Kakashi verweilte einen Moment, blickte auf sie herab. Sie entschuldigte sich? Sie unterwarf sich? Soetwas tat kein Feind. Definitiv nicht. Noch nie hat sich ein Feind bei ihm entschuldigt, geschweige denn unterworfen! Dennoch blieb er achtsam, senkte aber sein Kunai und hockte sich mit ausreichend Abstand vor sie, musterte sie neugierig. ,,Du bist also doch eine Tsunagari", stellte er unbeeindruckt fest. Sie hatte ihm diese Frage längst beantwortet. ,,Und du scheinst nicht feindlich gesinnt", führte er seinen Gedanke fort, woraufhin sie ihren Kopf leicht anhob und seinen Blick erwiderte.
Ihre himmelblauen Augen strahlten intensiver, als er es von Minato gewohnt war. Sie hatten etwas sanftes in sich, dass ihn bestätigte, dass sie kein Feind war. Ein Feind würde niemals so schauen, selbst wenn er eine Rolle schauspielern würde. Diese Gefühle in ihren Augen waren echt.
Sachte schob der Junge Shibas Pfote beiseite, um sich entspannt auf den Teppich zu setzen. Seine lockere Haltung entspannte sie ebenfalls, doch sie nahm ihre Hände nicht hoch, wollte nicht als Gefahr eingestuft werden. Lediglich ein übersehbares Nicken konnte sie unter ihrer Furcht Zustande bringen, doch er sah es deutlich. ,,Es tut mir leid, dass-", wieder brach sie ab und schluckte hörbar. Sie schielte zu dem Kunai, welches noch immer in seinen Händen lag. Er würde es nicht weglegen. Er würde seine Verteidigung nicht vollständig fallen lassen.
Kakashi hob eine seiner Augenbrauen, scannte sie von oben bis unten: Wie sie vor ihm kniete, sich entschuldigte, doch für was? Dass sie in seiner Wohnung herumstöberte? Als hätte sie seine innere Frage gehört, setzte sie erneut zu Sprechen an: ,,Ich habe dir Schmerzen zugefügt.. Das tut mir leid." Ihre Stimme wurde mit jedem Ansatz fester, als würde sie aus ihrer Komfortzone herausgekrochen kommen. ,,Es war nicht mit Absicht, eher eine Notlösung", kam sie mit der Sprache heraus.
Er hätte meinen können, dass er sich irrte, doch es war unübersehbar. Ein Gedanke keimte in ihm auf, wuchs langsam heran und nahm immer mehr Gestalt an - mit jeder Regung, die er von ihr vernahm. Er sah, wie ein Hauch Traurigkeit und eine Spur Zweifel die Angst in ihren Augen ersetzen, als schien sie sich an etwas zu erinnern, dass sie nicht wahrhaben wollte. ,,Eine Notlösung aus Eigeninteresse." Er wurde sich mit jedem ihrer Worte sicherer.
Stille erfüllte den Raum, ummantelte die beiden Kinder. Eine erdrückende Stille. Sie lastete auf ihren Schultern, doch lediglich der Wind, der gegen Kakashis Zimmerfenster schlug, durchhallte seine Wohnung, ließ wissen, dass dieser Augenblick real war - kein Traum.
,,Ich wollte dir nicht Schaden", brachte sie hervor, doch der Hatake erinnerte sich an ihre Worte an vorhin. ,,Du hättest mich töten können." Sie hatte es deutlich gesagt. ,,Du sagtest, wenn du länger in mir geblieben wärst, hättest du mich getötet."
Eingeschüchtert von seiner direkten Konfrontation mit diesem Thema, nickte sie kleinlaut. Kurz schloss sie die Augen, atmete tief durch. Kakashi sah, wie sie sich wieder beruhigte, ihr Atem tiefgründiger sowie geregelter wurde. ,,Du weißt nicht viel über meinen Clan oder?" Noch bevor er reagieren konnte, schüttelte sie auf ihre eigene Frage den Kopf. ,,Du weißt nichts über ihn. Ich habe es doch selbst gehört. Nur ein paar alte Floskeln aus Geschichten, die dein Meister dir zusammengefasst hat." Kaum waren die Worte aus ihren Mund gedrungen, hob Kakashi sein Kunai in ihre Richtung.
Wieder stolperte ihr Atem, doch sie konnte sich zusammenreißen und hielt seinem Blick stand. ,,Ich war in dir. Ich habe gesehen, was du gesehen hast. Ich habe gehört, was du gehört hast", erklärte sie schnell, bevor er die Zeit gehabt hätte, ihr sein Kunai in den Hals zu rammen. ,,Es ist eine Clan-Fähigkeit. Früher wurde es zur Spionage genutzt." Fast sofort verengte er seine Augen. Spionage. ,,Ich habe nicht vor, dein Dorf auszuspionieren", erkannte sie seinen Gedanken und machte diesen zunichte. ,,Wie gesagt: nur Eigeninteresse", erinnerte sie ihn an ihre vorherigen Worte und zum Glück ließ er sein Kunai wieder sinken.
