#27 Gute Nacht/Morgen Worte

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Enrico

Ich saß schweigend im Auto, obwohl Alessandro mich öfter ansprach. Als wir ankamen, riss er die Tür meiner Seite auf. In der Lage zu gehen war ich eindeutig nicht mehr, wodurch ich meine Arme in seine Richtung streckte.

„Tragen?", nuschelte ich. „Komm her", sagte er, während er sich zu mir runter beugte. „Feder", lachte Alessandro, als ich wie ein Klammeraffe an ihm hing.

In meinem Apartment setzte er mich im Badezimmer ab. Mir war schlecht wie sonst was. Er schaute mich besorgt an bevor er mir ein Wasser holen wollte. Ich krabbelte zur Tür, schloss diese ab und lehnte mich gegen die Badewanne. Ein leises Schluchzen entkam mir. Alessandro versuchte die Tür aufzumachen, aber es ging natürlich nicht.

„Machst du bitte auf", bat er mich. „Nein", sagte ich.

Alessandro widersprach mir zu meiner Verwunderung nicht. Ich hörte wie er sich gegen die Tür fallen ließ und runter glitt. Es herrschte eine angenehme Stille zwischen uns. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum war er hier? Warum war er nicht einfach gegangen? Machte er sich etwa ehrliche Sorgen? Oder war das alles nur gespielt? Woher kam sein schlagartige Wechsel?

„Warum bist du hier?", fragte ich durch die Tür. „Weil ich mir sorgen gemacht habe", sagte er. „Du bist seit dem Event so komisch", meinte er. „Brauchst dir keine Sorgen um mich machen", versuchte ich ihm glaubhaft zu machen.

An dem aufstöhnen merkte ich, dass er es mir nicht glaubte. Schon wieder war da diese Ruhe. Eine Stunde herrschte diese Stille, fast wäre ich eingeschlafen. Tränen liefen andauernd über meine Wangen. Jegliches Geräusch der Schwäche versuchte ich zu unterdrücken. Die Situation überforderte mich. Ich machte die Tür auf, drückte die Türklinke runter und Alessandro fiel nach hinten.

„Bleibst du hier?", fragte ich. „Nein, wir haben mittlerweile halb vier. Lori und Emilia stehen in drei Stunden auf", sagte er. „Bis ich eingeschlafen bin?", fragte ich und er nickte.

Wenigstens etwas, dachte ich mir.

Alessandro

Als ich vor der Badezimmertür saß, hörte ich immer wieder ein unterdrücktes Schluchzen und Schniefen von Enrico. Mir war klar, dass ich ihn so nicht alleine lassen konnte, also schrieb ich Antonio.

Bruderherz

Bist du noch wach?

Ja, warum? Ist
etwas passiert?

Kannst du bitte Lori
und Emilia fahren?

Klar, aber was ist
los?

Erklär ich dir später

Oke, bau keine scheiße

Mach ich nicht

Wo bist du denn?

Bei Enrico

Oke, wir klären das,
wenn du wieder hier bist

Danke

~~~

Enrico bat mich bei ihm zu bleiben, aber ich lehnte es ab. Er sollte sich hoffentlich freuen, wenn ich noch da bin, wenn er aufwacht. Ich wusste nicht warum ich das tat, aber es fühlte sich richtig an. Enrico war mittlerweile wieder in Lage ein paar Schritte zu gehen. Vor der Tür dachte ich schon, dass er eingeschlafen war. Er hatte viel zu viel getrunken. Kaum war er in sein Bett gefallen, schlief er schon fast. Bevor ich mich hinter ihn legte, deckte ich ihn noch zu. Es brauchte nicht lange bis seine Atmung ruhiger wurde und er eingeschlafen war.

„Ich verstehe dich nicht, warum betrinkst du dich bloß so stark? Warum redest du nicht über deine Probleme? Ich mag dich zwar noch immer nicht sonderlich, aber du bereitest mir Sorgen. Ich weiß auch, dass du auf mich gewettet hast. Dich dort zu sehen hat mir zu meinem letzten Sieg verholfen. Keine Ahnung wie, aber du hast mir durch die Ferne Kraft gegeben. Ich hoffe du freust dich, wenn ich später noch hier bin", dachte ich laut.

Selbst wenn er es gehört hätte, würde er sich nicht mehr daran erinnern. Schlafen konnte ich nicht wirklich. Immer wieder murmelte Enrico etwas im Schlaf. Desto mehr er redete desto unruhiger wurde sein Schlaf. Leider verstand ich nicht viel, nur ein paar einzelne Worte.

„Nein..ich kann das..meine Schuld..warum..schwach..hilfe", murmelte er zusammenhangslos.

Enrico gab sich anscheinend für irgendwas die Schuld. Ich wollte auch nicht zu viel in diese Worte interpretieren, da er wahrscheinlich nur schlecht träumte. Zusätzlich floss genug Alkohol durch seine Adern. Als die ersten Sonnenstrahlen kamen, schlief ich doch noch ein. Zwar nicht feste, aber besser als garnichts. Ich wusste nicht wie lange ich da so lag, aber irgendwann merkte ich wie er mit seinen Fingerspitzen über mein Gesicht strich. Jede einzelne Wunde berührte er, wodurch ich mich bemühen musste kein Laut von mir zu geben oder mein Gesicht zu verziehen.

„Du denkst wahrscheinlich, dass ich dich nicht gehört habe, aber danke für die letzten Tage. Ich hab durch dich gemerkt wie es ist jemanden zu haben auch wenn wir beide uns nicht mögen. Als hassen würde ich es mittlerweile nicht beschreiben. Es tat mir sogar weh, als ich dich da blutend liegen sehen hab, aber trotzdem hast du dich um mich gekümmert. Irgendwann werde ich bestimmt über meine Probleme reden können. Ich hoffe, dass du wenn das halbe Jahr um ist mich nicht einfach abschiebst als wäre ich nie in deinem Leben gewesen. Ich freue mich, dass du noch hier bist", erzählte er.

Aufeinmal klingelte mein Handy, wodurch ich aufschreckte. Enrico schaute mich überrascht an. Emilia war dran.

„Was ist los?", fragte ich. „Ich hab da so ein kleines Problem", sagte sie außer Atem. „Geld? Hast du dich geschlagen? Hast du dich verletzt? Red mit mir", meinte ich. „Komm runter. Ich brauch etwas anderes", ließ sie mich weiter rätseln. „Emi, ich hab keine Zeit zum raten", ließ ich genervt von mir. „Du hast deine Periode bekommen und nichts dabei", riet ich dann, als sie nichts sagte. „Richtig", kam es dann leise. „Ich bin gleich da", meinte ich.

Enrico schaute mich verwirrt an während ich mir mein Oberteil überschmiss. Ich schaute dann auch zum ersten mal auf die Uhrzeit. 10:34 Uhr. Er sollte eigentlich auch in der Schule sein, aber so wie er da lag, konnte ich verstehen, dass er nicht ging.

———

Was haltet ihr von den lauten Gedanken zwischen den beiden? Zumal beide denken, dass der andere den einen nicht hört

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