18.

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Liam hatte das Büro schon lange verlassen, doch noch immer stand Simon am Fenster.
Schließlich wandte er sich ruckartig ab und verließ sein Büro.
„Weißt du, wo Baran sich gerade aufhält?" Fragend blickte er Linus an, der neben der Tür an einem Schreibtisch saß.
Er winkte ab, als sein Adjutant aufstehen wollte. „Bleib sitzen."
Linus neigte dankend den Kopf. „Ich denke, Baran befindet sich im Kerker, Hoheit. Er nimmt die Bewachung der Wandlerin sehr ernst."
„Danke." Simon nickte knapp und stieg die große Treppe am Ende des Flures hinunter.

Sebastian stand von seinem Tisch vor dem Kerkerzugang auf und salutierte.
„Ist Hauptmann Baran hier?"
„Ja, Hoheit. Er ist vor einigen Minuten zu der Wandlerin gegangen."
Simon rieb sich nachdenklich über das Kinn.
„Wer hat gerade Bereitschaft?"
„Farog, Hoheit. Soll ich ihn holen?"
Der König nickte. „Er soll Euren Posten hier übernehmen. Ihr werdet eine Zelle in der oberen Etage vorbereiten."
Fragend hob Sebastian die Augenbraue.
„Nehmt eine der größeren Zellen und sorgt dafür, dass auf dem Bett eine feste Matratze liegt." Simon schmunzelte leicht, als Sebastians Verwirrung zunahm.
„Achja. Und stellt sicher, dass die Zelle ein Fenster zum Wald hin hat."
Sebastian schüttelte verblüfft den Kopf, nahm dann aber Haltung an. „Zu Befehl, Hoheit."
Simon lachte leise.
„Ich muss noch mit Hauptmann Baran sprechen. Aber wenn unser ‚Gast' sich weiterhin positiv verhalten hat, bin ich bereit, ihr die Annehmlichkeiten einer anderen Zelle zu gewähren. Meldet Euch bei mir, wenn Ihr fertig seid. Ich bin unten."

Gegen die Wand am Fuß der Treppe gelehnt, wartete Simon auf Baran.
Einige Zeit später verließ der Hauptmann die Zelle und verriegelte sorgfältig die Tür.
„Hoheit...", grüßte er seinen Herrscher und nahm Haltung an.
Simon wies auf eine offene Zelle. „Ich muss kurz mit Euch reden, Hauptmann."
„Natürlich, Hoheit." Baran nahm gegenüber von Simon an dem kleinen Tisch Platz.
„Wie geht es unserem ‚Gast'?"
„Sie macht keine Schwierigkeiten, falls es das ist, was Ihr meint. Langsam kommt sie auch wieder zu Kräften. Sie scheint ihre Krankheit überstanden zu haben. Dennoch würde ich ihr noch eins, zwei Tage ohne die Droge geben, damit sie wirklich stabil ist. Ansonsten wirkt sie ziemlich niedergeschlagen, aber das dürfte nachvollziehbar sein. Immer wieder scheint sie von einer inneren Unruhe befallen zu werden und tigert durch ihre Zelle. Doch auch das ist verständlich. Immerhin lebt sie sonst frei im Wald. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, sie ab und an unter Bewachung ins Freie zu lassen?"
Simon wiegte abwägend den Kopf. „Das wäre die letzte Option. Sie birgt zu viele Risiken. Doch ich habe etwas anderes vor."
Interessiert legte Baran den Kopf schief.
„Sebastian bereitet gerade eine Zelle auf der oberen Ebene vor. Dort hat sie Tageslicht und mehr Platz. Das sollte vorerst ausreichend sein."
Der Hauptmann lächelte sacht. „Ja, ich denke, dort wird sie sich etwas wohler fühlen und ich bezweifle, dass sie anfängt, Probleme zu machen. Vielleicht solltet Ihr dem Mädchen aber auch eine Möglichkeit zur Beschäftigung bieten."
„An was habt Ihr da gedacht, Hauptmann?"
Baran zuckte leicht die Schultern. „Vielleicht einfach ein paar Bücher, Hoheit?"
„Einverstanden. Kümmert Euch darum, sobald das Mädchen in der neuen Zelle ist."
Simon wandte den Blick zur offenen Zellentür.
„Kommt herein, Sebastian. Ist alles bereit?"
Die junge Wache nahm Haltung an und salutierte. „Ja, Hoheit. Die neue Zelle ist vorbereitet. Zelle 4."
Der König nickte zufrieden. „Dann werden wir das Mädchen jetzt holen. Ihr begleitet mich, Hauptmann. Sebastian – Ihr könnt auf Euren Posten zurückkehren."

Mit angezogenen Beinen saß Tia auf dem Bett und blickte den Lichtschacht hinauf. Die Sonne war längst aus ihrem Blickfeld entschwunden.
Konzentriet schloss sie die Augen und schloss ihre Hand um das Holzherz. Kleine Falten bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie versuchte, ihre Hände in Krallen umzuwandeln.
Tia seufzte frustriert, als es ihr nicht gelingen wollte.
Zwar gelang es ihr inzwischen recht gut, die Teilverwandlungen verschwinden zu lassen, aber nicht, sie bewusst herbeizuführen.
Ruckartig blickte sie auf, als sie den Schlüssel im Schloss hörte.
Ihre Hand schloss sich fester um das Schmuckstück, die Fingernägel wurden spitzer.
Um Beherrschung bemüht, atmete Tia tief durch. Auch ohne hinzusehen wusste sie, wer gleich den Raum betreten würde.
Sie spürte, wie ihre Finger sich einem Pulsieren gleich hin und her wandelten.
Nur langsam ließ die ungwollte Morphose nach und die Krallen bildeten sich zurück.
Einen kurzen Moment erlaubte sich Tia noch, sich auf das Herz in ihrer Hand zu konzentrieren und hob dann den Blick.

Die Julius-Chroniken - Teil 2: Die GeiselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt