Kapitel 9

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Am Nachmittag des nächsten Tages erreichte eine Hitzewelle die Inselgruppe und brachte das Urlaubsleben nahezu vollständig zum erliegen. Mühselig und schweißgebadet hatte man dringend notwendige Tätigkeiten hinter sich gebracht. Abwechselnd hatten die Männer Holz für den hoffentlich kühler werdenden Abend und den nächsten Morgen gehackt, während die Frauen sich um Getränke und kleine Snacks gekümmert hatten. Danach waren die meisten in den Schatten unter dem Sonnensegel geflüchtet.
Um so erstaunter waren die Blicke der anderen, als Alec sich schließlich trotz der steigenden Temperaturen doch noch zu einem Spaziergang entschloss. Einfach nur herum sitzen lag ihm einfach nicht und machte ihn nur noch nervöser. Außerdem stieg ihm noch immer die Hitze ins Gesicht, sobald er die Aufmerksamkeit des Blonden auf sich spürte. Noch immer war ihm seine Aktion vom Vortag ziemlich peinlich, auch wenn Jace ihm noch am Abend zu verstehen gegeben hatte, dass er nicht sauer auf ihn war. Trotzdem, wie hatte er ihn nur so anfahren können? Natürlich aß auch Alec gerne Fleisch und er liebte Wild, aber sie hatten ausreichend Vorräte. Sie würden keinen Hunger leiden, also musste auch kein Tier unnötig sterben. Seltsamerweise störte ihn das Angeln von Simon weniger, ging es ihm durch den Kopf. Aber vielleicht lag es auch daran, dass der nerdig wirkende Mann viel zu hibbelig und aufgeregt war, um eine ernsthafte Gefahr für die Meeresbewohner zu sein.
Um seine kreisenden Gedanken wieder etwas Einhalt zu gebieten, wechselte er von seinem langsamen Spaziergang zu einer gemütlichen Joggingrunde. Und diesmal konzentrierte er sich auf den Weg.

Am frühen Abend hatte die Hitze kaum abgenommen und noch immer wehte kaum Wind, der etwas Linderung hätte bringen können. So hatte Alec sich dazu entschlossen schon jetzt den Weg zum See einzuschlagen. Er war völlig verschwitzt und brauchte dringend eine erfrischende Abkühlung.
Doch als er das Ufer des Sees erreichte, stockte er einen Moment. Fast alle waren dort versammelt. Das ältere Paar lag auf ihren Handtüchern zusammen mit Maia, während Clary und Simon träge einen Ball zwischen sich hin und her warfen. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen wie Jace aus dem Wasser kam und sich seine Haare zurück strich.
Zögerlich trat er näher. Nervosität kroch wieder in ihm hoch. Auch wenn er inzwischen jeden Abend badete und ein wenig schwamm, so hatte er doch immer darauf geachtet alleine zu sein. Noch immer war es ihm peinlich sich halb nackt und nur mit der engen Badehose bekleidet anderen zu zeigen.
„Hallo Alec." begrüßte Luke ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Willst du dich zu uns setzen?"
Kurz nickte er und legte sein Handtuch zu der kleinen Gruppe. Sehnsüchtig wandte er seinen Blick zum Wasser und kaute sich unsicher auf der Unterlippe.
„Ich...ähm..."
Plötzlich viel ihm die Worte von Magnus wieder ein: Wenn du ins Wasser möchtest, dann tu es.
„Ich wollte auch ins Wasser..."
Noch immer zögerte er, aber keiner der anderen schien ihm großartige Beachtung zu schenken. Mit zitternden Fingern griff er nach dem Saum seines Shirts und atmete noch einmal tief durch. Dann zog er sich den dünnen Stoff rasch über den Kopf, schlüpfte eilig aus seiner Hose und stürzte so schnell es ging ins Wasser, hoffend dass niemand sein rotes Gesicht bemerkte. Stumm schimpfte er mit sich selbst. Wovor fürchtete er sich eigentlich. Er wusste, dass er nicht schlecht aussah und er badete schließlich nicht zum ersten Mal... aber das erste Mal vor quasi Fremden. Magnus hatte Recht, er war wirklich ein Feigling...
Noch immer tief in seinen eigenen Gedanken schwamm er ein Stück und genoss die erfrischen Kühle des Sees. Er bemerkte nicht dass ihm jemand folgte, bis plötzlich ein Kopf neben ihm auftauchte. Erschrocken fuhr er zusammen und verschluckte sich beinahe am Wasser.
„Ich bin stolz auf dich, Alexander." begrüßte Magnus ihn.
Sofort wusste der Größere was der andere Mann meinte und senkte erneut errötend den Blick. Sie hatten seit dem Zusammentreffen in der stürmischen Nacht kaum ein Wort gewechselt und nun fühlte er sich etwas unbehaglich... nein, das war das falsche Wort, eher verunsichert in seiner Nähe.
„A-alec... alle nennen mich Alec."
„Ich weiß, aber ich bin nicht alle." erwiderte Magnus lächelnd.
Schweigend und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend schwammen sie eine Runde um den See. Alec hatte keine Ahnung worüber er sich mit dem anderen Mann unterhalten sollte, aber auch dieser sagte nichts. Doch die Stille war nicht unangenehm, irgendwie tat es sogar gut. Erst als sie sich wieder auf das Ufer zu bewegten, wurde dem jungen Geschäftsmann klar, dass er gleich nur in der nassen und so noch enger sitzenden Badehose auf die anderen zugehen musste. Doch ehe er wieder in die unruhige und fast panische Nervosität fallen konnte, übernahm Magnus die Führung. Langsam richtete er sich auf und suchte mit den Füßen nach Halt im Grund.
„Wo bist du eigentlich her?"
„Ich... ähm... Boston..."
Er fuhr sich etwas verlegen durch die nassen Haare.
„Ich... also, wir... wir wohnen in Boston." gab er stotternd von sich und verfluchte sich innerlich selbst dafür. Doch der andere Mann beachtete es nicht, oder schien es nicht zu bemerken. Wohl eher ersteres...
„Schon dein ganzes Leben?" fragte er stattdessen.
„Ja... ich bin dort geboren u-und meine ganze Familie lebt da... außer meine Schwester. Izzy ist vor drei Jahren nach New York gezogen." erzählte Alec. Er war so auf das Gespräch konzentriert, dass er kaum bemerkte, dass sie die anderen bereits erreicht hatten. Irritiert aber erleichtert wickelte er sich sein Handtuch um die Hüfte, bemerkte dann aber wie die anderen ihn anstarrten, besonders die jungen Frauen. Übergangslos schoss ihm die Röte ins Gesicht und peinlich berührt wandte er den Blick ab. Am liebsten wäre er sofort im Erdboden versunken. Wo war das tiefe Loch, wenn man es brauchte...
„Wenn ihr ihn nicht gleich wieder vertreiben wollt, rate ich euch die Unterkiefer wieder einzufangen und was anderes anzustarren." murrte Magnus gereizt.
Erstaunt über die Worte wagte Alec einen Blick zu den anderen und stellte fest, dass Maia und Clary nun ihrerseits verlegen den Blick senkten und erröteten, selbst im Gesicht von Jace zeigte sich eine feine Verdunklung der Haut und irgendwie beruhigte ihn das.
„Wow, er sieht heiß aus." murmelte jemand, doch er war sich nicht sicher wem die Stimme gehörte, zu laut war das das Pochen seines eigenen Herzens in seiner Brust.
„Sicher, es ist ihm trotzdem peinlich."
Diese Stimme erkannte er... Magnus. Was hatte er gesagt? Sicher? Mit großen Augen und glühenden Ohren warf er einen scheuen Seitenblick erst zu dem Asiaten, dann zu den anderen. Alle fanden dass er 'heiß' aussah?
Er wusste, dass er nicht hässlich war, empfand sich aber selbst nicht als wirklich schön. Sein Vorteil war, dass er groß war, größer als die meisten anderen und hatte einen halbwegs trainierten Körper, aber er war nichts besonderes. Blasse Haut, die selbst nach den sonnigen Tagen auf der Insel immer noch heller war als bei allen anderen. Seine Haare waren unbändig und manchmal gelang es ihm kaum sie selbst mit Pomade im Zaum zu halten. Ebenso bedeckten dunkle Haare seine Brust und mit einem schnellen Blick zu den anderen Männern stellte er fest, dass er der einzige mit Brustbehaarung war. Ein Manko, wie auch seine Frau fand, aber Rasieren oder mit Wachs entfernen kam nicht in Frage. Das hatte er einmal versucht... Außerdem fand Camille seine Schultern zu schmal und seine Taille zu breit. Aber egal wie sehr er versuchte zu trainieren, es änderte sich einfach nicht. Er hatte einmal überlegt auf aufbauende Substanzen zurückzugreifen, doch als er mit seiner Schwester darüber gesprochen hatte, hatte diese ihm die Hölle heiß gemacht. Da er keinen weiteren Bruch mit Izzy riskieren wollte, hatte er darauf verzichtet.
Aber nun fanden diese Leute hier ihn 'heiß'? Selbst Magnus, der in seinen Augen einen perfekten Körper hatte? Oder der muskelbepackte Jace mit seiner goldbraunen Haut?
„Tut mir leid, Alec." murmelte Clary, nachdem sich ihre Gesichtsfarbe wieder normalisiert hatte und auch die anderen blickten ihn entschuldigend an. Leicht nickte er und band sich das Handtuch enger um den Körper.
„Hast du Hunger?" lenkte nun Jocelyn die Aufmerksamkeit auf sich. „Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten von unserem Nachmittagspicknick übrig."
„Ein wenig, ja." gab er zu während er sich zu der älteren Frau setzte und sich etwas von dem Essen aus dem Korb fischte. Noch immer konnte er vereinzelte Blicke auf sich spüren, doch niemand verfiel mehr in das direkte Starren, was ihn erleichtert aufatmen ließ. Kurz traf sein Blick die Gold funkelnden Augen des Asiaten, der ihn aufmunternd und stolz anlächelte, ehe er seinen Blick abwandte und kurz die anderen musterte. Erstaunt zog Alec eine Augenbraue hoch, als er ihn ebenfalls leicht auf seiner Unterlippe kauen sah.


„Jace?" murmelte Magnus schließlich und bedeutete dem anderen Mann mit einer Kopfbewegung ihm zu folgen. Aus dem Augenwinkel konnte er Simon sehen, der sich sofort etwas aufrechter hinsetzte und ihn aufmerksam musterte. Einen Moment schien es, als würde er sich anschließen wollen, doch dann lehnte er sich wieder zurück und nickte kaum merklich. Dankbar zog Magnus einen Mundwinkel nach oben und erwiderte die kleine Geste. Der Blonde hingegen sah ihn kurz skeptisch an, erhob sich dann aber und schweigend entfernten sie sich von den anderen.
„Es tut mir leid, Magnus." begann der Blonde schließlich, als sie fast den halben See umrundet hatten. „Ich habe nicht daran gedacht, dass sie die Tochter eines Sponsors ist. Und ich habe auch nicht damit gerechnet, dass es so ausarten würde. Sie wusste von Anfang an, dass es nur dieses eine Mal geben würde und ich habe ihr nie Hoffnungen auf mehr gemacht. Bitte, dass musst du mir glauben..."
Noch immer schwieg Magnus und blickte gerade aus. Jace konnte sehen wie er mit den Kiefern arbeitete und wusste, dass er versuchte seine Gedanken und Emotionen zu sortieren. Er konnte verstehen, dass der andere sauer war. Diese ganze Geschichte könnte sie ruinieren.
„Ich weiß, dass ich uns... dir damit vielleicht die Chance auf die Teilnahme an den Turnieren verbaut habe und das tut mir wahnsinnig leid. Das wollte ich wirklich nicht, ich weiß doch wie wichtig dir das ist. Ich wollte der Ranch nie schaden und ganz sicher wollte ich nie unsere Freundschaft riskieren. Du bist mein bester Freund, Mags, mein Bruder..."
Bittend, fast bettelnd sah er den anderen an.
„Das weiß ich." antwortete Magnus schließlich und seufzte schwer. „Aber es ändert nichts an den Tatsachen. Du weißt, dass ich nichts dazu sage, dass du jedes Wochenende in wenigstens einem fremden Bett landest. Wie könnte ich, ich war ja früher nicht anders und ich gönne dir den Spaß. Aber trotzdem solltest du Arbeit und privates Vergnügen nicht vermischen. Du siehst ja wo das endet. Wir haben zu hart gearbeitet, um den Ruf der Ranch erhalten zu können, als dass ich jetzt zulassen möchte, dass ein beschissener Fehler alles zerstört. Wie lange planen wir jetzt schon an der Erweiterung des Grundstücks? Aber wenn die Branwells abspringen, können wir den Kredit vergessen."
Hart musste der Blonde schlucken. Daran hatte er natürlich nicht gedacht als er im Überschwang von Alkohol und Lust mit Lydia im Bett gelandet war.
„Ich tue alles, um das zu verhindern, Mags. Versprochen! Wenn es sein muss, heirate ich sie auch."
Diese Worte ließen den anderen ganz leicht grinsen.
„Hoffentlich wird das nicht nötig, ich will den Branwells nicht noch mehr Eingriffsmöglichkeiten geben, als sie eh schon haben und ich will sie ganz sicher nicht in der Familie sehen."
„Ich auch nicht, aber wenn es keinen anderen Weg gibt..." leicht zuckte Jace mit den Schultern. Natürlich gefiel ihm die Aussicht nicht die Sponsorentochter zu ehelichen, aber er hatte ihnen die Suppe eingebrockt, also würde er sie auch auslöffeln, wenn es nicht anders ging.
„Hoffen wir einfach dass Raphael und Ragnor das wieder hingebogen bekommen und dass bei unserer Rückkehr etwas Gras darüber gewachsen ist." seufzte Magnus. Er konnte von hier aus eh nicht mehr daran ändern. Aber es war selbstverständlich gewesen Jace bei diesem Trip zu begleiten, egal wie wütend er auf ihn gewesen war.
„Aber passiert so was noch mal, tunke ich dich eigenhändig in den Ententeich und mache dich mit jeder schnatternden Schönheit bekannt." murrte der Asiat, als er den anderen Mann in seine Arme zog.


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