Am frühen Morgen kurz vor Sonnenaufgang erreichte der Hokage des Dorfes Konohagakure, das Dorf versteckt unter den Blättern, die Etage, auf welcher die Wohnung seines letzten überlebenden Schülers lag. Sorge ummantelte ihn, als er an dessen derzeitigen Zustand dachte.
Kushina hatte es ihm am vergangenen Abendbrottisch berichtet: Sie hatte den Hatake gesehen, wie er von seiner Mission heimgekehrt und sichtlich gequält in Richtung seiner Wohnung vorgedrungen war. Sie machte sich riesige Sorgen um ihren Pflegesohn. Sie wusste, er hasste das Krankenhaus abgrundtief und würde selbst schwerst verletzt nicht freiwillig dorthin gehen. Sie hatte keine Verletzungen auf die Entfernung erkennen können, dennoch wuchs die Angst um ihn.
Minato erging es damit nicht anders: Er wusste, auf welchen Auftrag er Kakashi geschickt hatte und wusste genauso auch dessen Schweregrad. Den Standpunkt der Tsunagari finden. Was, wenn er wieder auf einen getroffen war und diesmal noch schwerer erwischt wurde, als beim ersten Mal? Der Namikaze wollte sich die Folgen nicht ausmalen, aber trotzdem war es seine Pflicht, vor seiner Tür zu stehen und anzuklopfen. Er musste einfach nachschauen, wie es seinem Jungen ging.
Selbst nach Augenblicken des Wartens öffnete ihm niemand, sodass er gezwungenermaßen seinen Schlüssel aus seiner Tasche zog und die Tür eigenständig öffnete. Kakashi hatte ihm seit des ersten Anfalls einen Ersatzschlüssel aushändigen müssen, über den Minato nie so froh gewesen war wie in diesem Moment.
Er schnappte panisch nach Luft, als er die riesige Blutlache im Eingangsbereich erblickte. Der Boden war besprenkelt, rot und der Lebenssaft bereits eingetrocknet. ,,Kakashi!", rief er in die Wohnung hinein und verzichtete auf das Ausziehen seiner Schuhe, als er in die vier Wände seines Schülers hineinstürmte.
Er folgte der Spur des Blutes - durch den Flur hinein in das Wohnzimmer. Seine Anspannung wuchs weiter. Er erkannte den Hatake, auf dem Sofa sitzend, zitternd und er glaubte seinen Ohren kaum: Er schluchzte.
Vorsichtig, um den Jungen nicht zu erschrecken, schlich er um die Couch. Er wollte ihm bloß keine Angst einjagen. Er litt bereits genug. Der Blonde erkannte eine weitere Person - in Kakashis Armen liegend, reglos. Er drückte das Mädchen an sich, hielt sie aufrecht auf seinem Schoß und streichelte ihre blasse Hand. Sie reagierte auf seine Berührungen und Zärtlichkeiten nicht einmal mit einem Wimpernzucken. Sie zuckte nicht, rührte sich nicht, bewegte sich nicht. Selbst eine Atmung konnte der gebildete und erfahrene Shinobi nicht erkennen. Leblos lag sie in seinen Armen, besprenkelt mit seinen Tränen.
Minato versuchte erst gar nicht, sie aus seinen Armen zu winden, sondern setzte sich beistehend neben seinen Schüler, legte ihm seine Hand auf die Schulter. Er wollte ihn nicht allein lassen - erst recht nicht, wenn es ihn psychisch leiden ließ.
Dem Namikaze kam dieses Mädchen jedoch nicht bekannt vor. Er hatte sie noch nie in Konoha gesehen, geschweige denn davon gehört, dass sein Pflegesohn eine Freundin besaß. Allem Anschein nach hatte er dennoch eine besessen und trauerte nun. Minato grübelte, doch er stutzte nur weiter. Er erkannte ihren blau-grünen Haare - Tsunagari. Das Wort schoss durch seinen Kopf und es verunständlichte alles nur weiter. Er verstand nicht, doch er musste es auch nicht verstehen - zumindest nicht in diesem Augenblick.
Er drückte Kakashis Schulter sacht, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, die er auch fast sogleich bekam. Rote und verweinte Seelenspiegel blickten dem Blonden entgegen. Das Sharingan funkelte vor Trauer und die Tränen zogen dunkle Spuren über seine Wangen. Blut klebte in seinem Gesicht, ließ seine Haare an seiner Stirn festkleben. ,,Bist du verletzt?", erkundigte sich Minato sanft, blickte ihm in die Augen, erhielt sogar ein Kopfschütteln.
Erleichtert stieß er die angehaltene Luft aus seinen Lungen, doch ihm rutschte bereits die nächste Frage über die Lippen. ,,Gehört all das Blut ihr?", erkundigte er sich mit einem Blick auf ihre durchgeblutete Binde um ihre Seite, ehe dieser zum Boden glitt und der roten Spur folgte. Der Junge hatte versucht, sie zu retten, hatte allem Anschein nach sein bestes gegeben, doch es hatte nicht ausgereicht. Sie trug keinen einzigen Lebensfunken mehr in sich.
Kakashi wandte sich ab, legte seine Hand sanft an ihre Wange und streichelte diese zärtlich. Er nickte gebrochen, nahm den Blick nicht von ihren weichen Gesichtszügen. Seine Augen sprachen aus, was Minato vermutete: Er hatte sich ihr gegenüber geöffnet. Er hatte sich ihr anvertraut. Er hatte sie gemocht, sogar geliebt. Als sein Vater, auch wenn es nur ersatzmäßig war, sah er dies sofort.
,,Sie ist nicht mehr aufgewacht", hörte der Namikaze den erstickten Laut seines Schülers. Er schnappte nach Luft, schien vergessen zu haben, wie man atmete. Tränen traten ihm erneut in die Augen, perlten an seiner Wange hinab und verschwanden in seiner getränkten Maske. Er schüttelte sich und zuckte zusammen, nahm das Mädchen dabei enger in den Schutz seiner Arme.
Seine bebenden Schultern vertrieben Minatos Hände, sodass er diese zurück zu sich zog. Ihm fielen keine Worte ein. Kein Ton der Beruhigung, des Mitgefühls, des Beileids. Er würde mit jedem Laut die Situation nur verschlimmern. So blieb er neben dem Hatake sitzen, leistete ihm Gesellschaft, ließ ihn reden und hörte zu, wenn er dieses Bedürfnis verspürte.
,,Sie sagte, sie würde meine Seite nie verlassen", schluchzte er zwischen panischen Schnappatmungen, ,,Nun ist sie friedlich eingeschlafen." Kakashi konnte seinen eigenen Worten nicht trauen. Er sprach es laut aus. Die Realität verließ seine Kehle. Sie hatte ihn verlassen. Sie hatte ihn allein gelassen. ,,Sie ist in der Nacht verblutet", gestand er sich ein, drückte sie noch einmal fest an sich, doch ihr Körper war kalt und starr. Sie hatte all ihr Blut auf der Reise verloren und ihr Körper hatte der Belastung nachgegeben.
Hiko war tot.
Minato horchte ihm zu, stellte keine seiner vielen Fragen. Wer war dieses Mädchen? Woher kannten sie sich? Was war geschehen? Wer war ihnen über den Weg gelaufen? Was bedeutete sie ihm wirklich?
,,Ich will sie beerdigen", bat Kakashi indirekt das Dorfoberhaupt. Sie gehörte nicht zum Dorf, hatte keinerlei Recht auf dem Friedhof Konohas beigesetzt zu sein. Er sah seinen Lehrmeister nicht in die Augen, traute sich nicht. Er besaß zu viel Angst vor einer Absage. Er wollte sie nicht verlieren.
Am liebsten hätte Minato direkt zugesagt, doch er kannte die Dorfältesten und deren Sinn für Nationalität in Konoha. Fremde waren nicht erwünscht. Wusste er deshalb nichts von ihr?
Noch bevor er antworten konnte, schüttelte der Junge mit dem Kopf. Er wollte nicht in Konoha ihren Ruheplatz haben. Auch wenn er ihrem innigsten Wunsch, ein Teil von allen zu werden, erahnen konnte, so wusste er, dass sie sich an einem anderen Ort wohler fühlen würde.
Ein Ort, an dem sie toben, tollen und sie selbst sein konnte. Ein Ort, an dem sie niemand je gestört hatte. Ein Ort, an dem sie in Freiheit sein würde. Ein Ort, an dem sie in Sicherheit sein würde. Ein Ort, an dem sie keine Gefahr je wieder fürchten müsse.
Ohne nur ein Wort zu verlieren, nickte Minato. Er verstand, ließ seinen Sohn handeln, wie er es für richtig hielt.
Er ließ ihn ziehen - zur Lichtung in den Wäldern.
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Ich wünsche allen frohe Weihnachten und eine wunderbare Zeit mit euren Liebsten^^ Genießt die Bescherung und habt einen fleißigen Weihnachtsmann^^
Ein Kapital wartet noch sehnsüchtig auf euch^^
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Coyote Secret (Kakashi FF)
Hayran KurguSchmerzen - zarte oder auch qualvolle Schmerzen. In Schüben jagen sie durch Kakashis Körper, als er den Angriff auf einer Mission übersteht. Maßlos überfordert, können die Ärzte des Krankenhauses Konohas seine Beschwerden nicht lindern, schicken ihn...