"Nanu? Noch so ein gut aussehendes Bürschchen! Ich hab dich, mein Hübscher!"
Ich schloss für einen Moment die Augen. Seit wann war Grell bitte so im Flirtmodus?
Verwirrt, aber gleichzeitig auch etwas verängstigt blickte Rian Stoker zu der jungen Shinigami auf. Doch von Dankbarkeit war in seinem Blick nichts zu lesen, weshalb ich mir ein empörtes Schnaufen nicht verkneifen konnte. Hätte Grell nicht so gute Reflexe gehabt, wäre er Hals über Kopf über das Geländer geflogen und hätte sich beim Aufschlag auf die Fliesen des Foyers, in welchem wir uns befanden, das Genick gebrochen.
"Ich nehme an, du bist derjenige, der diese Leichen zum Herumwandeln animiert hat?", fragte Grell mit einem süffisanten Unterton, während sie den Griff um das Fußgelenk des Arztes etwas lockerte.
"Solche Irregularitäten können wir leider nicht durchgehen lassen!", mischte sich nun Ronald ein, der an Grells rechte Seite getreten war und ebenfalls zu Stoker hinunterblickte.
Schmunzelnd gesellte ich mich auch dazu.
"Denn in dieser Welt ist der Tod ein feststehendes Gesetz, das nicht gebrochen werden darf!", erklärte ich freundlich.
"Und? Wie kann man diese Monster aufhalten?", fragte Grell mit ärgerlicher Stimme. Doch Stoker sah nur böse zu uns hinauf und verschränkte baumelnd die Arme vor der Brust.
"Euch sag ich gar Nichts!", knurrte er.
Ich seufzte.
"Lass ihn fallen."
Ein dreistimmiges "Was?" schall mir entgegen, jedoch hob ich nur eine Augenbraue, während ich die jüngeren Shinigami ansah.
"Rede ich undeutlich? Lass ihn fallen. Vielleicht hilft ihm ein Aufschlag auf die Fliesen, wo sich jene in seinen Nacken bohren, beim Denken etwas auf die Sprünge!"
Ein süffisantes, ironisches Lächeln zierte meine Lippen, während ich mich mit den Unterarmen auf dem Geländer abstützte und den Arzt mit schief gelegtem Kopf musterte. Diese Androhung eines schmerzhaften Todes hatte schon immer geholfen, wenn es darum ging Informationen zu erhalten. Und so war es auch dieses Mal der Fall.
"Ein... Apparat in... meiner Kabine kann die vollkommene Erlösung rückgänig machen!", stieß Stoker mit panischer Stimme aus. Schmunzelnd richtete ich mich auf.
"Zieh ihn hoch!"
Sofort kam Grell meiner Aufforderung nach und hob den Menschen wieder zurück auf die Empore. Dort sahen wir drei Shinigami zu, wie der Arzt zitternd auf die Knie ging und mit hektischer Atmung versuchte sich wieder zu beruhigen.
"Seit wann bist du so gruselig, Mum-Novalee?", fragte Grell mit gedämpfter, aber überraschter Stimme, während sie ihre Hände ausschüttelte. Auch Ronald, der neben Stoker stand und so verhinderte, dass dieser fliehen konnte, sah mit ungläubig-überraschten Blick zu mir.
"Der Shinigami kam vermutlich durch.", mutmaßte ich und zuckte mit den Schultern, bevor ich meinen Sensen-Gehstock wieder zur Hand nahm und anschließend Stoker auf die Beine half.
"Gehen wir, es gibt noch viel zu tun!"
❀☯︎❀
Mit Entsetzen starrte Stoker in den Raum.
Emotionslos stand Ronald neben ihm.
Genervt zwirbelte Grell eine ihrer roten Haarsträhnen zwischen ihren Fingern.
Die Geduld verlierend packte ich Stoker am Nacken.
"Und? Wo ist nun dieser ominöse Apparat?!"
"Er... i-ist weg!", stotterte Stoker, weshalb ich den Griff verstärkte.
"Ach wirklich? Das wäre mir ja gar nicht aufgefallen!", knurrte ich ihn an, bevor ich ihn zu mir umdrehte.
"Hör mir zu, mein Lieber. Ich bin eine wirklich sehr geduldige Person, doch langsam wird es auch mir zu viel. Ich empfehle dir also, keine weiteren Spielchen zu spielen und endlich mit der Sprache herauszurücken! Wen. Deckst. Du?"
Mit jedem Wort wurde meine Stimme lauter und die Temperatur um uns herum kälter. Ich spürte Wut und Hass in mir auflodern, sowie den Wunsch, die Seele des Doktors so schnell wie möglich ernten zu können. Wie viele Menschen mussten noch sterben? Wie viele Unschuldige würde sein verdammtes Experiment noch fordern?
"Mum, lass ihn los, du bringst ihn fast um!"
Ganz vorsichtig löste Grell meine Griff um Stokers Hals und führte mich etwas weg von ihm. Zitternd ging ich in die Knie, Tränen stiegen mir in die Augen. Was hatte ich getan? Was zum Grab meiner Seele war in mich gefahren?
"Es... es tut mir leid, Grell!", flüsterte ich.
"Shh, ist schon gut, Mum!", nuschelte Grell, während sie sich zu mir herunterhockte und die Arme um mich legte. Ganz sanft wog sie mich hin und her und flüsterte mir beruhigende Dinge ins Ohr.
"Besser?"
Stumm nickte ich und fuhr mir übers Gesicht, um die letzten Tränen wegzuwischen, als plötzlich ein unbeschreiblicher Schmerz in meine Augen schoss. Aufjaulend presste ich meine Hände auf sie, wusste vor lauter Schmerzen gar nicht, wie mir geschah.
Wimmernd beugte ich mich nach vorn und wieder zurück, drückte und massierte die Fläche um meine Augen, doch nichts half. Es war, als würde man von innen heraus versuchen, die Augen ins Innere zu ziehen. Es war, als würde man mit einer Sense genau in sie hineinhacken und diese dann mitsamt des Augapfels herausziehen. Ich hatte das Gefühl, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegziehen, bevor sich plötzlich ein unnormal starkes Schwindelgefühl in mir ausbreitete.❀☯︎❀
"-um? Novalee, was ist los!?"
Panisch öffnete ich die Augen.
Ich lag auf dem Boden von Stokers Kabine, der Arzt neben mir knieend, während Ronald und Grell über mir standen und mich besorgt ansahen. Mein Brustkorb hob und senkte sich in hektischen Abständen und mein Herz klopfte in einem ungesund schnellen Tempo gegen meinen Brustkorb.
Mit Stokers Hilfe setzte ich mich auf.
"Was...?", setzte ich an, nicht wissend, wie ich auf dem Boden gelandet war.
"Du... du hast angefangen zu schreien. Als würde man dich abschlachten.", flüsterte Grell, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch.
"Stoker musste dich davon abhalten, dir selbst die Augen auszukratz- Grell, siehst du das?", unterbrach Ronald seine Aussage, bevor er auf meiner anderen Seite in die Knie ging und mit seinen Händen mein Gesicht umrahmte. Hektisch beugte sich Grell ebenfalls nach unten, bevor sie die Augen weit aufriss.
"Das... wie ist das möglich?"
Verwirrt sah ich von Ronald zu Grell und zu Stoker. Der arme Mensch war merklich noch verwirrter als ich es war und saß hilflos und überfordert da.
"Mum! Deine Augen!", rief Grell aufgeregt, bevor sie das Sägeblatt ihrer Sense vor mein Gesicht hielt.
Mein Atem stockte, als ich mein Spiegelbild sah. Wie war das möglich? Nach all den Jahren, wie konnte das passieren?
Das menschlich wirkende Grün meiner Augen war verschwunden. Stattdessen betrachteten mich die typisch strahlend grünen Augen eines Shinigamis. Meine Augen waren wieder zu ihrer unverwechselbaren Shinigamiform zurückgekehrt. Wie war das möglich? Und warum gerade jetzt?
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✔︎|𝐤𝐨𝐬𝐚𝐦𝐞
Fanfiction"𝐃𝐚𝐬 𝐰𝐞𝐜𝐤𝐭 𝐄𝐫𝐢𝐧𝐧𝐞𝐫𝐮𝐧𝐠𝐞𝐧... 𝐍𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐰𝐚𝐡𝐫, 𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐥𝐢𝐞𝐛𝐞 𝐍𝐨𝐯𝐚?" Alles, was Novalee wollte, war in Ruhe ihren Ruhestand genießen, weit abgeschieden von der Shinigami Gesellschaft. Doch als eine gute Freundin ihr v...