じゅういち

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Argwöhnisch lief ich durch die Gänge. Gut, nicht nur argwöhnisch, sondern auch ein bisschen verloren. 

Es war still hier, kein einziges Geräusch außer dem gedämpften Rauschen des Ozeanes drang an mein Ohr. Ich seufzte und fragte mich zum wiederholten Male, warum ich eigentlich hier war. Die Szenerie mit dem untoten Körper spielte sich wieder und wieder vor meinem inneren Augen ab. Dies war ein Teil der Shinigami-Arbeit gewesen, welche ich immer verabscheut hatte. Wenn man selbst die Menschen töten musste, um an ihre Seelen zu kommen. Dies war vor allem bei kleinen Kindern der Fall. Sie spürten, wenn sie krank waren und etwas Schlimmes geschehen würde und versuchten in diesen Situationen um jeden Preis das Unvermeidbare zu umgehen. 

Ich schüttelte den Kopf. Es war hier definitiv nicht hilfreich, an das Einsammeln von Kinderseelen zu denken. 

"Oh, bitte Entschuldigen Sie!"

Ich zuckte zusammen und löste den Blick vom Boden. 

Ein junges Mädchen mit zwei zu Zöpfen gebunden blonden Haaren und großen grünen Augen sah zu mir hinauf. Ein entschuldigender Ausdruck stand in ihrem kindlichen Gesicht geschrieben. Ich lächelte vorsichtig.

"Alles in Ordnung. Ich hätte besser aufpassen müssen, Miss..?"

Die Blondine lächelte, bevor sie leicht knickste.

"Elizabeth. Elizabeth Midford. Freut mich Sie kennen zu lernen, Miss... äh..?"

Ich schmunzelte, als sie mich so fragend ansah. 

"Novalee. Nenn mich Novalee, Elizabeth!"

Elizabeth nickte lächelnd, bevor sie auf den Teller in ihren Händen hinuntersah. Erst da fiel mir auf, dass sie dort ein großes Stück von einer Erdbeertorte balancierte. 

"Verzeih, habe ich dich aufgehalten?"

"Um ehrlich zu sein, ja. Aber dass ist nicht schlimm, ich weiß noch die Richtung, in die Ciel vorhin gegangen ist!"

Ciel? Ciel wie in Ciel Phantomhive? 

"Lass mich dich begleiten. Man weiß nie, was hinter der nächsten Ecke lauern könnte!"

Elizabeth kicherte.

"Das wäre sehr nett, Lady Novalee. Wollen wir?"

Ich nickte, bevor ich mich an ihre Seite heftete und wir zusammen den Gang entlang liefen. 

Dabei sah ich aus dem Augenwinkel zu ihr hinunter. Naiv. Dieses Mädchen war so unglaublich naiv. Ich hätte ein Mörder sein können und sie hätte mir trotzdem erlaubt mit ihr zu kommen. 
Innerlich seufzte ich. Im Kopf ging ich erneut die Liste durch und stellte mit einem größtenteils guten Gefühl fest, dass mir nach all den Malen, in denen ich durch die Liste geblättert hatte, mir der Name Elizabeth Midford nie aufgefallen war. Sie würde diese Nacht überleben. Und das erleichterte mich ungemein, ohne dass ich dies eigentlich wollte. 

Wir stiegen eine Treppe hinunter in den Bauch des Schiffes. Das Licht war schwummrig und es verwunderte mich, dass Elizabeth bis jetzt noch keine Stufe verfehlt, gestürzt und sich das Genick gebrochen hatte; schließlich konnte selbst ich mit meinen Shinigami-Augen kaum etwas erkennen. 

"Sicher, dass wir hier richtig sind?", flüsterte ich ihr zu, doch Elizabeth nickte nur energisch, bevor sie am Fuß der Treppe stehen blieb. Verwundert tat ich es ihr gleich. Da fiel mir auch der Grund für ihr abruptes Innehalten auf. Unmittelbar vor uns erhob sich die Silhouette des jungen Earls. 

Ich sah, wie Elizabeth nach seiner Schulter griff. Im nächsten Moment drehte sich Ciel um und richtete eine Waffe auf Elizabeth, weshalb diese einen spitzen Schrei ausstieß. 

"Lizzy?"

"Ciel! Wollt Ihr Eure Verlobte erschießen!", rief Elizabeth aus und meine Augen weiteten sich. Sie war die Verlobte diesen kleinen verzogenen Jungen?! Mein aufrichtiges Beileid an ihre Zukunft!

"Nein, natürlich nicht- Sie!"

Ciels Blick hatte sich nun auf mich gelegt und mit zusammengebissenen Zähnen sah er mich an. Elizabeth, die Nichts von unserer vorherigen Begegnung wusste, sah verwirrt zwischen uns hin und her.

"Ihr kennt euch?", fragte sie etwas unbeholfen. 

"In der Tat!" Ein klitzekleines, spöttisches Lächeln umspielte meine Mundwinkel "Wir sind uns vor ein paar Tagen bereits auf Deck begegnet, nicht wahr, junger Earl?"

Der Blauhaarige sah mich ein letztes Mal vernichtend an, bevor er ein gepresstes "In der Tat!" hervorwürgte. Schmunzelnd knickste ich einmal, bevor ich einen Schritt wegtrat und mich umsah. 

Während sich Ciel und Elizabeth im Hintergrund unterhielten, ließ ich meinen Blick über das Innere des Schiffbauchs gleiten. Große hölzerne Kisten stapelten sich übereinander und die Dielen knarzten leise, wenn ich über sie schritt.

"Wer ist da?"

Ich schnellte herum, nur um zu sehen, dass der junge Earl seine Waffe auf einen jungen Mann gerichtet hatte, der kaum einen Meter von mir entfernt auf dem Boden hockte. Wie kam es, dass ich ihn nicht gesehen hatte? War ich inzwischen wirklich so blind geworden? Ich blinzelte ein paar Mal und rieb mir über die Augen. Grell hatte Recht gehabt, während meines Ruhestand war ich in der Tat gealtert. 

Als ich meine Augen wieder öffnete, stellte ich erleichtert fest, dass die Shinigami-Stärke in sie zurückgekehrt war und ich auch ohne meine Brille wieder sehen konnte. 

Der Mann, den Ciel als Snake betitelt hatte, sah zu ihm auf, während sich eine weiße Schlange mir zugewandt hatte. Gut, jetzt ergab auch sein Name Sinn. 

"Wer ist das? Fragt meine Freundin Emily."

Ich blinzelte. Was war das denn bitte? 

"Das ist Lady Mabelle. Eine Bekannte von mir!"

Erneut blinzelte ich. Ich hatte ja vieles erwartet, aber nicht, dass mich der kleine Earl als eine Bekannte in so einem freundlichen Ton vorstellen würde. 

Der Earl wandte sich nun mir zu.

"Das ist Snake. Ebenfalls ein Bekannter. Er spricht zudem für seine ganzen Schlangen!"

Ich nickte stumm, bevor ich zu Snake hinuntersah, der mich bereits musterte. Kurz nickten wir beide uns zu, bevor der Weißhaarige erneut mit einer anderen Stimmfarbe als vorhin zu sprechen begann. 

"Was ist das? Fragt mein Freund Oskar." Ich blinzelte und sah zurück zu Ciel und Elizabeth, nur um zu sehen, dass eine weitere Leiche hinter Lizzy stand und dabei war, sie umzubringen.

Ich wusste nicht, ob ich es mit Absicht tat oder sich meine alte Shinigami-Seite an die Oberfläche kämpfte, aber im nächsten Moment stand ich hinter dem Ungetüm und stach ihm mit der Unterseite meines Gehstocks ins Genick. Ich hörte ein hässliches Knacken und im nächsten Moment ging der Zombie in die Knie. Da ich jedoch inzwischen wusste, dass man die Köpfe zerstören musste, um sie zu beseitigen, holte ich ein weiteres Mal aus und malträtierte den Schädel des Untoten, bis dieser leblos vor meinen Füßen liegen blieb. 

Ciel, der Elizabeth mit dem Gesicht an seine Brust gedrückt hatte, sah zu mir auf. In seinem Blick konnte ich den Schreck, aber auch ein unausgesprochenes Danke lesen, weshalb ich kurz nickte und anschließend das Ende meines Stocks an dem schwarzen Frack, den der Untote getragen hatte, abwischte. 

Dabei bekam ich mit, dass Ciel irgendetwas vor sich hinnuschelte, wobei sehr deutlich die Worte "Symbol" und "Aurora" fielen. Anschließend sah er zu Snake, doch dieser starrte ihn nur stumm an, bevor er einen Arm hob, auf welchem zwei seiner Schlangen balancierten.

"Dort hinten sind noch viele dieser Vogelsymbole! Sagt mein Freund Oskar!"

Verdammt!

Zusammen mit Ciel lief ich zu Snake, wo wir seinem ausgestreckten Arm folgten. Und tatsächlich. Sich in einer langen Schlange aufreihend befand sich eine ungemein große Ansammlung an Särgen. 

"Das kann nicht sein!", murmelte ich leise vor mich hin. Das war es also. Das war der Grund, weshalb die Campania sinken würde. 

Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, verdeutlichte sich dieser. Einer nach dem anderen, öffneten sich die Särge und immer mehr Untote traten in unser Sichtfeld und taumelten genau auf Ciel, Elizabeth, Snake und mich zu. 

✔︎|𝐤𝐨𝐬𝐚𝐦𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt