartmenttür kamen mir mehrere Erinnerungen hoch. Ich konnte eh schon kaum laufen, aber dann ließen meine Beine nach. Langsam rutschte ich seine Flurwand herunter. Die Luft schnürte sich mir zu. Die Tränen kämpften sich ihren Weg durch. Heiß liefen die Tränen über meine Wangen. Fuck. Ich wollte nicht, dass er mich weinen sieht. Schnell wischte ich die Tränen weg, aber keine Chance. Es kamen immer mehr. Enrico kniete sich zu mir runter. Ich sah ihn nur verschwommen, aber es konnte schlecht jemand anderes sein.

„Was ist los?", fragte er besorgt. „N-Nichts", stammelte ich. „Das sieht für mich aber nicht nach nichts aus", lachte er leicht.

Ich wollte was sagen, aber ich war nicht in der Lage. Meine Gefühle und Erinnerungen überschlugen sich. Mir wurd schlecht bei dem Gedanken oder war es der Alkohol. Ehe ich mich versah, spuckte ich neben mich. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Vor mich wäre nicht so gut gewesen, denn da war noch immer Enrico. Einen klaren Gedanken konnte ich nicht fassen, wodurch ich auch nicht merkte wie ich in sein Bett kam. Ich war müde und erledigt, aber einschlafen konnte ich trotzdem nicht. Mein Körper fing an zu zittern, obwohl es warm war. Aufeinmal spürte ich eine Hand auf meinem Oberarm. Er lag neben mir. Sein Versuch mich zu beruhigen funktionierte leider nicht. Ich fing wieder an zu weinen.

„Was ist los?", fragte er so besorgt wie zuvor.

Ich wollte nicht antworten, aber ich setzte mich trotzdem aufrecht. Meine Beine zog ich fest an mich. Es fühlte sich alles so falsch und unecht an. Bestimmt wache ich gleich mit einem Kater in meinem Bett auf. Mittlerweile streichelte seine Hand über meinen Rücken. Er schaute mich an und stand auf.

„Ich lass dich alleine, wenn du reden möchtest oder irgendwas brauchst, ruf mich", sagte er mit einem Lächeln bevor er den Raum verlassen wollte. „Er war Alkoholiker", meinte ich, als er gerade die Tür schließen wollte.

Sofort drehte er sich um. Mit schnellen Schritten kam er aufs Bett zu und setzte sich neben mich. Er sagte nichts, sondern ließ mir meine Zeit. Kein Erwartungsvoller Blick wie sonst. Sein Blick war voller Sorge.

Enrico

Alessandro Moretti in meinem Bett zu sehen hätte ich mir niemals denken können. Dann auch noch weinend. Er hatte meiner Meinung nach eine Panikattacke. Wahrscheinlich hatte er nie über seine Probleme geredet oder zu wenig.

„Unser Vater", war das nächste was aus ihm herauskam.

Sein Zittern und weinen wurde immer stärker. Der Griff um seine Beine verfestigte sich auch. Vorsichtig zog ich ihn zu mir in eine Umarmung. Er wehrte sich nicht sondern griff nach meinem Oberteil.

„Ich bin bei dir", flüsterte ich in sein Ohr. „W-Warum?", schluchzte er. „Weil ich selber weis wie scheiße es ist", sagte ich.

Einen Alkoholiker als Elternteil zu haben zwar nicht, aber Panikattacken. Ich hatte schon oft genug welche. So oft bin ich schon zusammengebrochen, wenn ich durch die Apartmenttür kam nachdem ich bei meinen Eltern war. Alessandro war immer stark, aber irgendwann bricht jeder und in solchen Momenten ist der Hass gegenüber anderen vergessen. Man war zu sehr beschäftigt mit den Gefühlen, die hochkamen. Er klammerte sich schon fast an mich.

„Es wird alles gut", versuchte ich ihn zu beruhigen. „Hey, atmen nicht vergessen, tief atmen", erinnerte ich ihn.

Erst in dem Moment merkte ich, dass er eingeschlafen war, denn seine Atmung war viel ruhiger geworden. Vorsichtig löste ich ihn von mir, legte ihn hin und schmiss die Decke über ihn. Gerade als ich den Raum verlassen wollte um auf die Couch zu gehen, hörte ich ihn leise.

„Was hast du gesagt?", fragte ich, denn ich hatte nichts vestanden. „B-Bleib", wiederholte er. „Ich bin auf der Couch, wenn was ist", sagte ich. „Bitte", kam es von ihm.

Ich wusste, dass das wahrscheinlich nicht die beste Idee war, aber ich legte mich zu ihm. Das wird noch ein Drama geben, dachte ich mir, aber er sollte sich in dem Moment sicher fühlen. Er rückte näher an mich. Irgendwie fand ich sein Verhalten schön, aber es versetzte mir auch einen Stich ins Herz. Es tat weh ihn so zu sehen. Seine Atmung wurde wieder ruhiger. Mein Handy erhellte den Raum. Mit nicht allzu viel Bewegung kam ich dran.

Emilia

Du wolltest Alessandro
nach Hause fahren,
wo ist er?

Er ist bei mir

Warum?

Keine Ahnung warum,
aber er wollte irgendwo
hin, aber hauptsächlich
nicht nach Hause

Sollen wir ihn
abholen?

Nein, er schläft

Oke, pass auf ihn auf

Mach ich, keine Sorge

Keine Sorge? Willst du
mich verarschen?

Nein, ich pass auf ihn
auf und kümmer mich
um ihn

Ich will es hoffen

Bist du denn sicher
nach Hause gekommen?

Ja

Oke gut

Ich geh dann jetzt
schlafen

Schlaf gut

Du auch

~~~

Wie schön es wäre, wenn sich mal jemand solche Sorgen um mich machen würde. Ich war aber für jeden einen Dreck wert. Keiner interessierte sich für mich.

„Nein", murmelte Alessandro im Schlaf. „Bitte nicht", war das nächste was kam.

Ich streichelte ihm über die Schulter. Er redete weiter im Schlaf, aber beruhigte sich dann nach mehreren Minuten.

———

Wie wird wohl der Morgen zwischen den beiden?

Nur eine WetteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt