G804ti (2)

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Liebe Autorin, lieber Autor,

Danke für deine Geschichte. Der Titel passt sehr gut zur Geschichte und mir hat gefallen, wie du den roten Faden durch die Thematik nicht verloren hast. Stringent werde ich beim Lesen durch die Ereignisse geführt. Durch den Prolog erfahre ich die wesentlichen Dinge, die ich benötige um ein Gespür für das Geschehen zu entwickeln, wie es sich im Hier und Heute darstellt.

Diana und ihren Vater als Hauptfiguren kann ich mir trotz fehlender Beschreibungen (ich kenne ihre Haar- und Augenfarbe) gut vorstellen, weil sie Charakter entwickeln im Laufe der Geschichte. Dort, wo du örtliche Beschreibungen (zum Teil wunderschön) in Worte fasst, sodass ich sie mir lebhaft vorstellen kann, fehlen diese Beschreibungen bei den Figuren. Sie fehlten mir nicht wirklich, schlagen aber bei den Punkten zu Buche. Mit der Anzahl der Worte bist du auch am Limit dessen, was hier möglich war, aber bei der Ausarbeitung der Geschichte haben die Beschreibungen zu den Figuren Potenzial.

In aller Regel habe ich die Figuren als authentisch empfunden. Es war nachvollziehbar für mich, warum Dianas Vater so gehandelt hat, wie es beschrieben wurde. Es war auch wunderbar authentisch, wie Diana darauf reagiert. Die Selbstreflexion, ihre Erkenntnisse und Handlungen daraus, waren sehr gut erfasst und nachvollziehbar. Nicht warm geworden bin ich mit der Szenenbeschreibung im Einkaufszentrum. Damit meine ich die Gesamtsituation. Fiktiv ist immer vieles möglich, aber deine Geschichte spielt schon nahe an der Realität. Du beschreibst und erklärst die Situationen auch alle so, dass die Handlung des Vaters nicht abstrus wirkt. Hier im Einkaufszentrum verlässt du das Maß des Wahrscheinlichen und dadurch wirkt die Szene nicht glaubwürdig für mich. Ich habe Zweifel daran, dass die Polizei mit Angehörigen in dieser Form an einem Tatort steht. Das Blut fließt aus einer großen Stichwunde genau im Herz um im selben Augenblick wie ein Netz auf dem Körper der Frau zu ruhen. Fließt es oder ruht es? Beides geht nicht wirklich zusammen.

Was auffällig und auch irritierend war beim Lesen, sind diverse Rechtschreibfehler (in Teilen wirken sie wie Flüchtigkeiten durch eine Autokorrektur), gepaart mit Zeichen- und Grammatikfehlern, kommt es hier zu einem hohen Punkteabzug, was dem Rest der Geschichte nicht ganz gerecht wird. Denn, dass du Geschichten schreiben kannst, zeigt der gesamte technische Aufbau. Von der Idee zur Umsetzung, vom Setting, was (bis auf die Einkaufszentrumszene) immer passend wirkt, über den ganzen Aufbau bis zum Ende. Die Handlung zog sich durch, wie ein roter Faden und meine Neugierde war zu jeder Zeit groß genug um weiterzulesen. Was mir gefehlt hat ist das Eintauchen in die Gefühlswelt. Geräusche, Gerüche, wie sie wirken und Atmosphäre entwickeln. Die vorhandenen Beschreibungen werden oft erzählt, aber nicht aus ihrer Sicht dargestellt. In der Form der vorliegenden Erzählung vielleicht auch schwierig, aber hier ginge mehr, wenn zwischendurch ein „echter" Perspektivwechsel eingetreten wäre. Diana erzählt auch vieles nur, das hält mich emotional auf Distanz und erreicht auch nicht die Atmospähre, die möglich gewesen wäre.

Zusätzlich gab es einige Wortwiederholungen, die mir besonders im Prolog aufgefallen sind. Das Wort „klein" liebst du dort  Ein kleines Mädchen, ein kleines Haus, ein kleiner Rasen ... Ja, Dianas Welt ist zu dieser Zeit klein, aber einen Gegensatz zu lesen, wäre schön gewesen. Der Rasen hätte grün sein können und das kleine Haus einfach ihr Zuhause. Bei dem, was sie später erlebt, spielt es keine Rolle, wie klein oder groß das Haus ist. Die Wahrnehmung als Gefängnis wäre in jedem Falle glaubhaft.

Zum Ende hin überstürzen sich die Ereignisse etwas. Das Geschehen erscheint im Zeitraffer und die Entwicklung des Vaters, wie das Zusammenspiel mit Nicolay kommen mir zu schnell. Hier fehlt die zeitliche Entwicklung. Da bin ich aber sicher, dass das dem Wortlimit geschuldet ist. Die Geschichte brauchte dieses Ende und ich habe es ihr sehr gegönnt, dass sie Nicolay kennengelernt hat. Aber bei allem Aufbegehren und den Sozialkontakten über das Internet, erscheint es nicht realistisch, dass Diana sich derart schnell in die neue Situation und ihr Umfeld einfügt. Ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Schulgeschehen, wirkt zu „normal". Hier merke ich nicht, dass sie über Jahre eingesperrt und nur mit ihrem Vater zusammen war. Dazu wirkt sie hier zu abgeklärt, was okay wäre, wenn sie schon immer zur Schule gegangen wäre. So ist die Entwicklung für mich zu schnell.

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