Wie schön du bist

Kapitel 9

Also ich muss gestehen, dass ich es mir in meinen schönsten Träumen nicht so toll mit Moritz vorgestellt hätte. Ich liebe ihn wirklich aus ganzem Herzen und könnte es mir gar nicht mehr ohne ihn vorstellen. Ich vertraue ihm von Tag zu Tag mehr und ich weiß, dass er mich nie unter Druck setzen wird. Auch mit seiner Schwester Maximiliane verstehe ich mich von Mal zu Mal immer besser. Wir haben zwar fast das Gleiche durchgemacht, aber haben es beide ganz anders verarbeitet. Und mittlerweile bin ich mit ihr und Michelle richtig gut befreundet. Wir gehen zusammen ins Kino oder mal was trinken. Manchmal sogar mit den Jungs zusammen. An dem Tag an dem ich meine Lehrabschlussprüfung bestanden habe, haben sie darauf bestanden, dass wir alle zusammen ausgehen. Es war wirklich ein toller Abend. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, war ich auch an einem Punkt, wo ich Moritz unbedingt wollte. Ich merkte auch, dass er das Gleiche wollte, aber ... naja, wie soll ich es ausdrücken ... bevor wir verschwinden konnten, wurden wir von den anderen aufgehalten und irgendwie kamen wir dann nicht mehr weg. Tja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ironie des Schicksals würde ich mal sagen. Naja, trotz allem gibt es auch bei uns nicht nur rosige Zeiten. Ich für meinen Teil habe einfach ein wahnsinnig schlechtes Gewissen und mache mir selber Druck, weil ich mich einfach nicht überwinden kann über meinen Schatten zu springen und meine Ängste zu überwinden. Ich habe einfach panische Angst, dass es so schrecklich wehtut, wie bei John und das ist etwas, das ich nicht wiederholen will. Natürlich weiß ich, dass das ganz etwas anderes ist, aber trotzdem kriege ich immer diese Flashbacks, wenn wir kurz davor sind. Mein Hirn hat einfach nen Schaden. Ich weiß, dass Moritz es auch will, und ich weiß auch, dass er mich nicht unter Druck setzen will und er sagt auch immer, dass er warten kann und ihm wichtig ist, dass ich mich dabei wohlfühle, da er ja weiß, was ich durchgemacht habe, aber trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich will es ihm gegenüber nicht ansprechen, aber ich denke schon, dass er ziemlich genau weiß, was in meinem Kopf vor sich geht. Er ist ja wirklich der Traum von einem Freund. Ein Beschützer, sehr einfühlsam und dennoch keine Klette. Einfach spitze. Aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht gut genug für ihn bin. Und das ist ein Grund weshalb wir uns manchmal streiten. Er sagt natürlich, dass Geld keinen Unterschied macht, aber ich sehe doch, wie uns die Leute anschauen. Gerade hier in Wien, kennt jeder seine Familie und ich bin das unscheinbare Mädchen an seiner Seite und jeder fragt sich, was ich für eine Rolle spiele und sobald sie erfahren, dass ausgerechnet ich seine Freundin bin, dann sehe ich die abschätzigen Blicke und die stillen Kommentare, die sie mir nie ehrlich ins Gesicht sagen würden. Ich weiß, dass ich nicht gut genug für ihn bin, aber es von anderen auch noch vermittelt zu bekommen, das ist dann doch noch einmal etwas anderes. Moritz versichert mir zwar immer, dass es ihn nicht interessiert was die anderen sagen und er meint auch immer, dass es mich genauso wenig interessieren sollte, aber irgendwie kann ich einfach nicht anders. Und dann gibt es da wieder diese zärtlichen Momente, wenn wir allein sind und da kann ich das dann alles für einen Moment vergessen. Da zählt nur noch, wie sehr ich ihn liebe und wer sehr er mich liebt. Früher dachte ich immer, dass John mich liebt, als wir noch zusammen waren, aber jetzt weiß ich, dass dem nicht so war. Nun weiß ich, dass es ihm immer nur um Sex ging und das ist bei Moritz definitiv nicht der Fall und dafür bin ich ihm wahnsinnig dankbar. In den vergangen Wochen haben wir es sogar geschafft, dass wir John anzeigen können. Das krasseste an der ganzen Story ist, dass er der Kopf der Bande war, die Maxi und ihre Freundin entführt haben. Sie konnten ihn an einem Tattoo identifizieren. Die anderen Jungs sind eingeknickt und haben ihn schlussendlich verpfiffen. Er hat natürlich weiterhin alles abgestritten. Und als der Termin vor Gericht war, hat er ziemlich wiederwillig alles zugegeben. Jetzt muss er erst mal hinter Gitter, da seine Liste ziemlich lang ist und ich bin froh, dass ich ihn so schnell nicht mehr zu sehen bekomme. Aber ich glaube, da geht es nicht nur mir so. Ich hoffe, dass sich nun alles zum Besseren wendet. Vielleicht kann ich ja jetzt auch besser schlafen, wenn ich ihm nicht mehr über den Weg laufen kann. Aber da ich fast nicht mehr alleine schlafe, schlafe ich ohnehin besser. Ja, Moritz tut mir gut und genau deshalb verstehe ich einfach nicht, warum ich es nicht schaffe meine größte Angst zu überwinden. Aber ich kann nur hoffen, dass ich es noch schaffe, denn sonst bin ich mir nicht sicher, wie lange unsere Beziehung noch existiert. Denn ganz ehrlich, wie lange kann eine Beziehung funktionieren, ohne jemals miteinander zu schlafen. Früher oder später gehört das doch einfach dazu, oder nicht?