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Bei deiner Geschichte weiß ich nicht so ganz, was ich davon halten soll. Im ersten Kapitel baust du sehr schön Spannung auf. Manche Sätze holpern etwas, manche Formulierungen sind etwas widersprüchlich, doch du erschaffst nach wenigen Absätzen bereits eine unheimliche Atmosphäre mit den dunklen Schatten, dem Windhauch, der vermeintlichen Berührung am Arm, dem Wispern.

Dann spricht der Protagonist mit sich selbst – und nennt sich dabei selbst Mister Roberts. Das hat mich voll aus der Atmosphäre rausgehauen. Warum macht er das? Das ist das erste wirkliche Detail, dass ich über den Mann erfahre, und leider schafft es eher Distanz, anstatt sich ihm verbunden zu fühlen.

Danach streust du weiter spannungsaufbauende Elemente ein. Doch du sprichst weiterhin von ihm entweder mit “er” oder “Roberts”. Das wäre voll in Ordnung, wenn du zwischen dem Leser und dem Protagonisten diese Distanz halten möchtest. Aber im Laufe der Geschichte heißt er dann abwechselnd Roberts oder Mark. Das hätte ich mir direkt im ersten Kapitel auch so gewünscht, dass der Leser ihn als Mark kennenlernt. Du schreibst immerhin aus seiner Perspektive – da passt der Nachname einfach nicht so gut, auch wenn du damit vermutlich die Wortwiederholung von „Mark“ vermeiden wolltest.

Du hast Absätze drin, die sind fehlerfrei und passend formuliert, dann kommen wieder Absätze, bei denen ich einige Rechtschreib-, Zeichen- und Grammatikfehler gefunden habe und über beinahe jeden Satz gestolpert bin.

Was du stellenweise echt gut machst, ist, dem Leser zu zeigen, wie Mark sich fühlt, anstatt es nur zu beschreiben. Er zittert, er schluckt, er jubelt.

Dann stellst du dem Leser den neuen Nachbarn von Mark vor. „Er hat einen außergewöhnlichen Namen und ist auch sonst sehr außergewöhnlich.“ Inwiefern er das ist, erwähnst du leider nicht. Am Ende der Geschichte habe ich trotzdem ein recht detailliertes Bild von dem Nachbarn – aber nicht von Mark.

Zwischendurch gibt es ab und zu Ungereimtheiten, ein Beispiel:

Sie stampften durch das hohe Gras seines Gartens, der früher mal noch geblüht hatte.

Mark wohnt seit genau einem Tag in dem Haus, woher weiß er, dass der Garten früher geblüht hatte? Vielleicht sieht der ja schon länger so aus, wie er aussieht.

Allerdings hast du die Umgebung des Gartens ansonsten schön beschrieben.

Zwischenzeitlich sagst du am Ende von Kapitel 2: “Die Jagd hatte bereits begonnen.” Das weckt in mir die Erwartung, dass in den folgenden Kapiteln auch wirklich eine Jagd stattfindet. Leider hat mir die gefehlt. Ich habe beim Lesen die ganze Zeit darauf gewartet, dass endlich mehr passiert als nur ein merkwürdiger Windhauch da, ein geflüstertes Wort hier.

„Und dann fing es erst so richtig an … könnte man meinen. Doch es geschah ganz und gar nicht so, wie Mark Roberts es kommen gesehen hatte.“

Das charakterisiert irgendwie deine Geschichte. Es fängt erst so richtig an … könnte man meinen. Doch dann passiert irgendwie … nichts. Die Atmosphäre bleibt gegen Ende leider auf der Strecke.

Was dir gut gelungen ist, sind die Kapitelanfänge. Kapitel 1 fängt ohne viel Erklärung mitten in der Handlung an. Kapitel 2 und 3 beginnen mitten im Dialog. Das mag ich, so ist man Teil der Geschichte und bekommt nicht einfach nur alle Details mit dem Silbertablett um die Ohren gehauen. Stattdessen kann ich mir selbst Gedanken machen und die Lücken füllen.

Du beschreibst sehr ausufernd den Nachbarn, den Garten, den Kirschbaum, aber das, was in deiner Geschichte eigentlich der Höhepunkt sein sollte, die Geisterjagd, die frühstückst du leider in ein paar Sätzen ab. Die Männer laufen mit Salbei in den Händen durch das Haus, warten dann, ja, ich weiß auch nicht genau, auf was, werden ungeduldig und brechen die Geistersuche dann ab. Du hättest noch beinahe die Hälfte der maximalen Wortanzahl übrig gehabt, um hier mehr ins Detail zu gehen. Stattdessen braucht es eigentlich am Ende weder den Nachbarn, noch den Garten, noch den Kirschbaum, damit die Geschichte funktioniert.

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