✔︎|𝐤𝐨𝐬𝐚𝐦𝐞

にじゅうご

"Nova?!", stießen Grell und Ronald entsetzt aus und drehten sich zu mir um. Ungläubigkeit und der Ausdruck von Verrat war in ihren Augen geschrieben und es tat mir in der Seele weh, sie so vor mir zu sehen. 

"Was soll das, Undertaker?"

Ich atmete auf. Zum ersten Mal war ich froh, dass Stoker hier war und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich lenkte. 

Vor dem silberhaarigen Shinigami blieb er erzürnt stehen und ballte die Hände zu Fäusten.

"Du hast mir doch gesagt, dass man die Leichen mit diesem Apparat kontrollieren könne!"

Adrian löste den Blick von mir und sah mit einem unterdrückten Grinsen zu dem Arzt. 

"Ach ja? Hab ich das?", fragte er amüsiert und tippte sich mit einem Finger ans Kinn, so als würde er angestrengt nachdenken, ob Stokers Anschuldigung wahr sei. Allein durch diese Reaktion wusste ich, dass er den Arzt reingelegt hatte. Und dem war auch so. 

"Hast du mich etwa belogen?", fuhr Rian fassungslos den Shinigami vor sich an. 

"Naja... Ich fand es einfach zu amüsant, dass du ernsthaft versucht hast mithilfe der Medizin Tote wieder zum Leben zu erwecken!", erklärte Undertaker sich und gestikulierte dabei mit seinen Händen, wobei er noch immer eines seiner Sotobas in ihnen hielt. 

"Aber das hab ich doch nur in dem Streben getan, durch die Medizin der ganzen Welt Gesundheit zu schenken!", entrüstete sich Stoker, doch wurde er von Adrian unterbrochen.

"Nun... sobald du meine Fähigkeiten in Anspruch genommen hattest, war keine Medizin mehr im Spiel! Und jemand, der seinen Patienten einer Behandlung unterzieht, die er selbst nicht versteht, darf sich nicht länger als Arzt bezeichnen!"

Stille, ausnahmslos jeder Blick lastete auf dem ungleichen Duo vor uns und wir beobachteten, wie Stoker langsam zu Boden ging, während er am ganzen Körper zitterte. Ein Funken von Mitleid kam in mir auf, jedoch hatte Adrian Recht. Stoker hatte den hippokratischen Eid gebrochen und verdiente es nicht mehr, den Titel eines Doktors zu führen.

Langsam schritt Undertaker auf den völlig aufgelösten Rian zu.

"Du hast alles, was dir meine Wenigkeit erzählt hat, bedingungslos geglaubt... Du warst ein braves Schaf!", tröstete er den Arzt und strich ihm kurz durch die Haare. 

"Mit anderen Worten: Die Wiederbelebungsexperimente sind allein deine Idee gewesen, Undertaker!"

Die Blicke glitten nun zu dem jungen Earl Phantomhive, doch dieser sah mit festem Blick und starrer Mine zu Adrian. Dieser hatte sich leicht von dem Earl und dem am Boden knieenden Arzt weggedreht. Ganz langsam hob er einen Finger und legte ihn sich auf die Lippen, als würde er dem Kind deuten, dass er dessen Anschuldigung niemals kommentieren würde. 

"'Das erfahrt ihr nie', würde ich jetzt am Liebsten sagen!"

Ich kniff die Augenbrauen zusammen und beobachtete, wie der Silberhaarige ein paar Schritte zur Seite trat. 

"Aber da ich von Euch mit Eurer Phönixpose bereits sehr großzügig für Informationen bezahlt wurde, werde ich es Euch verraten!"

Mit einem kleinen ironischen Lächeln drehte sich der Shinigami wieder frontal zu Ciel Phantomhive.

"Ja, es stimmt. Diese wandelnden Leichen wurden von meiner Wenigkeit erschaffen!"

Ein Schauer durchfuhr mich. Es war zwar gut, dass wir nun herausgefunden hatten, wer hinter diesem Chaos steckte, doch irgendetwas an der Art wie Adrian sprach und gestikulierte sagte mir, dass wir hier noch nicht fertig waren. Er war noch nicht fertig. Und egal, was geschehen würde, Nichts und Niemand hielt Adrian Crevan von seinem Vorhaben ab. Kein Shinigami, kein Dämon und vor allem kein Kinderearl. 

"Und zu welchem Zweck?", fragte jener forsch. 

"Ich nehme an...", murmelte Adrian, während er immer wieder mit der Spitze seines Sobotas den Boden antippte und vor sich ins Leere sah.

"... anfänglich war es die reine Neugier gegenüber den Menschen."

Mit einem Mal blickte Adrian auf, doch seine Gesichtszüge waren leer und emotionslos. Nichts an ihm glich dem Shinigami, den ich einst als Meinen betitelt hatte. Er hatte sich verändert, doch diese neue Version gefiel mir ganz und gar nicht. 

"Ein fleischlicher Körper und eine Seele; wenn diese beiden Komponenten vereint sind, existiert ein Mensch. In lebendiger Form. Dieser zeichnet unbewusst die Erinnerungen seines Lebens in cinematografischer Weise auf. Wenn dann sein fleischlicher Körper stirbt und ein Shinigami seine Seele erntet, endet die Aufzeichnung und der Lebende wird zum Toten. 
Der Shinigami extrahiert seiner Liste folgend die Seelen aus den Körpern der Menschen und sorgt dafür, dass die Aufzeichnungen enden. Und das, Tag für Tag, monoton und unbeteiligt. Doch nachdem meine Wenigkeit das Leben des Shinigami schon so lange geführt hatte, fragte ich mich eines Tages: 'Was wäre, wenn es nach dem Ende eine Fortsetzung gäbe?'"

Ich hörte, wie Grell und Ronald neben mir nach Luft schnappten. Ich jedoch schluckte nur. 

Adrian fuhr fort.

"'Wenn es nach der Entnahme der Seele und Beendigung der filmischen Aufzeichnungen noch weitergehen würde?' Was würde dann wohl mit dem fleischlichen Körper passieren?"

Ein fast schon sadistisches irres Lächeln hatte sich auf Adrians Lippen gelegt, während er zu Grell, Ronald und mir hinabblickte. Keine Sekunde später legten sich seine grünen Augen auf mich und unwohl löste ich den Blick.

"Heißt das, du hast die Aufzeichnungen manipuliert?", fragte Grell mit einer für sie ziemlich ruhigen Stimme. Jedoch konnte ich die unterdrückte Wut und das Entsetzen in ihr spüren, weshalb ich ihr vorsichtig eine Hand auf den Arm legte.

Von Adrian kam nur ein verächtliches Schmunzeln zur Antwort. 

"Tz, tja. Wer weiß... Sehen Sie sich doch die Aufzeichnungen mithilfe Ihrer eigenen Fähigkeiten an!"

Alarmiert verstärkte ich den Griff um Grells Arm. Mir gefiel nicht, wie Undertaker sprach. Grell hingegen schüttelte meine Hand ab und eilte auf die nächstbeste Leiche zu, wo sie dann mithilfe ihrer Säge deren filmische Aufzeichnung abrief. 

Währenddessen trat Ronald neben mich.

"Es gefällt Ihnen genauso wenig wie mir, oder?", fragte er leise, ohne den Undertaker dabei aus den Augen zu lassen. Stumm nickte ich zur Antwort. 

"Was?! Was soll denn dieser Unsinn?", begann Grell in dem Moment zu fluchen und gerade rechtzeitig drehte ich den Kopf, um die Aufzeichnungen der Leiche zu sehen. Das Einzig erkennbare war Adrian, der mit einem Hut und einem falschen Bart durch die Aufzeichnung sprang und offensichtlich dort nichts zu suchen hatte. Eine von Adrian angehängte falsche Erinnerung, wie ich vermutete. 

"Indem ich die Endmarkierung der Aufzeichnungen, die mit dem Tod eingefügt wird, entfernt und sie mit einer gefälschten Aufzeichnung verbunden habe, habe ich dafür gesorgt, dass dieses Ende niemals kommen wird. Und da begann der fleischliche Körper, der fälschlicherweise meinte, dass das Leben weiterginge, sich wieder zu bewegen und aktiv zu werden, ohne eine Seele zu haben. 
Die erwachten Körper suchen nun instinktiv nach dem, was ihnen fehlt: nach der Seele. Sie trachten danach, die Herzen der Lebenden zu öffnen, da man darin die Seele vermutet, um mit dieser Seele die unkorrekte Bilanz ihrer Aufzeichnungen auszugleichen!"

Für einen Moment herrschte Stille. Tausend Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Wie hatte ich all die Jahre übersehen können, zu welchem Monster Adrian geworden war? Wie hatte mir dieser moralische Wandel entgehen können? Wie hatte mir nicht auffallen können, dass er sich zum Ebenbild seines Vaters gewandelt hatte?