,,Welches Eigeninteresse?" Äußerlich verhielt sich der Junge wie die Ruhe in Person, doch innerlich platzte er beinahe vor Anspannung. Er hatte vor sich ein Mädchen sitzen, welches anscheinend wochenlang in seinem Körper gelebt hatte, welches von einen Clan abstammte, der in allen großen Dörfern abgewiesen wurde. Ein Clan, der laut Minato höchst gefährlich war, doch er sah nichts an diesem Mädchen, was für ihn Gefahr signalisierte. Laut den Maßnahmen des Hokage musste er dieses Mädchen ausliefern, um die Sicherheit des Dorfes zu gewährleisten, doch hatte sie dies verdient? Noch nie hatte er einen solchen Zwiespalt bei einem Feind empfunden, doch - Sie war kein Feind, zeigte keinerlei Anzeichen dafür.
,,Sicherheit", gab sie in genau dem selben ruhigen Ton zurück. Genau dies wollte Kakashi für sein Dorf. Sollte er deshalb auch im Namen der Sicherheit handeln und sie gefangen nehmen? Immer noch fixierte er sie mit seinem Blick, doch er erkannte nur, dass seine Möglichkeit nicht darin bestand, sie an den Hokage zu übergeben. ,,Ich wollte nicht sterben, aber nun hast du mich entdeckt." Als wäre es beiläufig, zuckte sie mit den Schultern, lächelte traurig.
Es wirkte auf ihn, als hätte sie sich mit dem Gedanken abgefunden, dass er sie ausliefern würde. Sie schien sogar sehr sicher damit. ,,Warum solltest du sterben?" Er hatte den Verdacht, eine rhetorische Frage zu stellen, eine Frage, deren Antwort man bereits wusste. Sie hatte ihn angegriffen, für Wochen handlungsunfähig gemacht und war in Konoha ungesehen eingedrungen. Sie würde sterben, wenn er es dem Hokage meldete. ,,Ich bin schwach." Wieder lächelte sie traurig.
Sie hatte sich mit dem Gedanke tatsächlich abgefunden, doch Kakashi wusste, dass es stimmte. Er erinnerte sich an Minatos Worte, dass ihn eine abgeschwächte Form erwischt haben musste. ,,Ich passe damit nicht in den Clan. Sie haben mich verletzt und vertrieben." Wie auf Kommando entfernte sie zum ersten Mal ihre Hände vom Boden und schob ihre Ärmel ein Stück in die Höhe. Tiefe sowie große Narben zeichneten sich auf ihren Armen. Sie log nicht. ,,Auf meinem Rücken sind ebenfalls welche." Sie legte ihre Hände zurück auf den Boden, um sich weiterhin angreifbar zu zeigen. Sie wollte keine Aktion starten, lediglich Sicherheit finden, dies hatte Kakashi mittlerweile verstanden.
,,Das sieht schmerzhaft aus." Er hätte sich schlagen können, doch etwas besseres fiel ihm nicht ein, aber sie bestätigte seine Aussage mit einem Nicken. ,,Es sind die Schmerzen, die du all die Wochen gespürt hast. Dafür entschuldige ich mich." Erneut senkte sie ihr Haupt, entblößte ihren verletzlichen Nacken, ehe sie fortfuhr: ,,Ich habe aus deinem Körper Energie gesogen, um mich selbst zu heilen, da meine eigene Wundheilung nicht für solche maßüberschreitenden Wunden ausgelegt ist. Dabei sind die Schmerzen auf dich übertragen worden." Sie ging tiefer und presste ihre Stirn auf den mit Holz belegten Boden. Sie hatte nicht das Privileg wie Kakashi auf dem Teppich zu verweilen.
1116 Wörter
Das letzte Kapitel für heute und am nächsten Sonntag geht es dann weiter^^ Dann werden wir erfahren, wer dieses Mädchen ist und wie sich das Verhältnis der beiden entwickelt^^
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Coyote Secret (Kakashi FF)
Fiksi PenggemarSchmerzen - zarte oder auch qualvolle Schmerzen. In Schüben jagen sie durch Kakashis Körper, als er den Angriff auf einer Mission übersteht. Maßlos überfordert, können die Ärzte des Krankenhauses Konohas seine Beschwerden nicht lindern, schicken ihn...