Enrico
Ich hatte das Gefühl, dass sich das Essen über Stunden zog, aber es war gerade erstmal eine halbe Stunde. Mein Essen stand so gut wie unberührt vor mir, ich hatte nur darin herumgestochen. Die Unterhaltung ging freudig am Tisch weiter.
„Enrico, ich habe gehört, dass du in einem Jahr deinen Abschluss machst", sagte Sierra aufeinmal. „Bei seinen Noten wird er wohl noch ein weiteres Jahr an dieser Schule verweilen so wie letztes Jahr", machte mein Vater sich lustig. „Wofür bezahlen wir diese Schule, wenn er eh ein Hoffungsloser Fall ist?", lachte meine Mutter.
Es reichte mir, ich konnte es nicht mehr hören. Die Worte taten mir in der Seele weh. Jedes Wort war wie ein Messerstich mitten ins Herz. Ich stand schwungvoll auf wobei mein Stuhl fast umfiel. Meine Eltern schauten mich geschockt an. So etwas hatte ich zuletzt als kleines Kind gemacht. Meine Selbstbeherrschung hatte leider ein Ende und das viel zu früh. Ich hätte das Essen eigentlich überstehen müssen.
„Enrico Carlos Rodriguez, sofort wieder hinsetzen", befahl meine Mutter in einem lauterem Ton.
Ich antwortete nicht mehr sondern ging aus dem Esszimmer. Wenn ich nicht mal in diesem Haus gewohnt hätte, würde ich mich bestimmt auf den Weg nach draußen verlaufen. Wenige Bilder zierten die sonst so kahlen Wände. Auf keinem war ich zu sehen, aber wundern tat es mich auch nicht mehr. Bilder mit meinen Eltern existierten nur in Zeitungen und Zeitschriften. Jedes dieser Bilder war gelogen. Es sollte eine glückliche Familie spiegeln, die wir eindeutig nicht waren. Ich musste raus aus diesem Haus. In meinem Auto verlangsamte sich meine Atmung. Mir wurde schwindlig, aber ich musste weg. Mit quitschenden Reifen fuhr ich los. Bestimmt hatte ich zehn Verkehrsregeln gebrochen, aber ich war endlich wieder in meinem Apartment. Mein sicherer Ort.
Alessandro
Dadurch das Emilia die Schicht auf meine Bitte nicht angenommen hatte, kam es zu dem seltenen Ereignis, dass wir alle mal zuhause waren. Leider kam es nicht häufig vor, dass wir zeitgleich frei hatten. Einer war immer weg oder nur für kurze Zeit dabei. Während Emilia und Loredana ein Brettspiel spielten, saßen Antonio, Lorenzo und ich in der Küche.
„Er hat was?", fragte er mich geschockt. „Die Rechnung bezahlt", murmelte ich erneut. „Was bildet der Wichser sich ein? Wir schaffen das alleine", protestierte Antonio.
Mir gefiel es selber nicht, aber somit fiel zumindest ein Problem weg. Mein Griff verstärkte sich um meine Bierflasche, denn ich war auch noch so dumm und hatte mich bedankt. Enrico sollte nicht merken, dass er ein wenig hilfreich war. Es ließ uns schwach und hilflos wirken. So etwas konnte schnell ausgenutzt werden. Ich hatte ihm einen Angriffspunkt geboten. Allein schon, dass ich mich überhaupt darauf eingelassen hatte war falsch.
„Was bedrückt dich?", fragte Antonio. „Nichts", log ich, denn ich wollte ihn nicht weiter belasten. „Bestimmt hat der sich noch verliebt", lachte Lorenzo. „Dir gehen auch nie die dummen Sprüche aus, oder?", zischte ich ihn an. „Nein, dafür ist es hier jedes mal zu witzig", meinte er. „Dir sollte man echt die Fresse stopfen", sagte mein großer Bruder.
Nach den Jahren hatte Antonio es noch immer nicht geschafft Lorenzo richtig zu akzeptieren. Er duldete ihn zwar in unserem Haus, aber war noch immer misstrauisch. Böse nehmen konnte ich es ihm nicht, denn selbst ich wusste was es bedeuten kann jemand falsches als Freund zu haben. Die halbe Nacht lag ich in meinem dunklem Zimmer wach. Das einzige was es beleuchtete war mein Handy um drei Uhr morgens. Ich kam auf die glorreiche Idee nach Enrico Rodriguez zu googeln. Schlagzeile über Schlagzeile. Man sollte wohl seinen Feind kennen.
Enrico Rodriguez knutschend mit einem Mann erwischt!
Milliardär Erbe auf Drogen, was kommt als nästes
Stürzt der Milliardärs Sohn jetzt komplett ab?
Rodriguez in den Falschen Kreisen?
Enrico Rodriguez, Sohn eines Milliardär Ehepaares. Mitten in der Nacht auf der Southside. Ist er jetzt auch noch in den falschen Kreisen? Was halten seine Eltern davon? Absturz nicht mehr weit entfernt.
Bestimmt war genug Wahrheit an den Schlagzeilen, aber manche Leute bildeten sich echt etwas ein. Sie verurteilten ihn ohne ihn zu kennen. Alles nur aus der Situation genommen. Ich scrollte weiter bis zur letzten Schlagzeile. Keine positive. Meine Zimmertür öffnete sich ein Stück wodurch mein Zimmer von einem kleinem Strahl Licht erhellt wurde. Lorenzo schaute mich an.
„Was ist los? Wir haben mitten in der Nacht", fragte ich. „Das ist mir schon klar, du kamst mir eben sehr abwesend vor, also sag mir mal lieber was mit dir los ist?", fragte er mit einem Grinsen. „Nichts, was soll schon sein?", sagte ich. „Du bist so abwesend seit dem Enrico hier war", behauptete er. „Es ist alles gut", log ich.
Es war garnichts gut. Ich hatte ihm einen Angriffspunkt gegeben dem ich nie hätte geben dürfen. Ein danke konnte so viel auslösen. Lorenzo schüttelte seinen Kopf, aber verließ dann mein Zimmer. Wieder erhellte nur mein Handy den Raum. Ein Bild von Enrico mit seinen Eltern war geöffnet. Anscheinend war ich ausversehen darauf gekommen, aber ich betrachtete es trotzdem. Enrico hatte einen schicken schwarzen Anzug an. Seine braunen Haare waren ordentlich nach hinten gekämmt. Die sonst so glänzenden grünen Augen sahen leer aus. Sein Lächeln aufgezwungen. Man konnte es auch als unglücklich bezeichnen.
———
Wird Alessandro etwa schwach?
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Nur eine Wette
Novela JuvenilWas war schon eine Wette? Jeder machte das doch, oder nicht? Meist ging es um Geld, aber für Enrico Rodriguez ging es um mehr. Enrico sollte jemand Daten den er über alles hasste. Aber auch er wurde von Alessandro Moretti gehasst. Die Wette kam Enr...