Kapitel 15

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Nicht einmal eine halbe Stunde später waren es drei bunt bemalte Frauen, die unter den Anfeuerungsrufen von Jace, Simon und Helen Jagd auf den noch unbemalten Magnus machten. Selbst Alec, welcher eher darum bemüht war mit den Farbtöpfen hinterher zu eilen, ließ sich hin und wieder zu einem Ausruf hinreißen.
Unterdessen saßen Luke und seine Frau etwas abseits und beobachteten das Treiben.
„Alec sieht richtig aufgeblüht aus." sagte Jocelyn leise zu ihrem Mann. „Der Urlaub scheint ihm gut zu tun."
Leicht wiegte der dunkelhäutige Mann den Kopf hin und her und strich sich über seinen Drei-Tage-Bart.
„Das mag schon sein, aber trotzdem war es nicht in Ordnung von Izzy."
Natürlich war es gut zu sehen, dass der junge Mann hier langsam zu sich selbst zu finden schien. Dennoch hätte er ihn eigentlich nicht ins Flugzeug steigen lassen dürfen. Oder hätte zumindest den Start verhindern müssen, als ihm klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Spätestens als feststand, dass er nicht freiwillig hier war, hätte er ihn zurück schicken müssen. Aber leider hatte er sich von seiner Lebensgefährtin davon überzeugen lassen, sich das ganze erst einmal anzusehen. In dem Punkt hatte Jocelyn ähnliche Ansichten wie Izzy und er konnte ihr nur selten etwas abschlagen.
In der Zwischenzeit war es Maia gelungen Magnus mit einem Hechtsprung aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihn umzureißen. Sofort waren auch Clary und Aline bei ihm und schnappten sich je einen Arm.
„Beeil dich, Alec. Du darfst ihm auch das Shirt ausziehen."
„Hey!" protestierte Magnus, allerdings nur halbherzig. Es gefiel ihm viel zu sehr zu sehen, wie dem anderen Mann wieder diese verführerische Röte ins Gesicht stieg. Er sah es trotz der Farbe, welche die beiden Wangen bedeckte.
„Wenn du meckerst, ziehen wir dir die Badehose auch gleich mit aus." erklärte Maia rigoros.
Alec musste sich ein leises Kichern verkneifen und gemeinsam mit Clary machte er sich daran den Asiaten aus seiner Kleidung zu pellen.
„Hmm, was für ein Traumkörper." murmelte die junge Frau und schielte kurz zu Jace und den anderen hinüber, hoffend dass niemand sonst etwas gehört hatte. „Übernimm du die Hose, ich halte den Arm fest." flüsterte sie schließlich dem immer röter werdenden Alec zu.
Magnus biss die Zähne aufeinander und versuchte krampfhaft an etwas Unverfängliches zu denken, als große, unsichere Hände sich am Verschluss seiner Hose zu schaffen machten. Er hätte Alec gar nicht zugetraut, dass er das tat, aber die Anfeuerungsrufe der Mädels verhalfen ihm wahrscheinlich zu jeder Menge Mut. In jedem anderen Moment hätte er das sehr begrüßt, aber jetzt hatte er mehr damit zu tun einem gewissen Teil seiner Anatomie einzureden, dass er die zittrigen Finger gefälligst ignorieren sollte.
„Komm schon, Alec..." trieb Aline ihn an. „Wir können ihn nicht so lange festhalten. Ist doch bestimmt nicht das erste Mal, dass du jemanden ausziehst."
Doch Alec hatte mehr mit Magnus' Hose und seinen zitternden Händen zu kämpfen. Einen kurzen Moment traf sein Blick den von Magnus und für diesen kurzen Moment schien die Zeit still zu stehen. Die Erkenntnis traf Magnus wie ein Schlag. Da war neben der Verlegenheit eine Unsicherheit in Alec's Blick, die ihm den Atem raubte. Plötzlich ahnte er, dass Aline's nur so dahin geworfenen Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte.
Was zum Teufel hat er für eine Frau? ging es ihm durch den Kopf, während er den anderen nicht aus den Augen ließ und beobachtete wie dieser ihm die Hose abstreifte.
Wenn das mein Partner wäre, ich würde... Doch mit einem gedanklichen Aufschrei unterband er den Gedanken ganz schnell wieder. Immerhin saß er hier nur in einer Badehose, umringt von kichernden Weibsbildern.
„Auf Alec, die Farbe." erinnerte Clary an das ursprüngliche Vorhaben.
„Welche?"
„Ist egal, nimm einfach alles."
„Das ist unfair." schimpfte Magnus währenddessen und hätte fast aufgestöhnt, als Alec sich auf seine Oberschenkel setzte. Aber er strahlte so, dass er ihm unmöglich böse sein konnte. Außerdem war sein Gesichtsausdruck so unschuldig, dass Magnus genau wusste, dass er keine Hintergedanken dabei hatte.
Wieder überlegte er mit was für einer Frau Alec wohl verheiratet sein musste, wurde dann aber aus seinen Gedanken gerissen als Alec mit eine Pinsel in einem der Farbtöpfe rührte.
„Yeah, Pink. Wenigstens kein Schwarz." murrte Magnus verdrossen.
„S-still... sonst überlege ich es mir noch mal u-und dann werden wir auch nicht zulassen, dass du die Farbe in den nächsten Stunden wieder abwäscht."
Alec deutete mit dem Pinsel auf ihn, wobei die Spitze leicht zitterte.
„Wenn du drohst, Darling..." entgegnete Magnus vergnügt „...musst du damit rechnen, dass ich dir das heimzahle."
„Lass dir nichts gefallen." flüsterte Clary Alec ins Ohr.
Alec fühlte sich plötzlich unwahrscheinlich stolz über sich selbst. Grinsend und aufrecht sitzend rührte er in der Farbe.
„Ich denke, du würdest den Kürzeren ziehen. Ich habe jede Menge Leute, die mich unterstützen ."
„Genau!" pflichtete ihm Maia grinsend bei. „Du stehst auf verlorenem Posten."
Magnus lachte. Doch das verging ihm sofort wieder, als Alec begann mit dem Pinsel über seine Brust zu fahren. Federleicht glitt der Pinsel über seine Haut und als er dann einen Blick auf das konzentrierte Gesicht warf, konnte er das Stöhnen, das unwillkürlich seiner Kehle entschlüpfen wollte, kaum unterdrücken. Alec's Zungenspitze schlängelte sich durch seine Lippen, befeuchtete diese, verschwand dann für einen kurzen Moment um an neuer Stelle ihr Spiel fortzusetzen. Alec schien das gar nicht zu bemerken, dafür wurden Magnus' Augen wie magisch von dem kleinen zartrosa Ding angezogen.
Verdammt! fluchte er lautlos. War er wirklich so unschuldig? Und als Alec dann noch seinen Kopf weiter in Richtung Bauch senkte, um besser sehen zu können was er da malte, schickte Magnus ein Stoßgebet zum Himmel. Das würde der peinlichste Auftritt seines Lebens werden, wenn er einen Ständer bekam, weil dieses Unschuldslamm seinen Bauch bepinselte. Wieder biss er die Zähne zusammen und hätte am liebsten seine beiden besten Freunde angeschrien, dass sie endlich ihre Hintern hier rüber bewegen und ihn retten sollten. Dann begegnete er Maia's amüsiertem Blick und funkelte sie böse an. Die die junge Frau hatte Erbarmen mit ihm, obwohl sie genau zu wissen schien, wo sein Problem lag.
„Alec, mach kein Kunstwerk draus. Streich ihn einfach an."
Dann griff auch sie nach einem Pinsel.
Lautlos formte Magnus ein „Danke." und ließ den Kopf für einen Moment auf den Boden sinken.
„Ich wollte..."
Wieder stieg die altbekannte Unsicherheit in ihm auf und ließ ihn den Satz unbeendet abbrechen.
„Ich kann mir ja vorstellen, dass es bequem ist." sprach Maia unbeirrt weiter. „Aber du kannst nicht den ganzen Abend auf Magnus sitzen."
Alec's Kopf schoss erschrocken hoch. Vermutlich bemerkte er erst jetzt, was er da eigentlich tat, denn er wurde schlagartig um etliche Nuancen röter im Gesicht. Plötzlich wünschte Magnus sich mit ihm allein zu sein und verfluchte sich noch im selben Moment für diesen Gedanken.
Alec dagegen schlug sich die Hand vor den Mund.
„Oh Gott, i-ich..." murmelte er stotternd.
„Mach hin, Darling." flüsterte Magnus ohne seine Augen von ihm zu lösen. „Ehe es mir anfängt zu gut zu gefallen."
„Ich hab das gehört." trällerte Maia, während sie Magnus' Arme bemalte. „Und wenn du still halten würdest, wären wir viel schneller fertig."
Alec wusste gar nicht wo er hinschauen sollte. Komischerweise spürte er neben Verlegenheit noch etwas anderes. Ein eigenartiges Gefühl, dass er nicht wirklich beschreiben konnte und das irgendwo in seinem Bauch zu kribbeln begann.
Wollte Magnus das andeuten, was er dachte? Das konnte nicht sein, oder?
Er wagte nicht den Gedanken fortzusetzen und ließ den Pinsel schneller über die Brust wandern. Magnus' Atem war unruhiger geworden und auch, wenn es den anderen nicht auffiel, Alec registrierte ebenso den schnelleren Pulsschlag an Magnus' Hals.
„Hi-hinsetzen!" brachte er schließlich hervor.
