Der helle Kies knirschte unter seinen Stiefeln, als Adrian Crevan dem sauber angelegten Pfad folgte. Seine linke Hand umklammerte einen Strauß mit weißen Rosen, seine rechte hielt eine kleine schwarze Urne mit seinen knochenförmigen Keksen. Die Einzigen, die von seiner Anwesenheit wussten, waren der Mond und der leichte Regen, der ihn benetzte.
Er wusste, dass es weder Grell Sutcliff, Ronald Knox, William T. Spears, noch irgendeinem anderen Shinigami passen würde, würden sie wissen, dass er hier war. Zugegeben, es war nicht einfach gewesen, sich an diesen heiligen Ort zu schleichen. Es hatte ihn Stunden gekostet einen Weg zu finden, um den Shinigami, der am Eingang der Anlage Wache hielt, zu umgehen. Doch war ihm das egal. Was er hier tat, war er Novalee schuldig.
Der abtrünnige Shinigami blieb stehen. Seine grünen Augen legten sich auf die Anhöhe vor ihm. Drei Stufen führten zu ihr hinauf. Drei Stufen entfernten ihn von der einzigen Person, die ihn innig und wahrhaftig geliebt hatte.
Für einen kurzen Moment überkamen ihn Zweifel. Sollte er vielleicht doch wieder umkehren? Doch tief im Inneren wusste er, dass er es sich nie verzeihen würde, wenn er nun wieder umkehren würde. Wenn er sie erneut verlassen würde. Ein letztes Mal atmete er tief durch, bevor er vorsichtig die drei Stufen nahm und an sie herantrat.
Doch kaum, dass sich sein Blick auf sie gelegt hatte, verschwamm dieser und der Shinigami ging in die Knie. Er spürte, wie sein Körper zu beben begann, wie eiskalte Tränen über sein Gesicht liefen und wie sein altes Herz sich auf eine Weise zusammenschnürte, die ihm schier die Luft zum Atmen nahm.
"Oh Nova.", flüsterte er mit zittriger Stimme, als er langsam auf- und somit genau auf Novalee Mabelle blickte. Mit geschlossenen Augen lag sie da, als wäre sie nicht fort, sondern nur gefangen in einem wunderschönen Traum, aus welchem sie jeden Moment wieder erwachen würde. Nur das dies nie geschehen würde.
Adrian stellte die Urne ab und griff stattdessen nach ihren eiskalten Händen, welche gefaltet auf ihrem Bauch ruhten. Noch nie, in seinem ganzen Leben, hatte er es so sehr gehasst diese Position zu sehen, wie in diesem Augenblick. Nie hatte er erwartet, dass es einmal seine Novalee sein würde, die so vor ihm liegen würde.
Der Klos in seinem Hals verstärkte sich, als er den kleinen Ring an ihrem linken Zeigefinger bemerkte. In diesem Moment war es um ihn geschehen und nun brach er vollkommen neben ihr zusammen. Schluchzer und Klagelaute verließen seine Lippen und es war ihm absolut egal, ob er somit auf sich aufmerksam machen würde. Er konnte sich zu gut an die Nacht erinnern, in welcher er ihr diesen Ring geschenkt hatte. Die Nacht, in der er ihr versprochen hatte, dass man sie nie wieder trennen würde und er sie bis in alle Ewigkeit lieben und ehren würde. Nur eines der beiden Versprechen hatte er halten können."Oh Nova.", stieß er erneut aus und schnappte anschließend nach Luft. All die Schuldgefühle in ihm schienen ihn zu verschlingen, ihm war schwindlig und er verfluchte sich zum wiederholten Male dafür, ihr all diese Schmerzen angetan zu haben. Er wünschte sich, dass er die Zeit zurückdrehen könnte und alles anders tun würde. Das er bei Novalee bleiben würde, dass er sie lieben würde, wie sie es verdient hatte. Das er der Mann sein würde, der er zu Lebzeiten gewesen war. Das er dem Versprechen an seinem und ihrem Finger gerecht werden könnte, wenn auch nur für einen Augenblick.
"Es tut mir leid."
Seine Stimme war brüchig, kaum zu verstehen.
"Es tut mir so leid, Nova. Alles, alles was ich dir angetan habe!", schluchzte er weiter, während er auf ihr starres Gesicht sah. Wie sehr er sich doch wünschte, dass der Schatten einer Emotion über jenes huschen würde, selbst wenn es nur Hass und Abneigung ihm gegenüber war.
"Ich war ein Narr. Ich bin einer. Ich sollte hier liegen, nicht du!"
Adrians Atmung beruhigte sich etwas, genau wie sein Zittern, während er sprach.
"Ich hätte auf dich hören sollen. Ich hätte bei dir bleiben sollen. Oh Nova, wir hatten alles. Und ich habe alles weggeschmissen. Ich habe es zerstört, uns zerstört. Und was ich dir angetan habe, oh Nova. Ich habe versprochen, dir die Welt zu schenken. Stattdessen gab ich dir nur Scherben und Schmerz."
Fast schon krampfhaft umklammerte Adrian nun die kalten Hände seiner Nova.
"Ich habe dich zurückgelassen. Zurückgelassen an einem Ort, an welchem du nur durch mich gelandet bist. Wegen mir konntest du nie die Welt sehen, so, wie du sie sehen wolltest. Ich habe dir all das verwehrt, verwehrt weil ich so selbstsüchtig war. Oh Nova, ich wünschte du wärest hier. Ich wünschte, ich könnte dir all das ins Gesicht sagen. Selbst wenn du mich anschreien würdest, selbst wenn du mir sämtliche Knochen und mein Herz brechen würdest, selbst wenn du mich reapen würdest, ich würde es zulassen. Oh Nova"
Adrian brach ab. Er konnte es nicht ertragen. Er konnte es nicht ertragen, sie so zu sehen. Sie so zu sehen und zu wissen, dass es einzig seine Schuld war, dass sie da lag. Hätte er sie nicht verraten und zurückgelassen, dann - da war er sich sicher - wäre so vieles anders. Wer weiß, vielleicht hätten sie sich zusammen irgendwann zur Ruhe gesetzt, hätten vielleicht eine kleine Familie, hätten die Welt gesehen.
Langsam blickte Adrian auf, ließ seinen Blick ein letztes Mal über sie schweifen. Ein letztes Mal nahm er jedes Detail auf, welches er finden konnte. Dann erhob er sich und platzierte den Rosenstrauß in ihren Händen, welche er anschließend wieder um den Strauß gefaltet auf ihrem Bauch positionierte, wie er es so oft mit einem seiner Gäste getan hatte.
"Ich werde jetzt gehen, meine Nova. Ich glaube, dass ist das Beste und Einzige, was ich tun kann!", flüsterte er, während er sich mit einem Ärmel übers Gesicht fuhr.
Anschließend trat er noch näher an sie heran und beugte sich nach unten, bis seine Lippen ein letztes Mal die ihren streiften. Er spürte ihre Kälte, jene Kälte, die ihn begleitete und nicht mehr gehen ließ.
"Leb wohl, Nova. Ruhe in Frieden. Ich liebe dich, damals wie heute, Novalee Crevan", flüsterte er, benutzte den Namen, welchen sie in der Nacht vor so vielen Jahren angenommen hatte, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und ging.
Das silberne Mondlicht umspielte seine gebrochene Silhouette und dieser Anblick war der Letzte, den man vom letzten Mitglied des legendären Duos jemals sehen würde.
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✔︎|𝐤𝐨𝐬𝐚𝐦𝐞
Fanfiction"𝐃𝐚𝐬 𝐰𝐞𝐜𝐤𝐭 𝐄𝐫𝐢𝐧𝐧𝐞𝐫𝐮𝐧𝐠𝐞𝐧... 𝐍𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐰𝐚𝐡𝐫, 𝐦𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐥𝐢𝐞𝐛𝐞 𝐍𝐨𝐯𝐚?" Alles, was Novalee wollte, war in Ruhe ihren Ruhestand genießen, weit abgeschieden von der Shinigami Gesellschaft. Doch als eine gute Freundin ihr v...