Teil15 Gamla sår

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Sanna

Verwirrt blinzele ich in die plötzliche Helligkeit, nehme Stimmen wahr, die aufgeregt vor sich hin plappern, dann Hände, die mir vorsichtig durch das Gesicht streichen. „Sanna? Sanna, hörst du mich?"

Ich brumme, Moritz Stimme dröhnt in meinem Kopf, ich schmecke den unangenehmen Geschmack von Erbrochenem, Blitze zucken vor meinen Augen, so dass ich sie schnell wieder schließe. Ein kühler Waschlappen legt sich auf meine Stirn und jemand hebt meinen Oberkörper vorsichtig an, erschöpft lehne ich mich gegen diese Person, die sich durch ihren Geruch als Moritz verrät. Moritz... Aber war da nicht eben noch... Der Kelly! Schlagartig drängen sich die Bilder auf, wie ich mich direkt vor ihm übergebe, direkt nachdem... Ja nach was? War das eine Liebeserklärung? Scheiße, wie sieht das jetzt aus? Ob er wohl noch hier ist? Ob er überhaupt noch mit mir reden möchte? Ich unternehme einen vorsichtigen Versuch zu blinzeln, meine Umgebung ist erst noch verschwommen, es dauert etwas, bis ich die klaren Umrisse meiner Freunde sehe, besorgt beugen sie sich über mich. Suchend gleitet mein Blick über die Gesichter, bis sie an dem einen hängen bleiben, nach dem ich gesucht habe. Ich ziehe die Mundwinkel an und hoffe, dass es wie ein Lächeln aussieht und nicht, als ob ich einen Schlaganfall erlitten hätte. Da er zurücklächelt scheine ich erfolgreich gewesen zu sein.

„Sanna? Kannst du was trinken?", beendet Moritz meine vorsichtige Kontaktaufnahme. Er hält mir zwei kleine Pillen und ein Glas Wasser hin.

„Isn das?", nuschele ich und beäuge die Tabletten kritisch.

„Vomex gegen die Übelkeit und Triptane, das sollte die akute Attacke lindern."

Seufzend schlucke ich die zwei Pillen, weiß, dass der Abend jetzt für mich endgültig gelaufen ist, die Medikamente werden mich müde werden lassen und das in kürzester Zeit und dann werde ich erst einmal schlafen, ich weiß aber auch, dass morgen der Spuk vorbei sein wird. „Hilfst du mir kurz hoch, ich würde gerne kurz ins Bad und dann ins Bett.", bitte ich Moritz, sobald ich wieder auf meinen eigenen Beinen stehe, beginnt er unsere Gäste aus meinem Zimmer zu scheuchen, nur um den Kelly macht er einen großen Bogen, es ist, als wenn er ihn überhaupt nicht beachtet, er Luft für ihn wäre. Langsam schlurfe ich zum Kelly, lehne mich neben ihn an die Wand. „Hast du noch ein paar Minuten? Oder... Hab ich dich irgendwie... Getroffen?", murmele ich, die ganze Sache ist mir unheimlich peinlich.

„Nur rein emotional.", er lacht leise und in meinem Bauch beginnt es merkwürdig zu gluckern, dieses Mal aber nicht vor Übelkeit.

„Ich würde mich kurz frisch machen und dann...", ich zucke etwas verlegen mit den Schultern.

„Klar, lass dir die Zeit, die du brauchst, ich warte hier, außer dein Wachhund schmeißt mich raus." Er deutet mit dem Kopf auf Moritz, der im Türrahmen steht und uns sehr kritisch beäugt.

„Der beißt nicht, versprochen." Ich krame im Kleiderschrank nach frischen Klamotten und verlasse das Zimmer.

„Will der nicht gehen?", knurrt Moritz und deutet auf den Kelly.

„Der hat auch einen Namen.", entgegne ich wohlwissend, dass er in meinem Kopf immer der Kelly sein wird. „Und nein, er will noch nicht gehen."

„Du brauchst Ruhe, die Migräneattacke war nicht ohne.", setzt Moritz von neuem an.

Ich ziehe die Augenbraue hoch und mustere ihn. „Ach, sag bloß, das hätte ich jetzt gar nicht bemerkt, danke für die Info." Mit diesen Worten lasse ich ihn stehen und verschwinde im Bad. Ich schlüpfe aus meinen dreckigen Klamotten, nach einer kurzen, aber heißen Dusche geht es mir schon deutlich besser. Während ich meine Zähne putze, mustere ich mich wieder einmal im Spiegel, suche das, was der Kelly anscheinend sieht aber alles, was ich heute finde, sind Augenringe und blasse Haut, nicht besonders einladend, aber vielleicht sind das ja die inneren Werte, von denen immer geredet wird. Als ich in mein Zimmer zurückkehre ist meine Bettdecke bereits zurückgeschlagen, das Fenster weit geöffnet, kühler Nachtwind streicht um meine nackten Beine. Der Kelly sitzt jetzt in meinem Sessel, sein Handy in der Hand und bemerkt mich erst gar nicht.

PetrichorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt