Kapitel 18

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Magnus' Verstand setzte wieder ein, als er ein leises Schniefen hörte. Er lag noch immer auf Alec, unfähig sich auch nur ein Stück zu rühren und dessen Arme umklammerten ihn, als wollte er ihn nie wieder loslassen. Trotzdem fühlte er das Zittern, dass nichts mehr mit der erlebten Ekstase zu tun hatte und das Ausmaß dessen, was er getan hatte, brach über ihn herein. Einen Moment schloss er in ohnmächtiger Verzweiflung die Augen.
Was hatte er nur getan?
Unbewusst strichen seine Hände über die blasse Haut an Alec's Seiten. Wieder konnte er Alec erzittern spüren und kam sich vor wie ein elender Schuft. Magnus hob den Kopf und blickte hinab in das Gesicht unter ihm, sah die Tränen in den grünbraunen Augen schwimmen und fühlte sich gleich noch elender.
„Es tut mir leid..." flüsterte er erstickt. „Es tut mir so leid..."
Alec brachte kein Wort hervor. Er sah sehr wohl die Schuld in den Augen des Asiaten und auch die Verzweiflung, aber in ihm herrschte in diesem Moment ein derartiges Chaos, dass er noch immer keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ihm war klar, dass er gerade seine Frau betrogen hatte und er konnte nicht wirklich begreifen, wie er das hatte tun können. Aber was ihn viel mehr beschäftigte war, WAS er gefühlt hatte. War es das, wovon Izzy immer geschwärmt hatte? Dieses kleine Sterben... Davon sprach sie, wenn sie erzählte, dass sie in den Armen eines Mannes alles vergessen konnte...
Und Alec wollte nur noch weinen. Er hatte über diese kitschigen Berichte seiner Schwester immer gelächelt und nur für sich gedacht, dass seine kleine Schwester aus jeder kleinen Gefühlsregung einen Orkan machte.
Jetzt wusste er, dass er sich selbst belogen hatte. Warum war es mit Camille nie so gewesen? ...
Magnus sagte nichts, auch nicht als Alec sich von ihm löste, aufstand und nach seinem Shirt suchte. Vereinzelte Tränen rannen ihm über die Wangen. Jetzt wusste er, wie man sich fühlte, wenn man, wie Magnus es so schön ausdrückte, den Verstand verlor. Seiner war ganz schön weit verloren gegangen und der Schock war um so größer, weil er jetzt mit aller Gewalt zurückkehrte.
Was hab ich nur getan?
Die Feuchtigkeit in seinen Augen machte ihn beinahe blind, während er mit seinem Oberteil kämpfte und auch nicht mitbekam wie Magnus aufstand und seine Hose schloss. Erst als sich zwei Arme um ihn schlangen, schluchzte er auf und klammerte sich erneut an den Asiaten. Er vergrub sein Gesicht an der Schulter des etwas kleineren Mannes.
Magnus hätte sich am liebsten selbst erwürgt. Das Schluchzen schnürte ihm die Kehle zu. Er verfluchte sich selbst, seine Unbeherrschtheit, seinen Schwanz und wieder sich selbst, weil er eben jenem Körperteil das Denken überlassen hatte. Er konnte nichts anderes tun, als Alec festzuhalten und sich zu wünschen, die Zeit zurückdrehen zu können. Egal wie fantastisch es gewesen war, jedenfalls für ihn...
„Bitte Darling..." flüsterte Magnus hilflos in die schwarzen Locken. „Bitte sieh mich an..."
Es dauerte eine kleine Weile bis Alec sich wieder beruhigte. Nicht einen Moment ließ Magnus ihn los, nie verlor er den Körperkontakt zu dem anderen Mann. Eher noch strich Magnus ihm eine Strähne von der Stirn und sah selbst so aus als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
„Es tut mir leid..." flüsterte der Asiat erneut. „So unendlich leid..."
Kaum merklich schüttelte Alec den Kopf, noch immer unfähig zu sprechen. Noch einmal schniefte er leise und konnte fühlen, wie Magnus ihn wieder an sich zog.
„Was habe ich nur getan..." brachte er irgendwann schließlich hervor, die Stimme rau und kratzig.
Vorsichtig löste Magnus sich von ihm und sah ihm ins Gesicht.
„Nichts, Alexander. Du hast nichts getan. Es ist alles meine Schuld."
Er versuchte ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, doch es wirkte reichlich schief und missglückt.
„Ich bin der unbeherrschte Idiot, nur ich..."
Alec schluckte krampfhaft.
„Ich... ich habe nicht nein gesagt..."
Seine Stimme war nur ein tonloses Hauchen.
„Ich habe mich noch nie so... durcheinander gefühlt..."
Magnus nahm seine Hand und führte ihn zum Rand des Plateaus, dorthin wo sie schon einmal zusammen gesessen hatten. Gemeinsam setzten sie sich an die Kante und Magnus war froh, dass der Jüngere noch seine Nähe suchte. Und zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, was er sagen sollte... Irgendwie erschien ihm jedes Wort falsch. Er starrte eine ganze Weile einfach nur hinaus in den dunkler werdenden Himmel, die Arme auf seine angezogenen Knie gestützt.
„Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst..." murmelte er leise.
„Ich hasse dich nicht."
Magnus drehte den Kopf und blickte direkt in die Augen seines Gegenübers. Im Licht des hereinbrechenden Abends wirkten sie mehr grün als braun. Alec wich seinem Blick nicht aus und generell wirkte er in diesem Moment weniger schutzbedürftig. Obwohl seine Augen noch immer gerötet waren, sah er Magnus so ernst und erwachsen an, wie noch nie.
„Ich hasse dich nicht." wiederholte er.
Nicht nachdem was Magnus ihm gezeigt hatte. Er würde ihn niemals hassen können. Nur sich selbst... Obwohl, nicht einmal das war wirklich sicher. Magnus hatte ihm etwas gezeigt, von dem er nicht einmal zu träumen gewagt hatte und er fragte sich, ob es schlimm sein konnte, so zu fühlen. Er lächelte kläglich.
„Das meintest du, als du gefragt hattest, ob ich den Verstand verliere, ja?"
Magnus stöhnte unterdrückt auf und ließ seine Stirn auf seine Arme sinken.
„Verdammt..."
„Es war... schön." flüsterte Alec und Magnus Kopf schoss wieder hoch.
„Ich... ich werde jetzt ins Camp zurückgehen. Magnus, du... du redest wieder mit mir, ja?"
Alec klang bittend und der Asiat kämpfte schon wieder gegen den Wunsch, ihn an sich zu reißen und ihm zu versichern, dass alles Okay wäre.
„Ja." stieß er hervor und griff nach Alec's Handgelenk, als dieser aufstand.
„Ich hasse mich selbst."
Alec sah hinab in sein Gesicht. Wieder ging es ihm durch den Kopf, wie toll er aussah und er fragte sich, was ein Mann wie Magnus an ihm finden mochte. Doch er sah nicht aus als wäre das hier nur eine weitere nette Eroberung. Er sah aus, als bereue er wirklich, was er getan hatte. Er verfluchte sich dafür und Alec sah die Verzweiflung in den aufgeregt funkelnden Augen. Fast vorsichtig hob der Jüngere eine Hand und strich über die wirr liegenden Haare.
„Hör auf damit." sagte er einfach, beugte sich zu Magnus hinunter und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund, ehe er sich abwandte.
Zögerlich ließ Magnus die Hand gehen und sein Blick folgte Alec, als dieser den Weg hinab zum Camp wanderte.

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