Kapitel 27 ~ Nachbar

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Das Stöhnen klang gequält, als hätte sich jemand verletzt oder war hingefallen. Takehiko schnüffelte in die Richtung, aus welcher die Laute gedrungen waren, während Kakashi mit erhobenen Kunai dorthin lief. Sie kannte diesen Geruch. Er war ihr vertraut und unzählige Male hatte sie ihn wahrgenommen, doch es wollte ihr nicht einfallen, wer dies war. Es blieb jedoch nur eine eindeutige Antwort: ein Clanmitglied.

Sie wollte Kakashi bereits warnen, sie wollte zu ihm laufen und ihm den Rücken stärken, doch mehr als ein Bellen kam nicht aus ihr heraus. Sie hatte sich erhoben und sich zu ihrer vollen Größe aufgerichtet, als er hinter den anscheinenden Baum trat, aus dessen Richtung das Knacken ertönt war. Sie sah seine Anspannung, seine Geduld und seine Vorsicht, die durch seinen gesamten Körper fluteten, bis er letztendlich hinter den Baum lugte und Überraschung in seine Haltung trat.

Sie sah es genau, wie er hinter seiner Maske eine Augenbraue hob, die Person hinter dem Baum genauestens musterte. Sein Kunai senkte sich, seine Verteidigungsstellung nahm ab, blieb jedoch in seiner Muskulatur aktiv. ,,Ein Tsunagari", hörte sie ihn sagen, ,,Ein Kind." Es quiekte hinter dem Baum, als er diese Worte aussprach und das Kind einen Satz zurücksprang, um Abstand zu gewinnen. Der Jüngere trat dabei hinter dem Baum hervor und unweigerlich weiteten sich Takehikos Augen, wobei sich ihr Körper wie von Geisterhand auf ihn zubewegte.

Es war ihr ein Rätsel, wie sie seinen Geruch nicht zuordnen konnte, obwohl sie ihn heranwachsen sehen hat. Sie hatte ihn im Umgang mit seiner Umgebung gelehrt, ihm die Tüken des Waldes erklärt und immer auf ihn Acht gegeben. Mit ihm hatte sie gewaschen, Nahrung vorbereitet, Beeren gesammelt. Abends saßen sie gemeinsam am Feuer, redeten. Der Junge aus dem Nachbarzelt. ,,Yori", kam es aus ihr heraus, als sie ihre Kojoten-Form verließ und vor ihm auf beide Knie fiel.

Sie traute ihren Augen nicht, warf zudem Kakashis gesamte Aufmerksamkeit auf sich und den Jungen vor ihr. Sie hatte nicht geglaubt, ihn jemals wiederzusehen, doch nun stand er vor ihr. Auch Yori machte große Augen, blickte von ihr zu dem Anbu in ihrem Rücken und wieder zurück. Er musterte Takehiko, während ihm dicke Tränen in die Augen stiegen und er ein kräftiges Schniefen unterdrückte. ,,Hiko~", weinte er und streckte seine Arme in ihre Richtung, um ihr um den Hals zu fallen, was sie großzügig erwiderte.

Sie schlang ihre Arme um seinen kleinen zitternden Körper und drückte ihn fest an sich. Er war trotz der Erziehung des Clans ein Kind, das seinen Gefühlen freien Lauf ließ, wenn sie an Überhand gewannen. ,,Ich dachte, d-du bist tot", schniefte er in ihre Schulter und krallte sich in ihren Rücken. Beruhigend brummte sie, schüttelte ebenfalls mit dem Kopf, ehe sie ihre Hand auf seinen Kopf legte und durch dessen Haare wuschelte - genauso wie es Kakashi bei ihr getan hatte.

Sie hielt ihn im Arm, schaukelte mit ihm hin und her, doch als die bittere Erkenntnis sie traf, drückte sie ihn bestimmt von sich weg und packte ihn sanft an den Schultern. Was machte ein Kind in seinem Alter mitten im Wald? War er allein? Wie nah waren sie dem Clan wirklich gekommen? Waren sie bereits in Gefahr? ,,Yori, bitte sei ehrlich: Was machst du hier?", fragend blickte sie ernst in seine Augen.

Der Junge zuckte jedoch erschrocken zusammen, da ihre Wesensveränderung sprunghaft und unvorhersehbar kam. Kakashi verstand zuerst nicht, was sie damit bezwecken wollte, wollte sie sogar tadeln, dass sie nicht in diesem Ton mit ihm sprechen konnte, doch als es ihm ebenfalls auffiel, spannte er sich erneut an und schärfte seine Sinne. ,,Bitte, sag es mir", hörte er sie mit Nachdruck sprechen, doch den Hauch Angst nahm er deutlicher wahr, als den Rest seiner Umgebung.

Takehiko hatte Angst - schon die ganze Zeit und er hatte es nicht bemerkt. Was dachte er sich eigentlich dabei, sie zurück zum Ursprung ihres Leidens zu bringen? Zu dem Ort, an dem sie ausgestoßen und geschändet wurde. So viel Wissen sie auch besaß, an ihrer Psyche zu rütteln, gehörte sich nicht für einen Shinobi! Er hatte es dennoch getan und nun standen sie hier - im Gebiet des Feindes. Selbst das Mädchen zitterte, unfähig sich umschweifend zu bewegen, als er es in seinem Augenwinkel sah.

Eine Bewegung - schnell und präzise, direkt auf das Mädchen gerichtet. Sein Atem setzte einen Zug aus, als er vorpreschte und schützend seine Arme um sie schlang, um sie beiseite zu ziehen. ,,Hiko!", rutschte es ihm heraus, bevor er sie zur Seite riss und die geballte Faust seine Schläfe traf. Seine Maske verrutschte leicht durch den Schlag, verhinderte jedoch nicht den Blick auf seine Kameradin, die ihn mit schreckgeweiteten Augen anstarrte und hastig atmete.

Kakashi sprang mit ihr auf sicheren Abstand und stellte sich verteidigungsbereit vor sie, während sie sich zurück auf die Beine kämpfte und das Gespann ihnen gegenüber musterte. ,,Das ist sein Vater", hauchte sie in seine Richtung und stützte ihre Hände auf ihre Knie, um ihrem Körper Stabilität zu geben.

Der Mann beobachtete die beiden mit zusammengekniffenen Augen, stand ebenfalls schützend vor seinem Sohn und war bereit die Eindringlinge anzugreifen. ,,Hat diese Schande dir etwas getan?", wandte er sich zornig über die Schulter an den Jüngsten der Runde, welcher starr vor Schreck keine Antwort gab.

,,Ziehen wir uns zurück, 39. Wir haben, was wir wollten", die Tsunagari wusste, dass sie den Hataken nicht beim Namen nennen durfte, nutzte daher seine Shinobinummer. Persönlich wollte sie diesem Szenario entfliehen, doch auch ihr Verstand schrie, dass ein Rückzug die beste Möglichkeit darstellte. Einen Kampf konnten sie sich nicht leisten - nicht, wenn der Clan in der Nähe war. Sie würden chancenlos verlieren. Da konnte ihnen selbst Kakashis Talent nicht von Nutzen sein.

,,Solange die Chance noch besteht", hing sie an ihre Worte an, sodass nur der Junge die Nachricht hörte. Du kennst ihre Stärke nicht, wollte sie damit ausdrücken. Sie wollte ihn vor einem Kampf bewahren. Sie selbst kannte die Kraft des Clans zu gut und hatte sie bereits am eigenen Leib spüren müssen. Er sollte nicht das selbe Schicksal erleiden wie sie.

Rechtzeitig wurde ein Wort der Unmöglichkeit: Sie traten noch keinen Schritt rückwärts, da sauste die nächste Faust auf sie zu. Ein Vater, der sein clanangehöriges Kind verteidigte. Es glich einer Bestie, der Kakashi geschickt auswich und das Mädchen zur Seite sprang. Ein Krachen ergröhlte durch den Wald, der Boden splitterte auf, doch die gewaltige Kraft entlud sich nicht auf das Team.

,,Ihr entkommt nicht", erklang es hinter dem Anbu, als der nächste Tiefschlag ihn anvisierte und in seine Rippengegend einhämmerte. Er hustete, hielt sich die schmerzende Seite, als ein weiterer Haken ihn traf. Selbst das Sharingan sah den Feind nicht kommen! Er suchte die Gegend ab, sah aber nicht, aus welcher Richtung der Mann zuschlug. ,,Er nutzt seine Kojoten-Form", schrie ihm die Tsunagari entgegen, als der Feind hinter ihr auftauchte und sie geschmeidig zur Seite schleuderte.

Sie hatte nicht genug Zeit, ihm alles zu erklären, doch sie wusste, wie er kämpfte. Auch wenn der Vater des jungen Yori sie sauber erwischte, bestätigte sich ihre Theorie, als sie ihn erblickte, wie er auf ihren Partner zusauste. Er beherrschte die Verwandlung erstklassig. Dagegen war die Technik und Schnelligkeit des Mädchens ein Witz. Als Kojote stürmte er auf seinen Gegner zu, nur um im letzten Moment als Mensch bei diesem aufzutauchen und den Schwung zum Schlag zu nutzen.

Suchend schaute sie sich um: Ein Plan musste her - sofort! Ohne eine wirksame Taktik würden sie sterben, was ihr demonstriert wurde, als Kakashi keine Zeit für einem Gegenschlag bekam. Sie hatte es auf anderen Missionen zu oft unter Beweis stellen müssen, dass sie Strategien entwickeln konnte, doch unter dem Druck, dass sie direkt daneben verweilte, kratzte es an ihren Gedanken. Kakashi brauchte Hilfe - unbedingt.

1277 Wörter

Coyote Secret (Kakashi FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt