じゅう

131 7 0
                                    

Was wir vorfanden war absolutes Chaos. Schreiende panische Menschen, die krampfhaft in Richtung Ausgang strebten. Eine blutüberströmte in schwarz gekleidete Frau, welche leblos über einem Sarg lag und eine junge Frau mit Augenbinde und einem von Blut tropfenden Mund. Der Auslöser für diese Massenpanik. 

Das war es also. Stoker hatte es geschafft. Er hatte einen toten Menschen wieder zum Leben erweckt, doch zu welchem Preis? Es wirkte nicht so, als wäre die junge Frau bei vollständigem mentalen Bewusstsein. 

"Los, Sebastian!", erklang plötzlich die Stimme des Kinderearls und ich drehte den Kopf zur Seite. Der Dämon stand nicht mehr neben mir, sondern an der Seite seines Herren. Im Bruchteil von einer Sekunde hatte Sebastian ein paar auf Hochglanz polierte Messer gezogen und zielte mit ihnen auf den untoten Körper. 

"Jawohl, mein junger Herr!", sagte er, bevor er die Messer warf und sich ein jedes von ihnen erbarmungslos in das Fleisch der lebenden Leiche bohrte. Die Leiche der jungen Frau fiel nach hinten um und blieb regungslos liegen. 

Argwöhnisch kniff ich die Augen zusammen und trat ein paar Schritte näher. Sie mit dem alten Besteck zu töten war viel zu leicht gewesen. 

Hinter mir hörte ich den Kinderearl zu Sebastian sprechen.

"Hast du sie erledigt?", fragte er und bei dieser Naivität in seiner Stimme musste ich fast schmunzeln. Irgendwie wünschte ich mir, dass sein Name auf der Todesliste stehen würde, doch dieser gottverdammte Dämon würde das natürlich nie zulassen. 

"Bleibt zurück, junger Herr!", erwiderte der Schwarzhaarige und augenverdrehend sah ich wieder zu der Leiche. Nur das diese begann sich langsam wieder aufzurichten. Schluckend trat ich ein paar Schritte zurück. Eines war klar, hier war kein Mensch am Werk gewesen. Keine Abwandlung der Medizin war in der Lage, jemanden auferstehen zu lassen. Und das gleich zweimal. 

Aus Reflex verkrampfte sich meine linke Hand, doch nicht gewohnt um den Knauf meines Gehstockes, sondern um nichts als Luft und Leere. Verdammt, der war ja noch im Hinterraum!

Ich sah wieder zu der Leiche, welche gerade damit beschäftigt war zwei weitere Männer umzubringen und den Boden mit deren Blut zu benetzen. Der Earl und sein Butler sahen schockiert und unfähig, irgendetwas zu tun, zu, weshalb ich die Gelegenheit nutzte und schnell hinter der Bühne verschwand. 

Schwummriges Licht umgab mich und nur schwer konnte ich schemenhafte Umrisse in meiner Umgebung ausmachen. Ich spürte, wie mein altes Herz in meiner Brust zu schlagen begann und wie sich meine Augen auf jedes kleine Detail, welches sie erhaschen konnten, fixierten. Alles war vollkommen ruhig, nur die Schreie der Männer und der Leiche von vorn drangen an mein Ohr, doch dann war da ein anderes Geräusch.

Ein Kichern. Aber nicht irgendein Kichern. Markant und in einer Intensität, dass es einem kalt den Rücken hinunterlief. Unverkennbar. 

Panik überkam mich, während ich losstolperte. War er wirklich hier? Was wollte er hier? War er wegen mir hier? Hatte er mich gesehen? Würde er das beenden, was er vor all den Jahren nicht vollbracht hatte? 
Das Blut rauschte mir in den Ohren, so laut, dass sämtliche andere Geräusche wie durch Watte an mich herandrangen. Das Einzige, wovon mein Körper dominiert wurde, war Panik und Angst. 

Ich konnte nicht mehr sagen, wie ich in den kleinen Hinterraum angekommen war, doch erst, als ich meinen Gehstock wieder sicher in beiden Händen hielt, entspannte ich mich wieder. Ich konnte förmlich spüren, wie sich meine Muskeln lockerten und wie die Klarheit in meinen Gedanken und die Konzentration in meine Augen und Ohren zurückkehrte. 

Auf dem Weg zurück zur Bühne hielt ich mich im Schatten. Bedacht lief ich lautlos durch den Gang und versuchte das altbekannte Geräusch erneut zu erhaschen. Doch war es verschwunden. 

Hatte ich ihn mir nur eingebildet? Hatten mir meine Gedanken schlicht und einfach nur einen Streich gespielt, um mich zurück zu meinem Shinigami-Ich zu bringen? 
So musste es sein. Es war schlicht und einfach unmöglich, dass er hier auf diesem Schiff war.

"Ha, na also!"

Ronald!

Eilig nahm ich die Beine in die Hand und sprintete die letzten Meter zur Bühne, durch den Vorhang und kam schließlich zum Stehen. Die Leichen der beiden Männer von vorhin lagen blutüberströmt auf dem Boden, zwei Meter weiter lag die Leiche umgeben von einer nicht gerade kleinen Blutlache. Earl Phantomhive und sein Dämonbutler standen gegenüber der Leiche und sahen zu dem blondhaarigen Shinigami, der mit seinem Rasenmäher an der Leiche stand und in seiner Todesliste herumblätterte. 

"Hab ich's doch gewusst. Sie war vorher schon tot. Ich hatte ihre Seele bereits ganz regulär geerntet!"

Ronald schloss seine Liste wieder und steckte sie in die Innentasche seines Jacketts, wobei sein Blick auf mich fiel. Ein erleichtertes Lächeln huschte für den Bruchteil weniger Sekunden über sein Gesicht.

"Novalee."

Ich nickte leicht und trat zu ihm heran, unterdrückt lächelnd, dass er doch von 'Ma'am' zu 'Novalee' übergegangen war.

"Sieh dir das nur an! So viel Aufwand für eine doppelt tote Seele!", nörgelte Ronald rum, weshalb ich schmunzelte. 

"Wer ist das?", hörte ich plötzlich den kleinen Earl fragen. Stimmt, der war ja auch noch hier.

"Nun, das solltet Ihr eigentlich wissen, mein junger Herr!", antwortete Sebastian leise, was ihm ein genervtes "hm" von dem kleinen Bengel einbrachte. 

"Ronald, wärst du so freundlich?", wandte ich mich an den Blonden und nickte mit dem Kopf in Richtung der toten Frau, die noch immer blutüberströmt über dem Sarg lag. Ronald nickte, bevor er auf den großen Tisch, auf welchem der Sarg thronte, stieg und seine Sense, beziehungsweise seinen Rasenmäher, in Schwung brachte. 

Ich sah zu, wie aus der Brust die filmischen Aufzeichnungen der Frau emporstiegen, bevor sie verblassten und Ronald wieder zu mir herunter sprang und sich zu mir stellte. In der Zeit hatte ich mir meine Todesliste genommen und einen kleinen Stempel auf die Seite der Frau gedrückt. 

"Zwei Shinigami?"

Ronald und ich drehten uns zu Ciel Phantomhive, der inzwischen allem Anschein nach verstanden hatte, was genau wir waren.

Während Ronald das Reden und Vorstellen übernahm, kreuzte ich die Arme vor der Brust. Es passte mir immer noch nicht, dass ein Dämon im Auftrag eines Kindes auf diesem großen Schiff herumspazierte. Ich würde meine Sense darum verwetten, dass sie in den folgenden Stunden bis zur Totalkatastrophe eine entscheidende Rolle spielen würden. 

"Wenn die Aufsichtsbehörde Wind davon kriegt, dass hier ein Dämon seine Hände im Spiel hat, werde ich Ärger bekommen. Und da ich keine Lust auf Überstunden habe, muss ich dafür sorgen, dass niemand davon erfährt!"

Ich sah zurück zu Ronald, welcher Sebastian mit seinem Rasenmäher angegriffen hatte. Mit Genugtuung bemerkte ich, wie schwer es dem Dämon fiel, den Mäher festzuhalten. 

"Kümmere dich darum, Ronald. Aber lass dir nicht zu viel Zeit. Sie schreitet bereits jetzt erbarmungslos voran!", rief ich ihm zu, bevor ich schnellen Schrittes den Raum verließ. Ich wusste, dass Ronald mich nicht enttäuschen und in kurzer Zeit wieder bei mir auftauchen würde. Jetzt galt es, sich um ein paar Seelen zu kümmern. 

✔︎|𝐤𝐨𝐬𝐚𝐦𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt