#63 Zettel

284 13 4
                                    

Emilia

Es war mittlerweile Mitte Januar und es war ein ganzes Stück mehr Normalität eingekehrt. Mitten in der Nacht kam Alessandro von der Arbeit wieder. Er sah total fertig aus. Sein Gang ging direkt in die Küche wo ich schon Kaffee für ihn fertig gemacht hatte. Alessandro hatte kein Wort mehr Enrico geredet. Man konnte schon denken, dass er ihn verdrängt hätte.

„Warum bist du noch wach?", fragte er mich. „Konnte nicht schlafen", sagte ich. „Hab Francesca gesehen", meinte San total Gedankenverloren. „Und weiter?", fragte ich. „Keine Ahnung, hab nicht wirklich mit ihr geredet", zuckte er mit den Schultern.

Ich schaute ihn genau an, aber er schien die Wahrheit zu sagen. Anscheinend wollte er nur diese Begegnung erwähnen. Wenn mehr gewesen wäre, hätte er es erzählt. So etwas platzte aus ihm raus.

„Ich hau mich aufs Ohr", verabschiedete Alessandro sich, als er den letzten Schluck Kaffee nahm. „Schlaf gut", flüsterte ich.

Alessandro sah nach langem mal wieder richtig geschafft aus von der Arbeit. Zum Glück hatte er die Papiere nicht bemerkt, die vor mir lagen. Es war nach Jahren mal wieder eine Mieterhöhung. Schon wieder müssten wir unseren Familienabend aufgeben. Seit dem Enrico weg war, fiel es natürlich auch bei uns finanziell auf. Er hatte immer wieder einen guten Teil dabei getan, wodurch wir sogar am Ende des Monats etwas übrig hatten. Es kam öfter vor, dass er einfach Geld in die Dose packte, weil er wusste, dass Alessandro es sonst nicht annehmen würde. Manchmal konnte ich nicht verstehen warum er was dagegen hatte, aber mittlerweile wurde es mir klar. Wir hatten uns ein Stück weit zu sehr daran gewöhnt. Erledigt schaute ich zur Uhr und entschloss mich dann auch ins Bett zu gehen.

Alessandro

Am Abend, als ich in die Bar reinkam, war außergewöhnlich viel los. Es kamen immer mehr Leute. So viele Gäste hatten wir schon lange nicht mehr. Mike beobachtete die feiernden betrunkenen Menschen, wobei er ganz nebenbei die Preise anhob. Typisch für ihn, denn keiner merkte es mehr.

„Darf ich dich mal kurz ausleihen", sprach mich jemand an.

Ich schaute zu der Person. Sie hatte ein Grinsen auf den Lippen welches einem Teufel gleichte.

„Kennen wir uns?", fragte ich. „Nein, aber ich würde gerne mit dir reden, alleine", lächelte sie. „Geh schon", sagte Mike.

Ich nickte kurz. Die jüngere Dame folgte mir zum Hinterausgang, weil es dort am ruhigsten war. Sie lehnte sich gegen die Wand, winkelte ihr rechtes Bein an und zündete sich eine Zigarette an. Mein Blick lag gespannt auf sie. Erst mit mir reden wollen und dann nicht mit der Sprache rausrücken.

„Ich hab nicht ewig Zeit", ließ ich genervt von mir. „Stimmt, aber erstmal ich bin Nora. Ich stehe in sehr engem Kontakt mit einem gewissen Enrico Rodriguez. Ein ganzer netter, muss ich sagen", meinte Nora. „Wenn du mit ihm zusammen bist, freu dir einen Keks drauf und lass mich mit so einer scheiße inruhe", sagte ich. „Süß, wie Eifersüchtig du bist", grinste sie.

Ich wollte wieder rein gehen, weil ich darauf keine Lust hatte. Es war eine Frechheit was diese Nora machte. Mir so etwas unter die Nase zu reiben, wenn ich am arbeiten war.

„Lass mich doch mal zum eigenen Thema kommem", lächelte Nora mich an. „Was?", zischte ich. „Ich soll dir einen Zettel von ihm geben", sagte sie und reichte mir ein Stück Papier.

Ich würde dir gerne alles erklären, komm bitte am 14.02 zu der Firma meiner Eltern. Raum 105. 11 Uhr. Ich liebe dich -E

Dieser Zettel schmiss mich schon wieder aus der Bahn. Es wäre genau mein Geburtstag. Damit kam er dann schon einen ganzen Monat früher an. Vielleicht wollte er mir auch genug Bedenkzeit geben. Was mich aber noch mehr verwirrte war die Tatsache, dass ich zur Firma seiner Eltern kommen sollte. Warum musste er sich über solche Drecks Zettel melden? War es so schwer eine normale Nachricht zu schreiben?

„Kann ich jetzt weiter arbeiten?", versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. „Nur zu", lächelte sie.

Genervt ging ich wieder mit ihr rein. Es waren Gefühlt noch Menschen da. Der restliche Abend zog sich zum Glück nicht mehr so. Noch nie war ich so froh, pünktlich Feierabend zu machen. Diese Nora bot mir noch an mich mitzunehmen, aber ich lehnte ab. Lieber lief ich durch die kalte Nacht. Zuhause war alles dunkel, aber nicht leise. Geräusche kamen aus Loredanas Zimmer. Ich hatte sie nur am morgen gesehen, aber dann nicht mehr. Sie war direkt in ihr Zimmer. Vorsichtig öffnete ich ihre Tür einen Spalt.

„Alles gut bei dir?", fragte ich. „Ja, alles gut", versicherte sie mir, während sie weiter auf ihren Boden schaute. „Schau mich mal bitte an", bat ich sie.

Zögerlich hob sie ihren Kopf an. Eine kleine Platzwunde zierte ihre Augenbrauen. Erst blieb ich erstarrt im Türrahmen stehen, aber ging dann auf sie zu. Nichts was man nähen musste, aber was mir genug Sorgen bereitete.

„Delgado?", fragte ich. „Es ist nicht so schlimm wie es aussieht", versuchte sie mir zu versichern. „Kann sein, aber keiner fasst dich an", knurrte ich. „Bitte, lass es mich selbst klären", bat sie mich mit Kulleraugen. „Hast du wenigstens zurückgeschlagen?", fragte ich, aber sie schüttelte mit dem Kopf. „Gut und schlecht zugleich, aber jetzt kümmern wir uns erstmal um die Wunde", lächelte ich.

Für mich war das noch nicht erledigt. Ich wollte ihr in dem Moment nicht noch sorgen machen. Immer wieder versuchte ich ihr zu erklären, dass sie sich verteidigen musste. Nicht alles auf sich sitzen lassen sollte. Vielleicht war es nicht richtig wie ich zum Thema Gewalt stand, aber immer nur reden war nicht hilfreich. Man sah ja mal wieder wo es hinführte. Bei ihr wäre ich widerum auch gezwungen zu reden. Könnte ja schlecht eine reiche Göre schlagen. Die würde mich noch verklagen. Nur dieses mal stand fest, dass ich nicht erst mit Lucia reden würde. Ihre Ansprache hatte ja anscheinend wenig gebracht.

———

Wird Alessandro sich die Erklärung von Enrico anhören?

Wie findet ihr seine gesamt Reaktion auf Nora?

Was wird Nora wohl mit Enrico am Hut haben?

Nur eine WetteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt