Kapitel 16

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Es waren ein paar Tage vergangen seit der Party und dem Erlebnis mit den Körpermalfarben... Tage, in denen Alec viel darüber nachdachte.
Auch wenn er durchaus Spaß gehabt hat – vermutlich so viel wie noch nie in seinem Leben, so fragte er sich im Nachhinein dennoch, wie er sich dazu hatte hinreißen lassen. Nicht nur dass er sich praktisch vor den anderen ausgezogen hatte, sondern auch wie er sich Magnus gegenüber verhalten hatte – egal ob nun unter Alkoholeinfluss oder nicht. Sein eigenes Verhalten verwirrte ihn und er musste seine Gedanken sortieren. Er wusste nicht warum, aber er hatte angefangen den Menschen hier zu vertrauen. Lag es daran, dass sie auf ihn zugingen, ihn mit einbanden und ihn einfach nahmen wie er war? Ihn als einen von ihnen akzeptierten?
Trotzdem war es noch immer ein etwas komisches Gefühl nicht als Repräsentant der Firma oder der Hotelkette seines Schwiegervaters angesehen zu werden. Das war eine Rolle, die er kannte und die ihm sehr viel leichter fiel.
Vielleicht konnte er es gerade deshalb nicht lassen immer wieder über das Ganze nachzudenken. Zuhause hätte er das niemals zugelassen. Bei den Engeln, zuhause hätten sein Vater und seine Frau das niemals zugelassen. Weder dass er sich so betrank und wildfremde Leute abknutschte, noch dass er sich halbnackt mit Farbe beschmieren lassen oder selbst andere beschmieren würde. Immer wieder stellte er sich vor, wie seine Familie darauf reagieren würde. Der missbilligende Blick von Robert, in seinem teuren Anzug mit Krawatte und polierten Schuhen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Der entsetzte Gesichtsausdruck Camille's, die ihre lackierten Fingernägel in den Stoff um ihre Hüften krallt. Die einzigen Worte, die er zu hören bekommen würde, wären: „Alec, ich bin enttäuscht von dir." oder irgend eine Abwandlung davon.
Izzy hingegen war eine andere Geschichte. Seine kleine Schwester würde vor Begeisterung quietschend auf und ab hüpfen und in die Hände klatschen. Es würde Minuten dauern, bis sie sich wieder soweit beruhigt hätte, dass sie dazu in der Lage wäre ihn auszufragen. Jedes noch so kleine Detail würde sie erfahren wollen und quengelnd einen Schmollmund ziehen, wenn er nicht bereit wäre ihre Neugierde zu 100 Prozent zu befriedigen...
Diese Vorstellung ließ ihn leicht schmunzeln, während er seinen Verdauungsspaziergang nach dem Abendessen beendete und sich wieder auf den Weg Camp machte. Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont entgegen und ebenso langsam sanken die Temperaturen auf ein erträglicheres Maß. Sobald er zwischen den Hütten hindurch und somit in den Lichtkegel des Lagerfeuers trat, begrüßten ihn die grölenden Stimmen der anderen. Jace, Simon und die Mädels hatten augenscheinlich entschieden, dass ihr Appetit auf Alkohol zurück gekehrt war.
Alec tippte sich vielsagend gegen die Stirn und behauptete nie wieder Alkohol zu trinken, als Jace ihm eine Flasche mit Bier entgegen hielt. Luke und Jocelyn lachten und erklärten, dass ein Glas ordentlicher Rotwein oder ein kleines Bier zum Abendessen in Ordnung wären. Es sollte nur nicht mehr sein. Außerdem würde er nach nur einem Bier oder einem Glas Wein bestimmt keine verrückten Spiele spielen.
Alec fand es gemütlich am Feuer zu sitzen, den Gesprächen zu lauschen und die beginnende Dunkelheit zu genießen. Er hatte sich tatsächlich von den Mädels zu einem Glas lieblichen Wein überreden lassen, nachdem er das Bier nach dem ersten Schluck abgelehnt hatte – zu herb für seinen Geschmack. Trotz der fremden Umgebung und den eigentlich fremden Menschen fühlte er sich in diesem Moment entspannter als an manchen Tagen zu Hause. Allein die Tatsache, das Magnus noch nicht ins Lager zurück gekehrt war, trübte seine Stimmung etwas. Warum war das nur so?
„Wahrheit oder Pflicht!" hielt ihn der Ausruf von Maia davon ab über die Antwort auf seine eigene Frage nachzudenken.
„Ich jogge lieber zum See und werde noch ein paar Runden Schwimmen."
Mit diesen Worten erhob er sich und hoffte, dass es nicht allzu sehr nach Flucht aussah. Aber er hatte wirklich keine Lust dieses alberne Spiel mitzuspielen, oder sich zu noch mehr Alkohol überreden zu lassen. Also verschwand er kurz in seiner Hütte um sich frische Kleidung und seinen Kulturbeutel zu holen.
Er hatte gerade den Pfad durch das Unterholz am Seeufer hinter sich gebracht, als er eine Gestalt in dem noch warmen Sand sitzen sah. Verblüfft hielt er inne.
„Was ist los?" fragte Magnus, weil er ihn erstaunt anstarrte.
„Warst du die ganze Zeit hier?" erkundigte sich Alec überrascht.
„Nein, ich habe den Lärm im Camp gehört und bin erst einmal vor weiteren Spielen geflüchtet."
Leise lachte Alec auf.
„Dieses Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel... aber garantiert wollen sie wieder nur rumknutschen."
Verschmitzt grinste Magnus in Alec's Richtung. Dieser ließ sich neben ihm in den Sand fallen und lächelte schwach.
„Da würde ich jede Wette eingehen."
„Warum bist du gegangen?"
„Sie haben mich schon wieder zu einem Glas Wein überredet. Ich wollte gehen, ehe es wie beim letzten Mal endet."
Magnus zog seine Beine an und legte seine Arme darauf. Während er nach den ersten Sternen Ausschau hielt, murmelte er leise.
„Wir sollten froh sein, dass es nur Alkohol ist und niemand irgendwelche Drogen angeschleppt hat."
„Hm."
Alec ließ sich auf den Rücken fallen, verschränkte die Hände unter dem Kopf und blickte ebenfalls in den Himmel.
„Hab ich dich jetzt vom Baden abgehalten?" erkundigte Magnus sich mit einem Seitenblick.
„Ja."
Der Asiat lachte und Alec beobachtete fasziniert das Licht-und-Schatten-Spiel der untergehenden Sonne in seinem Gesicht.
„Du hast dieses Spiel noch nie gespielt?"
„Nein."
„Wir könnten es spielen?"
„Jetzt? Hier?" erkundigte sich Alec überrascht. „Nein."
„Was kann schon schlimmes passieren?" stichelte Magnus belustigt.
„Es werden peinliche Dinge verlangt... Müssen ja, weil man den anderen herausfordern will und darauf hofft, dass dieser nicht tut, was man verlangt." gab Alec zögernd zu. „Ich spiele so was nicht, ich verliere schon bei der ersten Forderung."
„Du kannst doch die Fragen wählen."
Grinsend und mit einem herausforderndem Blick, drehte sich Magnus zu dem anderen Mann.
„Komm schon, Feigling."
Alec wusste, dass es keine gute Idee war. Aber schließlich war es Magnus und der Gedanke sowieso zu verlieren nicht ganz so schlimm.
„Ich fange an." murmelte er leise. „Wahrheit oder Pflicht?"
„Wahrheit."
Magnus grinste während Alec überlegte.
„Was war das peinlichste, was du je erlebt hast."
Magnus gluckste.
„Das peinlichste? Muss ich nachdenken..."
Einen Moment starrte er in die Luft.
„Ich glaube, dass war damals als mich diese dumme Ziege aus dem Hotelzimmer geschmissen hat und ich blöderweise keinen Fetzen am Leib trug."
„Was?"
Alec fuhr hoch und sah in entsetzt an. Er wäre in der Situation gestorben.
„Du standest nackt im Hotel?"
Magnus nickte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als ihn die Erinnerung übermannte.
„Die Kleine hatte Feuer... aber sie ist auch durchgedreht, wenn es nicht nach ihrem Kopf ging."
„Bei den Engeln, was hast du gemacht?"
Alec konnte es noch immer nicht fassen.
„Eins der Zimmermädchen kam vorbei und hatte Mitleid mit mir. Sie hat mir ein Handtuch gegeben und dann eine Kittel, als wir endlich in der Wäschekammer waren."
Wieder grinste Magnus verschmitzt.
„Und ich habe mich ausgiebig bei ihr bedankt."
Alec wurde rot. Er wollte gar nicht so genau wissen, was er da gemacht hatte.
„D-du bist dran."
Noch immer grinste der Asiat, doch diesmal eher belustigt.
„Gut, Wahrheit oder Pflicht?"
„Wahrheit."
„Wovor hast du am meisten Angst?"
„Puh..." machte Alec nachdenklich. „Wenn mir das passiert wäre wie dir, hätte ich mich umgebracht. Nein. im Ernst..."
Er überlegte.
„Vor drei Wochen habe ich auch nicht geglaubt dieses Camp hier zu überstehen... und hätte noch gesagt: Einen Tag unter mir fremden Leuten überstehen. Aber jetzt? Ich weiß nicht... Eine Reden halten vielleicht?"
„Dann frage ich anders. Was würdest du nie tun?" bohrte Magnus weiter.

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