Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Ich liebe verzweifelte Beziehungen, die zum Scheitern verurteilt sind und doch irgendwie ihren Weg finden.
Dennoch habe ich ein paar Kritikpunkte.
Das erste Kapitel beginnt mit etwas Info Dump. Natürlich hat man in einer Kurzgeschichte nur begrenzt Platz, um alle wichtigen Informationen unterzubringen, hier hätte ich mir das aber etwas geschmeidiger in die Geschichte eingebunden gewünscht, wer jetzt wen heiratet etc.
Manche Sachen werden angeschnitten, dann jedoch nicht weiter ausgeführt.
Ein Beispiel: Aaron ist zwar erst acht Jahre alt, aber ziemlich schlau. Er ist wirklich knuffig.
Inwiefern ist er denn knuffig?
Noch eins: “… Es tut uns auch Leid, dass wir das so über deinen Kopf entschieden haben, aber unsere Familien wollten die Königreiche schon lange zusammenführen und da du jetzt 17 und Raven 18 ist, dachten wir, wäre es endlich Zeit.”
Wieso wollen sie die Königreiche denn zusammenführen? Das entscheidet man ja nicht einfach so irgendwann spontan beim gemeinsamen Kaffeetrinken. In der Regel sind die Herrscher ja eher darauf erpicht, ihr Königreich zu behalten oder sogar zu vergrößern. Da wäre die Absicht für mich schon irgendwie wichtig gewesen.
Und noch ein für den Geschichtsverlauf ja relevantes Beispiel: Seit fast zwei Monaten wurde es uns verboten, uns zu sehen, sodass wir nicht wussten, wie es dem anderen ging.
Du erwähnst leider nicht, warum es ihnen plötzlich verboten ist. Ihre Beziehung ist ja geheim, niemand weiß davon. Warum sollen sich zwei Freundinnen plötzlich nicht mehr sehen dürfen?
Da sind einfach einige Sachen offen, beziehungsweise ergeben so beim Lesen keinen richtigen Sinn, auch, dass gegen Ende der Geschichte die Königin die Scheidung vom König beantragt und im selben Atemzug die Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren legalisiert. Wieso hat da der König plötzlich kein Mitspracherecht mehr? Wer herrscht denn jetzt?
Ich habe mich ebenfalls gefragt, zu welcher Zeit deine Geschichte spielt. Sie soll mit 17 ohne Mitspracherecht verheiratet werden, auf gleichgeschlechtliche Beziehungen steht die Todesstrafe, weswegen ich sofort ein mittelalterliches Setting vor Augen hatte. Die Zofe spricht die Prinzessin mit “Euch” an, der Priester bei der Hochzeit mit “Sie”. Dann wiederum beantragt die Königin die Scheidung, was eher für ein moderneres Setting spricht. Das hat mich beim Lesen verwirrt.
Ansonsten finde ich den Verlauf der Geschichte spannend, du führst den Leser durch die Hochzeitsvorbereitungen, die befürchtete Hochzeit kommt, es gibt eine Eskalation, bevor dann am Ende alles wieder gut wird, ein wunderbarer Spannungsbogen.
Die Protagonistin zeigt Charakter, begehrt immer wieder gegen die erzwungene Ehe auf. Was ich mir allerdings hier etwas gefehlt hat: Sie ist gedanklich kaum bei ihrer heimlichen Freundin. Sie beschwert sich über die Situation, doch sie wirkt für mich nicht wirklich verzweifelt, die Liebe ihres Lebens bald für immer zu verlieren.
Was mir mega gut gefallen hat, ist das Bild, wie die beiden Bräute zum Altar schreiten, die Brautsträuße in den Händen, eine links, eine rechts, passend zu den beiden Königreichen links und rechts.
Formal habe ich einige sich wiederholende Fehler gefunden. Du rutschst immer wieder von Präsens ins Präteritum. Auch bei der Groß- und Kleinschreibung scheinst du noch ein paar Schwierigkeiten zu haben.
In wörtlicher Rede, nachdem der eigentliche Satz noch weitergeht, kommt kein Punkt.
Beispiel: "Wenn keine Hochzeit stattfindet, brauche ich auch kein Kleid.", sage ich trotzig, bereue es jedoch sofort.

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Ideenzauber 2023 - Kritikbüchlein
Short StoryIn diesem zauberhaften Büchlein finden die Teilnehmer*innen des Ideenzaubers ihre Bewertungen. Übersichtlich und anonym.