Erleichtert richtete sich Magnus auf und atmete tief durch, denn es bedeutete, dass Alec aufstehen und sich seinem Rücken zuwenden würde.
Reiß dich zusammen! schimpfte er mit sich selbst. Er ist tabu. Er ist verheiratet. Vielleicht mit einer Idiotin, aber er ist verheiratet...
Dann musste er die Augen aber erneut schließen, als Alec begann den Pinsel über seine Schulterblätter gleiten zu lassen.


Etwa eine Stunde später brach die Gruppe der bunten Gestalten in Richtung See auf. Magnus war erleichtert, dass Alec ihm nicht mehr so hautnah war. Dennoch freute er sich darüber, dass dieser in seiner Nähe blieb und genauso lachte wie die anderen auch.
Allerdings wollte und musste er sich selbst noch einmal daran erinnern, dass er unerreichbar war.
„Wenn du dann heim kommst..." fing es deshalb wie beiläufig an „...sagst du deiner Frau: Hey Liebling, ich hatte jede Menge Spaß und kann jetzt tanzen. Lass uns auf eine nette Party gehen."
Verlegen lachte Alec auf und kratzte sich am Hinterkopf.
„Sie würde mich für völlig durchgeknallt halten."
Idiotin... stellte Magnus zum wiederholten Male fest. Dann hechtete er ins Wasser und Alec sah ihm nach, als er auf den See hinaus schwamm. Er wollte sich erst die Farbe abwaschen, ehe er selbst noch eine Runde schwamm.
Camille wäre heute vermutlich ziemlich entsetzt über ihn gewesen. Naja, gestern Nacht schon. Sie hätte dieses Spiel niemals mitgespielt. Natürlich hätte er das im nüchternen Zustand auch nicht, aber dann fiel ihm ein, dass Magnus bei Weitem nicht so betrunken gewesen war und trotzdem Spaß daran gehabt hatte.
Alec seufzte leise, während er sich die Haare einschäumte und ausspülte. Camille beschwerte sich manchmal sogar wenn er zu laut oder zu herzlich lachte und meinte, er solle sich zusammenreißen. Ein Kichern stieg in ihm auf, als er überlegte, was seine Frau wohl zu dem den Gekreische und Gekichere der Mädels gesagt hätte. Oder wie sie reagiert hätte, wenn jemand sie so abgeknutscht hätte, wie sie es untereinander getan hatten – oder wenn sie gesehen hätte, wie er die Männer geküsst hatte.
Irgendwie fiel es ihm in Magnus' Gegenwart und auch in der aller anderen hier leichter gegen seine Schüchternheit oder Verlegenheit zu kämpfen. Er wusste, dass das eine seiner größten Schwächen war und wünschte sich sehnlichst das Selbstbewusstsein seiner Schwester zu haben und ihre Begabung im Umgang mit anderen Menschen. Doch normalerweise war er froh, wenn Camille das Reden übernahm und er einfach nur lächelnd daneben stehen musste.
Jetzt, nachdem er die Menschen hier im Camp kennengelernt hatte - auch wenn es zwei Wochen gedauert hatte bis er sich mit allen in ganzen Sätzen unterhalten konnte ohne gleich ins Stottern zu geraten – kam ihm der Gedanke, dass ihm nur die Gewohnheit fehlte. Er fragte sich, was er tun sollte, wenn er wieder heim kehrte. In der einschüchternden Gegenwart seines Vaters und seiner Frau würde er wohl nie fähig sein so ungezwungen zu reden wie hier.
Nachdenklich auf seiner Unterlippe kauend schlenderte er zum Ufer zurück und wickelte sich in sein Badetuch. Plötzlich fiel ihm auf, dass es ihm hier gefiel. Er mochte die Menschen hier. Vor allem mochte er Magnus – weniger auf eine sexuelle Weise, schließlich war er verheiratet. Aber er erinnerte ihn in der Art und Weise wie er mit ihm umging an Izzy. In seiner Gegenwart konnte er gegen seine Schüchternheit kämpfen, er gab ihm den Mut dazu. Natürlich versuchte Magnus ihn herauszufordern, aber das tat seine Schwester auch. Und Magnus zwang ihn dazu sich zu unterhalten. Alec konnte kaum fassen, wie er am Anfang in das Flugzeug gestiegen war und beim Anblick der fremden Menschen fast schon Panik empfunden hatte.
Jetzt begann er sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen und sich gern mit ihnen zu unterhalten.
„Träumst du?"
Erschrocken, als wäre er tatsächlich gerade geweckt worden, fuhr Alec zusammen, als Magnus sich neben ihm auf sein Handtuch fallen ließ.
„Einen schönen Traum gehabt?"
Alec lächelte leicht und blickte auf den See.
„Mir ist grade durch den Kopf gegangen, dass es mir anfängt hier zu gefallen..."


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