Deine Geschichte hat mir extrem gut gefallen. Rein formal war sie fast perfekt, ich habe ein paar wenige Kommafehler, einen Zeitenfehler und keinen einzigen Rechtschreibfehler gefunden, das allein hat mich schon sehr glücklich gemacht. Die Idee, jemanden im Koma eine Zeitschleife durchleben zu lassen, ist jetzt nicht das allerneueste am Geschichtenhimmel, aber es ist super umgesetzt worden. Ich habe beim Lesen nicht in diese Richtung gedacht und mich am Ende überraschen lassen.
Der Schreibstil hat mich sehr angesprochen, wirkt schon fast künstlerisch auf mich. In diesem Stil liegt allerdings auch die Gefahr, Geschwindigkeit an Stellen herauszunehmen, die diese Geschwindigkeit aber gebraucht hätten. Manche Sätze wirken etwas zu kompliziert, holprig oder schlichtweg zu lang.
Zum Beispiel: Mir fällt auf, dass er das Buch nicht liest, nicht wirklich, immer schneller gleiten die Blätter durch seine Finger, als würde er darin nach etwas suchen, nach einer Antwort auf eine bestimmte Frage vielleicht.
Zwischen “Finger” und “als” hätte ich auch im Sinne deines Schreibstils einen Punkt gesetzt, um den Satz zu entkomplizieren.
Oder: Wir sind allein im Laden, ich und der merkwürdige Fremde und die unheimliche Stille um uns herum, und nach einer Weile spreche ich ihn doch wieder an: „Möchten Sie das Buch kaufen?“
Hier liest sich der Satz aufgrund der vielen “unds” holprig. Ich würde einen Punkt zwischen “herum” und “nach” empfehlen.
Oder: Ich taumle wenige Schritte zurück, gehe hinter meinem Tresen in Deckung, und kurz verfluche ich mich dafür, dass ich nicht auf Lina gehört habe und den Notfallknopf unter der Theke habe anbringen lassen, wie sie mir empfohlen hat.
Dieser Satz ist extrem lang dafür, dass die Geschichte hier gerade ordentlich an Fahrt und Spannung aufnimmt. Gerade bei solchen Szenen sind kürzere Sätze wirkungsvoller. Diesen Satz könntest du locker in zwei oder drei kürzere aufteilen.
Abgesehen davon habe ich keine Kritikpunkte. Spannung ist da, man fragt sich ebenso wie der Protagonist, was das alles zu bedeuten hat und wer dieser Typ ist, der ständig dasselbe Buch durchblättert. Nach und nach kommen mehr Details ans Licht, die einen erst mit Fragezeichen zurücklassen und dann aufgeklärt werden. Das Ende passt meiner Meinung nach gut, rundet die Geschichte ab und bietet eine zufriedenstellende Lösung für die offenen Fragen beim Lesen. Dazu passt auch die geschickt gesetzte Wiederholung von “Etwa vierzig Jahre alt, denke ich. Schwarzes Haar, grau meliert, ein bisschen zu lang. Als hätte er keine Zeit für einen Friseur. Er trägt ein weißes Hemd und braune Leinenhosen. Die Brille mit den schmalen Gläsern sitzt ein wenig schief und rutscht ihm immer wieder von der Nase. Vielleicht ein Lehrer. Oder ein Professor.”. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch den Text, ohne überhandzunehmen.
Ich danke dir für diesen Lesegenuss!
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Ideenzauber 2023 - Kritikbüchlein
Short StoryIn diesem zauberhaften Büchlein finden die Teilnehmer*innen des Ideenzaubers ihre Bewertungen. Übersichtlich und anonym.